Glyphosatentscheidung im EP

13.4.2016 - Das Europäische Parlament hat heute einem Antrag zugestimmt, die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel Glyphosat für sieben Jahre unter bestimmten Bedingungen zu verlängern. Slow Food Deutschland bedauert diese (nicht bindende) Entscheidung und fordert einen endgültigen Zulassungsstopp in Europa.

Glyphosat: EU-Parlament stimmt Wiederzulassung zu

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Das Parlament sprach sich für eine generelle Einschränkung des Einsatzes von Herbiziden aus, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten, vor allem in privaten und öffentlichen Bereichen. Die Parlamentarier sprachen sich außerdem dafür aus, dass der Einsatz von Glyphosat auf landwirtschaftlichen Flächen unmittelbar vor der Ernte beschränkt wird. Bei der Abstimmung votierten 374 Abgeordnete für die beschränkte Neuzulassung, 225 dagegen und 102 enthielten sich.

Bild oben: Protest-Banner gegen Glyphosat auf der Großdemo "Wir haben es satt!" in Berlin während der Grünen Woche im Januar. | © Sharon Sheets

Glyphosat-Zulassung ist Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip

Die Vorstandsvorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson, kommentierte die Abstimmung im EU-Parlament wie folgt: “Slow Food bedauert, dass das Europäische Parlament die Chance verpasst hat sich mit einer klaren politischen Botschaft an die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten zu richten. Wir fordern die Europäische Kommission dringend dazu auf, die Bedeutung des EU-⁠Vorsorgeprinzips im Auge zu behalten und sich deswegen bei der Mai-⁠Abstimmung ausdrücklich gegen die Erneuerung der Glyphosatzulassung in der Landwirtschaft auszusprechen. Die EU hat sich dem Vorsorgeprinzip verschrieben und wir fordern die Europäischen Behörden dazu auf, diese Einstellung aufrechtzuerhalten. Die EU sollte deshalb erst dann eine endgültige Entscheidung über Glyphosat treffen, wenn absolute Klarheit über die Gesundheits- und Umweltrisiken besteht und potenzielle krebserregende Wirkungen sowie Einflüsse auf das Hormonsystem ausgeschlossen werden können. Es ist äußerst bedenklich, dass der globale Glyphosateinsatz in den letzten 40 Jahren um ein 260 faches angestiegen ist, obwohl dessen potenzielle negative Auswirkungen nicht geklärt wurden. Wir fordern die Entscheidungsträger außerdem dazu auf, sich vor Augen zu halten, dass das industrielle Lebensmittelsystem mit dem übermäßigen Einsatz von Herbiziden und Pestiziden zu negativen ökologischen, sozialen und ökonomischen Externalitäten führt und natürlichen Ressourcen wie Wasser und Boden schadet. Wir brauchen eine grundlegende Systemveränderung, weg von derzeitigen EU-Richtlinien, die ein nicht-nachhaltiges Lebensmittelsystem fördern, und hin zu einer Gemeinsamen Ernährungspolitik, die beispielhafte, zukunftsfähige landwirtschaftliche Modelle unterstützt. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die keine versteckten Kosten für die Umwelt und Gesundheit in sich birgt."

Der Wirkstoff Glyphosat ist weit verbreitet in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, auf öffentlichen Plätzen und in privaten Gärten. Glyphosatrückstände werden außerdem in immer mehr Lebensmitteln und Getränken sowie im menschlichen Körper, nachgewiesen. Die intensive Nutzung von Glyphosat hat zum Entstehen und zur Verbreitung von Glyposat-resistenten Unkräutern geführt, die Landwirte dazu verleiten, noch mehr Herbizide zu spritzen. Glyphosat führt zur schrittweisen Schwächung von Kulturpflanzen, statt diese zu schützen: Das Herbizid entzieht dem Boden wichtige Nährstoffe, vor allem Spurenelemente, und fördert die Entwicklung von Pilzerregern, welche Landwirte wiederum dazu anregt, noch mehr Pestizide zu spritzen.

Hintergrundinformation zur bisherigen Zulassungsgeschichte

März 2015: Die Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht eine Monographie, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ einstuft.

November 2015: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommt, basierend auf Studien, die durch die Industrie durchgeführt wurden, zu einem gegenteiligen Ergebnis. Die EFSA lässt verlauten, dass Glyphosat „keine krebserregende Gefahr für den Menschen“ und keinerlei andere gesundheitlichen Risiken darstelle und bahnt dadurch den Weg für eine Zulassungsverlängerung. Diesen Juni läuft die Zulassung für Glyphosat in der EU aus.

Am 8. März 2016 hat der Ständige EU-Ausschuss Pflanzen, Tiere, Nahrungsmittel und Futtermittel (SCoPAFF) die Entscheidung über eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat vertagt. Italien, Frankreich, die Niederlande und Schweden hatten sich gegen eine Zulassungsverlängerung von weiteren 15 Jahren ausgesprochen. Der Ständige EU-Ausschuss soll nun im Mai eine endgültige Entscheidung treffen.

Slow Food hat kürzlich als Organisation die Petition Stop Glyphosat von We Move unterschrieben und nimmt gemeinsam mit vielen anderen NROs verschiedene Aktivitäten auf nationaler und EU-Ebene vor, um das Bewusstsein über die Risiken von Glyphosat zu stärken.

Unterschreiben auch Sie die Petition gegen Glyphosat!

Quelle: Pressemitteilung von Slow Food Deutschland und Slow Food International vom 13. April 2016      

Mehr Informationen:

Slow Food International: 10 Things You Need To Know About Glyphosate (3.3.2016, Englisch)

"The Herbicide that is Dividing Europe" - Artikel über Glyphosat von Carlo Petrini (29.2.2016, Englisch)

Slow Food International: Glyphosat - Stimmen Pro und Contra (15.2.2106)

Glyphosat: Keine Neuzulassung im Hauruck-Verfahren (12.2.2016)

EFSA macht Weg frei für Wiederzulassung von Glyphosat (19.11.2015)

Slow Thema: EU-Agrarpolitik

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