Kommentar: Darf Glyphosat weiterhin auf den Acker?
Nachdem diesen Mai bei der geplanten Abstimmung der EU-Staaten im zuständigen Ständigen EU-Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit für die Neuzulassung für neun Jahre zu erwarten war, wurde die Wahl verschoben. Am 6. Juni wird die EU Kommission nun einen abgewandelten Vorschlag vorstellen und die EU-Mitgliedsstaaten dazu abstimmen lassen, ob sie der Zulassung von Glyphosat in der EU auf weitere 18 Monate zustimmen.
Nachdem die Mitgliedsstaaten sich bis jetzt noch nicht zu einer Wiederzulassung durchringen konnten, weil Frankreich und wahrscheinlich Italien bei der letzten angesetzten Wahl mit "Nein" gestimmt und Deutschland sich enthalten hätte, geht die Debatte um Glyphosat Anfang nächster Woche nun in die nächste Etappe. Da die Zulassung von Glyphosat Ende Juni ausläuft, schlägt die EU Kommission nun eine Verlängerung auf weitere 18 Monate vor, bis die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) die Ergebnisse einer noch ausstehenden Studie über die Sicherheit von Pestiziden veröffentlicht. Erfreulich ist zwar, dass es durch den öffentlichen Druck der Verbraucher und Nichtregierungsorganisationen, aber auch unterstützenden Politiker, bis jetzt gelungen ist, die Wiederzulassung zu verhindern und den Entscheidungsträgern die Wichtigkeit des Vorsorgeprinzips als Richtlinie vor Augen zu halten. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht vom Tisch, eine Einigung ist jeweils noch in beide Richtungen möglich.
Wir fordern unsere Bundesregierung deshalb dazu auf, sich einstimmig dem von der SPD unterstützten "Nein" von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks anzuschließen.
Da Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt im Mai für eine Verlängerung plädiert hatte, enthielt sich Deutschland bei der letzten Abstimmung wegen internen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Bei der anstehenden Abstimmung geht es um unsere Zukunft, deshalb darf sich Deutschland bei einer so wichtigen Entscheidung nicht wieder enthalten und sollte auch gegen eine Zulassungsverlängerung von 18 Monaten stimmen.
Die EU sollte erst dann eine endgültige Entscheidung über Glyphosat treffen, wenn absolute Klarheit über die Gesundheits- und Umweltrisiken besteht und potenzielle krebserregende Wirkungen sowie Einflüsse auf das Hormonsystem ausgeschlossen werden können. Es ist äußerst bedenklich, dass der globale Glyphosateinsatz in den letzten 40 Jahren 260-fach angestiegen ist, obwohl die potenziellen negativen Auswirkungen des Giftes noch nicht geklärt sind. Wir fordern die Entscheidungsträger außerdem dazu auf, sich vor Augen zu halten, dass das industrielle Lebensmittelsystem mit dem übermäßigen Einsatz von Herbiziden und Pestiziden ökologische, soziale und ökonomische Folgekosten hat und natürlichen Ressourcen wie Wasser und Boden schadet.
Sollten die EU-Staaten am Montag keine qualifizierte Mehrheit erreichen, wird die Kommission die Angelegenheit an die Berufungskommission geben. EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis erklärte außerdem, dass „die Zustimmung der EU eine aktive Substanz zuzulassen nur bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten jeweils Pflanzenschutzmittel auf ihrem Landesgebiet zulassen können, sie aber nicht dazu gezwungen sind. Mitgliedsstaaten, die Glyphosat-enthaltende Mittel nicht zulassen wollen, können dies verbieten.“
Text: Sharon Sheets
Bild oben: Am 8. März 2016 wurden der EU-Kommission in Brüssel die Unterschriften der Online-Petition "Glyphosat stoppen!" von WeMove.EU übergeben, zu der auch Slow Food aufgerufen hatte. | © Marta Messa
Mehr Informationen und Slow-Food-Positionen:
Online-Aktion: Gegen die Wiederzulassung von Glyphosat! (27.4.2016)
Glyphosat: EU-Parlament stimmt Wiederzulassung zu (13.4.2016)
Slow Food International: 10 Things You Need To Know About Glyphosate (3.3.2016, Englisch)
Online-Petition: Glyphosat stoppen! (24.2.2016)
Slow Food International: Glyphosat - Stimmen Pro und Contra (15.2.2106)
Glyphosat: Keine Neuzulassung im Hauruck-Verfahren (12.2.2016)
EFSA macht Weg frei für Wiederzulassung von Glyphosat (19.11.2015)