Bäckermeister bewirbt sich bei Lidl
#lidllohntnicht: Bäcker legt sich mit Discounter an
In einer Pressemitteilung hatte Slow Food Deutschland die Kampagne von Lidl bereits scharf kritisiert, die sich u.a. mit fragwürdigen Argumenten gegen die Konkurrenz aus dem Handwerk richtet. Jetzt macht der Kubschätzer Bäckermeister Stefan Richter mit einem "Bewerbungsschreiben" in den Sozialen Netzwerken noch einmal deutlich, was der Qualitätsbegriff des Lebensmitteldiscounters für das Handwerk und die Kunden bedeutet:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit bewerbe ich mich vorausschauend aus ungekündigter Stellung um einen Arbeitsplatz in Ihrer Brotproduktion. Derzeit bin ich selbständiger Bäckermeister und betreibe eine kleine, handwerkliche und damit rückschrittliche Dorfbäckerei in der Oberlausitz. Ab dem Zeitpunkt, an dem Ihre Werbekampagne „Was ist ein gutes Lebensmittel?“ mehr als 50% unserer jetzigen Kundschaft überzeugt hat, stehe ich Ihrem Unternehmen zur Verfügung. Ich bin mir bewusst, dass meine fachliche Qualifikation nur eine untergeordnete Rolle spielen wird und nehme daher Lohneinbußen in Kauf.
Aufmerksam geworden bin ich auf Ihr Unternehmen durch Kundenäußerungen, dass „gutes Brot“ nun einmal nichts mit handwerklicher Expertise, einer aufwändigen Sauerteigführung und dem damit möglichen Verzicht auf Enzyme und weitere nicht-deklarationspflichtige Zusatzstoffe zu tun habe. Sondern einzig und allein an der Sortimentsbreite, an Labortests und am „guten“ Preis zu erkennen sei. Auf die Frage, was diesen „guten Preis“ ausmache, sagte ein Kunde mit einem Seitenblick auf meine Mitarbeiterin, die unsere Kunden berät, Bestellungen entgegennimmt und Backwaren sorgfältig verpackt: „Die schon mal nicht, denn eine Bäckereifachverkäuferin ist zu teuer.“ Er informiere sich jetzt bei Lidl.de und wisse Bescheid, dass industrielle Produktion nicht nur sicherer sei, sondern durch Kostenersparnis auch zu besserem Brot führe.
Leider kann ich mit meiner kleinen Bäckerei die von Ihnen definierten Qualitätskriterien nur zum Teil erfüllen, was an mangelnder Größe (wir können keine Preise im Einkauf durch Marktmacht diktieren), regionaler Ausrichtung (es wächst im Klima unserer Gegend nicht jedes Getreide) und fehlender Automatisierung (teure Handarbeit von Fachkräften) liegt. Ich bin froh, dass Sie durch Zentralisierung und Kostenoptimierung Möglichkeiten schaffen, mehr im Sinne der Kunden zu arbeiten. Gern nehme ich auch den Weg in einen ihrer Produktionsstandorte außerhalb Deutschlands (Österreich, Belgien, Frankreich oder auch die Niederlande) in Kauf. So mobil wie ein tiefgefrorener Teigling bin ich ebenfalls. Und wenn eines Tages die Reise nach China geht – warum nicht?
Das Backen, der Geruch von frisch gebackenem Brot und der direkte Kontakt mit dem Produkt meiner Arbeit werden mir fehlen. Andererseits kann ich mich ja auf Laborproben und Rechtsabteilung verlassen und privat dann sicher auch etwas anderes essen, als das, was ich bei Ihnen produziert habe. Da arbeitet es sich sorgloser und sorgenfreier, gerade wenn man sich angewöhnt, beim Umgang mit speziellen Zutaten Handschuhe und Mundschutz zu tragen. Ich freue mich bereits jetzt auf die spannende Tätigkeit in Ihrem Unternehmen und auf eine Einladung zum Bewerbungsgespräch ab dem vorgenannten Zeitpunkt.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Richter, Bäckermeister"
Quelle: Pressemitteilung der Bäckerei Richter vom 12. März 2015
Bild oben: Bäckermeister Stefan Richter. | © Jessica Grossmann
Die Reaktionen auf das "Bewerbungsschreiben können Sie u.a. unter dem Hashtag #lidllohntnicht auf Twitter verfolgen.
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