Slow Food Kuttelgespräch: Schafe
Slow Food Kuttelgespräch: Tiere essen, aber richtig!
Beim Zubereiten eines ganzen Lammes und anschließender Verkostung diskutierten Experten über Verschwendung beim Fleischkonsum und den Zusammenhang von Weidewirtschaft und Ressourcenschutz. Teilnehmer der Koch- und Diskussionsrunde in der Schäferei Eichhorn im Altmühltal waren Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland; Rupert Ebner, Mitglied im Vorstand von Slow Food Deutschland e.V. und Referent für Gesundheit, Klimaschutz und Umwelt der Stadt Ingolstadt; Günther Czerkus, Vorsitzender des Bundesverbands Berufsschäfer; Michael Jobst, Küchenchef im Restaurant Antonius Schwaige Ingolstadt und Alfred Eichhorn, Inhaber der Schäferei Eichhorn. Rechtsanwalt Michael Olma, Leiter der lokalen Slow-Food-Gruppe Ingolstadt, moderierte die Veranstaltung.
Bild oben: Beim zweiten Slow Food Kuttelgespräch wurde gleichzeitg diskutiert und gekocht. Von rechts: Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland; Günther Czerkus, Vorsitzender des Bundesverbands Berufsschäfer; Rupert Ebner, Mitglied im Vorstand von Slow Food Deutschland e.V. und Referent für Gesundheit, Klimaschutz und Umwelt der Stadt Ingolstadt; Alfred Eichhorn, Inhaber der Schäferei Eichhorn und Michael Olma, Moderator und Leiter von Slow Food Ingolstadt. | © Holger Riegel
Vergeudung beginnt bereits nach der Schlachtung
Seit 2011 engagiert sich Slow Food Deutschland mit Aktionstagen und Informationsveranstaltungen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Beim Fleisch beginnt die Vergeudung bereits zwischen Schlachtung und Verzehr. Nachgefragt wird von deutschen Verbrauchern in erster Linie mageres Muskelfleisch wie Filet und Schnitzel. Der Rest des Tieres, die so genannten „unedlen Teile“ werden anderweitig verwertet, beispielsweise als Tierfutter. Verglichen mit anderen Fleischlieferanten wie Schwein, Rind oder Huhn liegt beim Schaf der verzehrte Anteil des geschlachteten Tieres mit 33 Prozent am niedrigsten (Quelle: Fleischatlas extra, 2014, Heinrich-Böll-Stiftung).
Bild oben: Ursula Hudson (grüne Schürze), Vorsitzende von Slow Food Deutschland, paniert Lammzungen, die anschließend wie Schnitzel in Butterschmalz gebraten werden (Rezept siehe unten). Die Zunge gehört zu den 67 Prozent des Lammes, die in der Regel nicht vom Menschen verzehrt, sondern zu Tierfutter verarbeitet werden.
Alfred Eichhorn, Inhaber der Schäferei Eichhorn im Altmühltal, berichtet während der Betriebsführung über das Leben und die Arbeit eines Hüteschäfers. | © Holger Riegel
"Mein Lammfleisch ist mir zum Wegwerfen zu schade!"
Laut Alfred Eichhorn, Wanderschäfer in dritter Generation, der auf seinem Hof selbst schlachtet und das Fleisch direkt vermarktet, fragt der deutsche Verbraucher eben auch beim Lamm nur die so genannten Edelteile nach: Keulen zu Ostern, Koteletts zum Grillen im Sommer. Die Gastronomie nimmt meistens nur die Schulter ab. Wichtig ist: Das Fleisch muss mager sein und soll keine Knochen enthalten. Wenn er nur diese Teile verkaufen würde, rechnete Eichhorn vor, wären das jeweils zwei bis drei Kilo einer zehn Kilogramm schweren Lammhälfte. Da er für Katzen- und Hundefutterhersteller als kleiner Erzeuger zu kleine Mengen liefert, müsste er das restliche Fleisch entsorgen. „In dem von mir produzierten Lammfleisch steckt sehr viel Arbeit, das ist mir zum Wegwerfen zu schade! Deshalb verkaufe ich als kleinste Abgabemenge halbe Lämmer“, erklärte Eichhorn.
Verbraucher sollen den Erzeugern ganze Tiere abnehmen
Um auf den ökologischen und moralischen Missstand der Verschwendung beim Fleischkonsum hinzuweisen, wurde beim Slow Food Kuttelgespräch in der Schäferei Eichhorn ein ganzes Lamm gegrillt und verzehrt. Auch Lammzungen, die es selten in den Handel schaffen, wurden zubereitet. „Lammfleisch aus extensiver Haltung ist ein wertvolles, gesundes und natürliches Lebensmittel, da die Tiere das ganze Jahr auf natürlichem Grünland in ökologischen Nischen, wie beispielsweise den kräuterreichen Mager- und Trockenrasen im Naturpark Altmühltal verbringen“, erläuterte Dr. Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Die Verbraucher, der Handel und die Gastronomie seien gefragt, wenn es darum geht, Erzeugern das ganze Tier abzunehmen und wieder zu lernen, dieses zuzubereiten. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang auch, dass in Kochmedien meistens nur Rezepte für Lammkeulen zu finden seien. Auch hier sei ein Umdenken gefordert, zumal aus kulinarischer Sicht das etwas fettere Bauchfleisch beispielsweise saftiger, zarter und geschmackvoller sei.
Bild oben: Der Koch Michael Jobst testet, ob das Lamm am Grill fertig gegart ist, um es den Gästen des Slow Food Kuttelgesprächs zu servieren.
Schafe sind als Graser keine Nahrungskonkurrenten des Menschen
Günther Czerkus, Vorsitzender des Bundesverbands Berufsschäfer, betonte die zusätzlichen Vorteile des Nutztiers Schaf. Schafe seien als Graser keine Nahrungskonkurrenten der Menschen, anders als die Nutztiere, die Pflanzen wie Soja, Getreide und Mais fressen, die weltweit auch wichtige Ressourcen für die Ernährung von Menschen darstellen. Zudem seien Schäfer und ihre Schafe agrarökologische Dienstleister für die ganze Gesellschaft. “Schafe schützen die Luft, da Grünland auch im Winter Sauerstoff produziert und große Mengen von CO2 bindet. Beweidetes Grünland filtert zudem sehr viel Stickstoff, das verhindert eine Nitratbelastung des Trinkwassers. Und Schafe schützen den Boden vor Erosion, da sie ihn mit sanften Tritten festigen.“
Bild oben: Bayerische Merino-Landschafe und ihre Ziegen-Kollegen bei der Arbeit - Gras fressen.
Unter den Gästen waren neben Vertetern deutscher, bayerischer und lokaler Schafhalter-Verbände sowie Vertretern von Naturschutzverbänden und -behörden auch Tanja Schorer-Dremel, Abgeordnete im Bayerischen Landtag (CSU) und Mitglied im Landwirtschafts- und Umweltausschuss (braune Jacke). Hier bei der Begrüßung durch Ursula Hudson (grüne Schürze), der Vorsitzenden von Slow Food Deutschland.
Der ZEIT Kochtag
Anlass der Veranstaltung war der ZEIT Kochtag, der am 17. April 2015 erstmalig und in Zusammenarbeit mit Slow Food Deutschland stattfindet. Der Aktionstag möchte Menschen dazu anregen, selbst zu kochen und sich mit ihrem Essen bewusst auseinanderzusetzen. (Ausführliche Informationen unter ZEIT-Kochtag)
Über die Veranstaltungsreihe „Slow Food Kuttelgespräche“:
Das „Slow Food Kuttelgespräch“, eine Gesprächsrunde am Herd zu guten, fairen und sauberen Lebensmitteln, ist ein neues Slow-Food-spezifisches Format. Das erste Slow Food Kuttelgespräch fand im Dezember 2014 anlässlich des internationalen Slow Food Terra Madre Tags statt. Die Reihe wird bundesweit bei verschiedenen Veranstaltungen fortgesetzt. „Kutteln“ als Teil der Wortneuschöpfung „Kuttelgespräche“ sind bewusst gewählt. Kutteln lösen im kulinarischen Kontext starke, oft widersprüchliche Reaktionen aus: Sie werden als Lebensmittel von manchen abgelehnt, von anderen als Spezialität geliebt oder sogar mit heimatlichen Ernährungstraditionen identifiziert. Symbolhaft stehen sie in dieser Veranstaltungsreihe für unangepasste, provokative und neue Sichtweisen von Slow Food auf das aktuelle Lebensmittelsystem, über die man sich in Experten-Gesprächen austauscht. Die charakteristische Slow-Food-Prägung erhält das Format zudem durch das gemeinsame Kochen und den Genuss der zubereiteten Gerichte.
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food Deutschland vom 17. April 2015
Fotos: © Holger Riegel (2), Katharina Heuberger (4)
Mehr Informationen:
Slow Thema Lebensmittelverschwendung
Slow Thema Tiere in der Landwirtschaft
Erstes Slow Food Kuttelgespräch in München
Lammzunge, mit Senf und Meerrettich verfeinert, in Schwarzbrotpanade
Während des Zweiten Slow Food Kuttelgesprächs wurde folgendes Rezept zubereitet:
Lammzunge,
mit Senf und Meerrettich verfeinert, in Schwarzbrotpanade
Fleisch:
10 Lammzungen
2 Liter Gemüsebrühe
3 Wacholderbeeren, 4 Lorbeerblatt, 1 Zweig Rosmarin, 1 Zweig Thymian
Marinade:
2 EL mittelscharfer Senf und 1 EL süßer Senf gemischt
6 EL frisch geriebener Meerrettich
1 EL Liebstöckel, Petersilie, gehackt
1 Knoblauchzehe, gehackt
Panade:
150 Gramm Mehl zum Panieren
2 Eier, verrühren und mit Salz und Pfeffer würzen
500 Gramm getrocknetes Schwarzbrot, gerieben
Zum Braten:
500 Gramm Butterschmalz
Lammzungen in Gemüsebrühe mit Wacholderbeeren, Lorbeerblatt, Rosmarin, Thymian rund zwei Stunden köcheln. Dann putzen, die Haut abziehen und halbieren. Für die Marinade den Senf, Meerrettich, Liebstöckel, Petersilie und Knoblauch mischen. Die Zungen mit der Marinade bestreichen und danach wie Schnitzel panieren. Panierte Zungen in Butterschmalz bei leichter Hitze rund drei bis vier Minuten auf jeder Seite braten (siehe Bild oben).
Tipp zum Verfeinern: Rosmarin und/oder Thymianzweige ins Bratfett geben.
Lammrezept zum Nachkochen (als PDF)
Rezept: Michael Jobst, Küchenchef Restaurant Antonius-Schwaige, Ingolstadt
Foto: © Katharina Heuberger