Start Rohmilch-Initiative
Slow Food startet Rohmilch-Initiative
Die begleitenden Fachvorträge zur neuen Slow Food Initiative – ein Programmbestandteil, der seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder bei einer Jahresversammlung angeboten wurde – stießen auf großes Interesse der Mitglieder. Vier Experten waren nach Kassel eingeladen, um Schlaglichter auf das Thema Rohmilch zu werfen. Professor Dr. Ton Baars vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Schweiz) ging in seinem Beitrag „Milch oder Milchen? Betrachtungen zur modernen Wahrnehmung und dem Konsum von Milch“ besonders auf Studien ein, die sich mit dem Zusammenhang von Rohmilchkonsum und dem Auftreten von Allergien und Asthma beschäftigten. Sein Fazit: „Die aktuelle Gesetzeslage mit sehr hohen und teilweise willkürlichen Auflagen für den Verkauf von Rohmilch geht in die falsche Richtung.“ Kinder und Schwangere beispielsweise bräuchten die Inhaltsstoffe der Rohmilch um bestimmten Krankheiten vorzubeugen.
Rupert Ebner, Tierarzt und Schatzmeister von Slow Food Deutschland, gab einen Einblick in das Thema „Die Rückkehr der Tuberkulose bei Rindern und ihre weitreichenden Folgen.“ Häufig genanntes Argument von Rohmilchskeptikern und -gegnern ist das für den Menschen gefährliche Tuberkulose-Bakterium in Kuhmilch. Die Einschätzung des erfahrenen Tiermediziners lautet: „Das Mykobacterium tuberculosis, das mit anderen so genannten Zoonosen für 80 Prozent aller bakteriellen Krankheiten beim Menschen verantwortlich ist, kann man mit konsequenter staatlicher Kontrolle und mit freiwilligen Kontrollen der Landwirte gut in den Griff bekommen.“
Im Bild oben: Rubert Ebner, Tierarzt und Mitglied im Vorstand von Slow Food, melkt eine Murnau Werdenfelser Kuh auf der Slow Food Messe in Stuttgart.
Anita Idel, Tierärztin, Lead-Autorin beim Weltagrarrat (IAASTD) und Autorin des Buchs „Die Kuh ist kein Klimakiller!“ beleuchtete den Zusammenhang von Bodenfruchtbarkeit, Weidewirtschaft, Klimadiskussion und wirtschaftlichen Interessen. „Für die Industrie ist jedes Grünland verhindertes Ackerland, an dem mit Dünger, Pestiziden und anderen teueren Produkten verdient werden kann“, sagte Idel. Dabei sei die notwendige Bedingung für Bodenfruchtbarkeit seit der Eiszeit Grasland und Weidewirtschaft.
Francisco J. Marí, Projektreferent für Agrarhandel und Fischerei bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Kooperationspartner von Slow Food Deutschland, betonte die Notwendigkeit einer „Slow Landwirtschaft“, im Gegensatz zu einer exportorientierten deutschen und europäischen Agarindustrie. „Milchpulver aus der Europäischen Union, das in armen Ländern billiger zu haben ist als Milch, die vor Ort produziert wird, zerstört lokale Märkte langfristig“, erklärte Marí. „Wir wünschen uns deshalb noch mehr Zusammenarbeit mit Slow Food auch in Afrika.“
Am Ende der Veranstaltung wurde die neu erarbeitete Grundsatzerklärung von Slow Food Deutschland „Rettet die Milch!“ zur Rohmilch an alle Anwesenden verteilt (als PDF zum Download weiter unten). Das Rohmilch-Manifest entstand aus einer Expertendiskussionsrunde von Wissenschaft und Praxis auf Initiative des CV Hamburgs. Das Protokoll der Mitgliederversammlung sowie alle weiteren Dokumente zur Veranstaltung werden in Kürze im internen Bereich für Mitglieder zur Verfügung gestellt.
Bild oben: Anita Idel bei ihrem Vortrag auf der Mitgliederversammlung.
Mehr Informationen:
Grundsatzerklärung "Rohmilch" als PDF herunterladen
Ausführliche Informationen zur Mitgliederversammlung finden Mitglieder in Kürze im internen Bereich.
Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, berichtet von der Arbeit des Vorstands auf der Mitgliederversammlung in Kassel.
Fotos: Stefan Abtmeyer (1), Katharina Heuberger (2)