Biologische Vielfalt: Wie es um sie steht und warum es sie zu schützen gilt

11.09.2019 - Seit den Anfängen des Vereins, setzt sich Slow Food für den Erhalt der biokulturellen Vielfalt ein, denn diese spielt eine zentrale Rolle für die Ernährungssicherung und -souveränität. Auch im aktuellen Klima-Kontext spielen regionaltypische Sorten eine bedeutende Rolle. Aus diesem Grund unterstützt Slow Food Deutschland das Volksbegehren Artenschutz in Baden-Württemberg, das am 24. September beginnt. Autorin und Moderatorin Dr. Tanja Busse legt in diesem Testimonial fürs Volksbegehren dar, was es auf Politik- sowie auf Verbraucherebene braucht, um die Biodiversität zu schützen.

Bienen am Flugloch (c) volksbegehren-artenschutz BW.jpgVor zwei Jahren am Bodensee fragt mich mein kleiner Sohn völlig erstaunt: Was ist das für ein Geräusch? Es war eine Heuschrecke, die zirpte, und er hatte noch nie eine gehört. Man kann offenbar fünf Jahre in Mitteleuropa leben und ziemlich viel draußen sein, ohne jemals einer Heuschrecke zu begegnen.

In diesem Moment habe ich verstanden, was Insektensterben bedeutet.

Ich habe zwei Jahre dazu recherchiert, gerade ist mein Buch dazu erschienen, und was ich herausgefunden habe, hat mich ziemlich mitgenommen: Wir erleben gerade ein Massenaussterben wie zuletzt vor 66 Millionen Jahren, nur dass es dieses Mal kein Meteorit ist, der das Sterben verursacht, sondern: Menschenwerk. Überall auf der Welt verschwinden die Insekten und die anderen Lebewesen.

Biologische Vielfalt ist aber nicht nur schön anzusehen, sondern überlebenswichtig. Die Wissenschaftler sind sich einig: Biologische Vielfalt stärkt die Resilienz, die Widerstandskraft von Ökosystemen. Und das wird immer wichtiger, je extremer das Klima wird.

Das Krasse ist: Die Politik hat das alles erkannt und es gibt Hunderte von Erklärungen auf allen Ebenen - von den SDGs, den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen über die EU bis zur Bundesebene - zum Schutz unserer natürlichen Ressourcen. Aber diese Ziele werden nicht wirklich ernst genommen, sondern immer wieder verfehlt und vertagt.

Dabei wissen wir, was zu tun wäre, um die biologische Vielfalt zu retten. Es waren nämlich Bäuerinnen und Bauern, die die Biodiversität in Mitteleuropa geschaffen haben. Überall, wo Äcker, Weiden, Wiesen und Hutewälder naturnah extensiv bewirtschaftet werden, findet sich die höchste Vielfalt. Das ist eine Riesenchance: Wenn Landwirte mit Produkten aus naturnaher Produktion Geld verdienen können, gibt das eine win-win-win-win-Situation: Es hilft der biologischen Vielfalt und unserer Gesundheit gleich mit. Es ist Klimaschutz, Tierschutz und Grundwasserschutz in einem.

Deshalb ist es ganz wichtig, nicht nur in Verboten zu denken, sondern auch in Lösungen. Natürlich müssen die Pestizide vom Acker, aber die Landwirte, die ohne wirtschaften und mehr Vielfalt produzieren, brauchen faire Preise! Solidarische Landwirtschaft kann dabei helfen und Kommunen, die Kümmerer einstellen, regionale Wertschöpfung organisieren und in ihren Kantinen Natur- und Tierschutz auf dem Teller servieren.

Und noch etwas ist wichtig: Wir brauchen eine andere Politik, völlig klar, aber wir brauchen auch Bürgerinnen und Bürger, die zeigen, dass es ihnen ernst ist mit dem Schutz unserer Ressourcen. Wer biologische Vielfalt schützen will, muss umweltverträglich leben. Mehr Rad, weniger Auto, keine Einwegbecher, keine Getränke aus Plastikflaschen, Schluss mit to go und to throw, keine Fleischberge auf dem Grill und so weiter, dafür mehr vom Guten! Je mehr Leute anders leben und konsumieren, desto mehr Rückhalt haben Politiker, die es ernst meinen mit dem Schutz der Vielfalt!

Machen Sie mit beim Volksbegehren Artenschutz Baden-Württemberg ab dem 24. September: https://volksbegehren-artenschutz.de/.

Text: Dr. Tanja Busse

Buchtipp zur biologischen Vielfalt

Buchcover Artensterben_Tanja Busse.jpg>> Das Sterben der anderen: Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können

Naturschützer schlagen Alarm: Sie haben beobachtet, dass die Zahl der Insekten in den letzten 27 Jahren um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. Nicht nur die Bienen sind in Gefahr, sondern viele andere Insekten, die vor wenigen Jahren noch als weit verbreitet galten. Und mit den Insekten sterben die Vögel.

In den letzten Jahrzehnten sind vor allem die Spezialisten verschwunden, also Arten, die besondere Lebensräume brauchen, Störche etwa oder Kiebitze. Inzwischen aber passiert etwas Neues, etwas sehr Unheimliches: Allerweltsarten wie Feldlerchen, Schwalben und Spatzen verschwinden und ebenso Insekten, die es früher massenhaft gab. Feldgrashüpfer zum Beispiel oder Laufkäfer.

Tanja Busse, viel gefragte Landwirtschafts- und Ökoexpertin analysiert schonungslos die Situation und schlägt wirkungsvolle Gegenmaßnahmen vor.

Autorin: Dr. Tanja Busse; Erscheinungsdatum: 26. August 2019

Inhaltspezifische Aktionen