Slow Food Youth: Netzwerke knüpfen und Begeisterung für gutes Essen weitertragen
Austausch, Vernetzung, Inspiration - diese drei Stichworte fallen im Gespräch mit der neuen Slow-Food-Youth-Leitung. Anna Messerschmidt (25), Janina Hielscher (27) und Falko Kraft (28) studieren in Münster, haben sich über die aktive Hochschulgruppe kennengelernt, die das erfolgreiche Food-Film-Festival auf die Beine gestellt hat. Die weiteren Mitglieder sind Lotta de Carlo (28) aus Leipzig, Dennis Stern (32) aus Bochum und Daniel Rögelein (33) aus München. Dieses sechsköpfige Team setzt sich dafür ein, eine Ernährungswende in Deutschland herbeizuführen. Bodenständig und realistisch einerseits, andererseits voller Enthusiasmus und mit ehrgeizigen Zielen.
Der Weg zu Slow Food
Sie haben ihren Weg zu Slow Food aus unterschiedlichen Gründen gefunden. Über die Regionalgruppen des Vereins etwa oder auch über die Schnippeldisko. Anna erinnert sich noch gut daran, wie sie als ersten Job übernommen hat, den Biomüll bei der Schnippeldisko einzusammeln. „Ich wollte mich schon immer ehrenamtlich engagieren“, erzählt sie. „Als ich die netten Leute bei Slow Food kennengelernt habe hat es Klick gemacht und ich wusste, hier kann ich meine Ideen einbringen. Die Parameter gut, sauber und fair stimmen - und darüber hinaus haben wir alle Freiheiten, uns für die gute Idee einzusetzen“. Janina betont auch, wie wichtig ihr die persönlichen Kontakte sind. „In der lokalen Gruppe in Münster, bei Netzwerktreffen oder auch bei aktivistischen Aktionen wie bei der „Wir haben es satt!-Demo macht es einfach Spaß, sich gemeinsam mit anderen netten Leuten zusammenzutun“.
Slow Food Youth Akademie bewährt sich
Für Janina und Falko ist es bereits die zweite Runde in der Leitung von Slow Food Youth. Das neue Team will noch mehr Menschen für gute Lebensmittel begeistern, sie für die Probleme des aktuellen Ernährungssystems sensibilisieren und zur aktiven Mitarbeit bewegen.
Der Nachwuchs will deutlich machen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrer Art zu konsumieren etwas verändern können. Gleichzeitig möchte er den Druck auf die Politik erhöhen, denn für Slow Food Youth ist klar: Die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger sind für die Rahmenbedingungen verantwortlich.
Ein wichtiger Ansatz, junge Erwachsene zum Umdenken und Netzwerken zu motivieren ist die Slow Food Youth Akademie. Diese wurde 2017 erstmals ins Leben gerufen. Junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren widmen sich an acht Wochenenden Erzeugung, Verarbeitung und Konsum unserer Grundnahrungsmittel. Sie kommen aus der Lebensmittelbranche, der Gastronomie, dem Marketing sowie der Ökologie und treffen bundesweit mit Erzeugerinnen und Erzeugern, Lebensmittelhandwerkerinnen und -handwerkern, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen. In Theorie und Praxis lernen sie, wie Lebensmittelerzeugung und -vertrieb ökologisch, ökonomisch und sozial tragfähig ausgerichtet sein kann. „Mit diesem Ansatz gelingt es uns, eine breite Bevölkerung anzusprechen“, sagt Falko. „Wir gewinnen neue Mitglieder aus allen gesellschaftlichen Bereichen - nicht nur aus der üblichen Blase, die sowieso schon davon überzeugt ist, dass Essen zu fairen Preisen und guten Arbeitsbedingungen produziert werden soll“, ergänzt Janina.
Die Liebe zu guten Lebensmitteln
Alle Mitglieder der Slow Food Youth Leitung eint die Liebe zu guten Lebensmitteln. Dabei haben sie diese nicht alle in die Wiege gelegt bekommen. Manche von ihnen sind in Familien aufgewachsen, in denen man sich Gedanken über die Herkunft und Qualität von Lebensmitteln gemacht hat, dort gab es eher Gemüse und Obst aus der Region und seltener Fleisch. Bei anderen kam das Mittagessen aus der Tüte, sie haben sich erst als Jugendliche oder junge Erwachsene dafür interessiert, welche Rolle unsere Ernährung im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang spielt. Dennis etwa bezeichnet sich als „Foodjunkie“, er kocht ausgesprochen gerne, verzichtet auf industriell hergestellte Lebensmittel wie etwa fertige Gemüsefonds. „Die koche ich lieber selbst, das macht mir Spaß und ich weiß, was drin ist. In meinem Elternhaus wurde ich nicht dafür sensibilisiert. Bei mir war das ein Entwicklungsprozess, je mehr ich mich mit Lebensmitteln beschäftigt habe, desto mehr interessierte mich, wo sie herkommen, welche Rolle das Tierwohl spielt oder wie nachhaltig unsere Landwirtschaft ausgerichtet ist“.
Ernährungsbildung für die nachwachsende Generation
Bei Daniels Familie hingegen wurde gutes Essen immer wertgeschätzt. „Wir haben Gemüse angebaut, Milch vom Bauernhof geholt, wir Kinder wurden beim Kochen einbezogen, das gemeinsame Essen war in meiner Familie wichtig“, erzählt er. „Das sind alles Aspekte, die heute in vielen Familien verloren gegangen sind, es wird kaum gekocht und dementsprechend werden Kinder kaum herangeführt“. Daniel, ausgebildet als Metzger sowie auch als Diätassistent, ist hauswirtschaftlicher Leiter in einer Kindertagesstätte. Ihm liegt das Thema Ernährungsbildung besonders am Herzen: „Für Kinder ist es wichtig, Pflanzen wachsen zu sehen, selbst mal einen Kräutertopf zu ziehen.“ Daniels Ziel und Leidenschaft ist es, das Lebensmittelsystem zu verändern. „Dafür ist die Slow-Food-Philosophie die perfekte Lösung, da sie die ganze Wertschöpfungskette abdeckt – von der Produktion über den Handel bis zum Konsumenten“. Er sieht in seinem Engagement in der Youth-Leitung auch die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln, um dann wiederum sein Wissen weitergeben zu können.
Belastbare Netzwerke knüpfen
Dieser Netzwerkgedanke ist es, der alle Mitglieder der Youth-Leitung vorantreibt. „Junge und ältere Menschen haben die gleichen Ziele. Man fühlt sich miteinander verbunden. In Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt. Das ist etwas ganz Besonderes“, sagt etwa Lotta. Die 28-Jährige hat sich zuerst in Berlin engagiert. Seit dem sie in Leipzig lebt, hat sie dort mit einer Freundin eine regionale Gruppe gegründet. „Wir haben das Gefühl, wir können im Kleinen etwas bewegen. Natürlich gibt es manchmal das Gefühl der Verzagtheit, wenn die Nachrichten über den Status der Ökosysteme und den Verlust der Artenvielfalt auf uns einprasseln“, schildert sie. „Aber im Grunde löst das bei mir das Gefühl aus, jetzt muss ich erst recht etwas tun“. Ähnlich sieht es Anna: „Mal bin ich frustriert und resigniert, dann wiederum denke ich, wann, wenn nicht jetzt, ist Zeit zum Handeln. Ich spüre ja auch, ich bin nicht allein. Auch das motiviert zum Weitermachen. Aufgeben ist keine Option. Gesellschaftliche Veränderung braucht lange Zeit, aber man kann in Politik und Wirtschaft etwas verändern. Wir können mitgestalten. Wir können Wissen vermitteln, das zu Verhaltensänderungen führt“.
Druck auf die Politik erhöhen
Die Slow-Food-Youth-Leitung hat sich zum Ziel gesetzt, den Bogen zu schlagen vom privaten Interesse an zukunftstauglicher Landwirtschaft, am Tierwohl und fairen Bedingungen für Produzentinnen und Produzenten zum gesellschaftlichen Handeln. Er will deutlich machen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrer Art zu konsumieren etwas verändern können. Gleichzeitig soll der Druck auf die Politik erhöht werden, denn die ist für die Rahmenbedingungen verantwortlich.
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Lotta: Das Beste an Slow Food ist das Netzwerk. Junge und ältere Menschen haben die gleichen Ziele. Man fühlt sich miteinander verbunden. In Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt. Das ist etwas ganz Besonderes.
Dennis: Das Beste an Slow Food ist, dass vielfältige Personen mit unterschiedlichen Hintergründen sich zusammen schließen. Es sind tolle Leute, die sich mit interessanten Ansätzen und vor unterschiedlichen kulturellen Hintergründen dem Thema nähern.
Daniel: Das Beste an Slow Food ist die Philosophie und das Netzwerk dahinter. Die mitwirkenden Menschen arbeiten mit sehr viel Energie und Enthusiasmus an einer zukunftsfähigen Agrar- und Ernährungspolitik sowie an der Bewahrung traditioneller Esskultur.
Falko: Das Beste an Slow Food sind die motivierten, intelligenten und netten Menschen, die sich über das großartige Thema Essen austauschen, die von einander lernen und sich gegenseitig inspirieren - und die offen sind für weitere Interessierte.
Janina: Das Beste an Slow Food ist der ganzheitliche Ansatz, mit dem wir das ganze Ernährungsystem nachhaltig verändern wollen. Wir bringen alle unsere individuellen Stärken mit, entwickeln kreative Ideen und stellen gemeinsam etwas auf die Beine.
Anna: Das Beste an Slow Food ist das tolle Thema gute Lebensmittel. Eine Gemeinschaft setzt sich dafür ein, dass das Handwerk gewürdigt wird, dass umweltschonend angebaut wird und dass viele Menschen den positiven Blick auf Lebensmittel wertschätzen.
Bilder von oben nach unten: (c) Valentina Gritti (1), Slow Food (5), David Gräber (1)