Slow Food Youth Europa Treffen: denken, schmecken und Welt bewegen!
Die wenigsten der Teilnehmenden kannten sich vor ihrer Ankunft bei den Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Umso neugieriger war die Stimmung und die jungen Erwachsenen begrüßten einander herzlich. Im Fokus stand von Beginn an ihr Forschergeist! Sie alle wollten entdecken, und zwar all die verschiedenen persönlichen und kulturellen Hintergründe. Es war das erste Treffen des Youth Netzwerks in dieser Größenordnung seit zehn Jahren. Und es fand vom 29. August bis zum 2. September statt.
Und die Teilnehmenden begannen mit ihrer Leidenschaft: Dem guten Essen! Und das verbindet: Während der Tage arbeiteten junge Menschen aus ganz Europa zusammen in der Küche. Sie zauberten rumänische Balmos aus italienischer Polenta, bayerische Knödel mit Wildkräutern, die bei einem Workshop direkt auf dem Hof gesammelt werden. Zur Not wurde zwischendurch das Handy raus geholt, um eine Zutat vom Armenischen ins Portugiesische zu übersetzen - und weiter ging‘s. Denn Essen verbindet auch über Sprachgrenzen hinaus. Und mit dem Genuss ging es bereits am Donnerstag los. Valentine aus Frankreich und André aus Portugal folgen den Anweisungen von Tim, von Slow Food Youth Göttingen. Der gebürtige Schwabe hatte ein Rezept für Spätzle und Linsensuppe für die europäischen Gäste im Gepäck. Nicht zu vergessen seine Spätzle-Presse, die wie selbstverständlich bei der Anreise an seinem Wanderrucksack baumelte.
Gemeinsam die Welt bewegen
Die Hühner (und der Hahn!), mit denen sich die Youthies den Camping-Platz teilten, sorgen dafür, dass alle pünktlich am Frühstückstisch saßen. Gut so, denn das Programm war prall gefüllt. Denn die jungen Frauen und Männer, die hier zusammenkamen wollen wir wirklich etwas bewegen und zwar die Welt ! Eine bessere Location alsdie Herrmannsdorfer Landwerkstätten hätten sie schwerlich aussuchen können. Der von Karl-Ludwig von Schweisfurth im Jahr 1986 gegründete Betrieb wirtschaftet ökologisch und bringt die unterschiedlichsten Handwerksbereiche an einem Ort zusammen: Bäckerei, Käserei, Brauerei, Imkerei, Metzgerei, Kaffee-Rösterei und viele mehr. Bei verschiedenen Führungen erfuhren die Gäste , wie der Gründer – ein gelernter Metzger – in den 50er Jahren die größte Fleischwaren-Industrie Europas (Herta) leitete, um sich in den 80ern zu entschließen, alles zu verkaufen und mit dem gewonnen Geld einen Vorzeige-Betrieb aufzubauen. Das beeindruckte die Aktivistinnen und Aktivisten. Inzwischen ist der Betrieb in dritter Generation und beschäftigt über 280 Menschen in und um Herrmannsdorf sowie in einigen Läden in München.
Mut und Wille, die richtigen Entscheidungen zu treffen
Solche Beispiele braucht es, damit Menschen Mut für die Zukunft sammeln. Bei einer Podiumsdiskussion mit Sophie Schweisfurth, Enkeltochter des Herrmannsdorf Gründers und aktuelle Geschäftsführerin der Landwerkstätten, und Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, wurde eifrig diskutiert. Denn es sind ganz verschiedene Fragen, die das Youth-Netzwerk umtreiben: Was können wir tun? Jeder einzelne von ihnen aber auch sie gemeinsam? Welche Verantwortung tragen Verbraucherinnen und Verbraucher, um die Ernährungswende voranzutreiben?
„Jeder und jede kann etwas tun, und zwar unmittelbar an der Kasse. Hier entscheide ich unmittelbar mit, welche Art der Lebensmittelerzeugung Zukunft hat beziehungsweise haben kann", so Sophie Schweisfurth. Ursula Hudson ergänzt: „Im Laufe eines 80-jährigen Lebens isst der Mensch etwa 120.000 mal. Bei jeder Mahlzeit entscheiden wir mit, was produziert wird und wie. Aber von den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu erwarten, dass sie allein das kaputte System wieder fit machen, ist auch Wahnsinn. Wir brauchen die Politik, die klare Regeln festlegt und, dass alle Sektoren, auch die Gastronomie und der Groß- und Einzelhandel, an einem Strang ziehen”.
Wie man diese verschiedenen Sektoren in Bewegung bringen kann, darüber wurde anschließend diskutiert: „Wie organisiert man politische Aktionen und Kampagnen?“, „Wer wird in 2030 unsere Nahrung produzieren und wie?“, „Wie schaffen wir als europäisches Netzwerk zusammenzuarbeiten?“. Es wurde auch debattiert, die Situationen in den unterschiedlichen europäischen Herkunftsländern verglichen, Ideen und Methoden ausgetauscht. Dabei lernten die Teilnehmenden mit- und voneinander. Neue Kampagne wurden entworfen und ein Manifesto verfasst. An beidem wird nun weitergearbeitet und die Ergebnisse bis Terra Madre im Herbst 2020 nach und nach bekannt gegeben und veröffentlicht.
Europäische Stimmen
Biljana kommt aus Mazedonien: „Es gibt so viele Themen, die wir anpacken sollten. Die Politik sehe ich gerade am allermeisten in der Bringschuld, wenn es um die Auswirkungen unserer Ernährung und Landwirtschaft auf die Umwelt geht. So ein Treffen wie hier gibt mir so viel Inspiration, positive Energie und Motivation, um mit meiner Slow-Food-Youth-Gruppe weiterzumachen". Für Carolina, Ernährungswissenschaftlerin aus Porto in Portugal, war einer der schönsten Momente des Wochenendes, als sie gemeinsam mit anderen Teilnehmenden an der Vision „Gastronomie 2030“ arbeitete: „Wir möchten mehr Transparenz und engere Beziehungen entlang der Wertschöpfungskette knüpfen, vom Feld bis zum Teller. Und wir fordern, dass die Lebensmittelverschwendung innerhalb der Gastronomie drastisch reduziert wird. Es war toll, unterschiedliche, aber so konstruktive Beiträge zu teilen und zu ergründen. Wir werden unsere Visionen verfolgen, und sie zur Realität machen“. Ionut ist Küchen-Chef in Cluj-Napoca in Rumänien und versucht bereits diesen Traum zu verwirklichen: „Meine größte Herausforderung als Koch ist es, die Restaurant-Leitung davon zu überzeugen, lokale Produkte zu verwenden. Ich will die Produkte von lokalen Bäuerinnen und Bauern auf der Karte sehen, nichts anderes. Mein Traum für die Zukunft wäre ein eigenes Restaurant nach der Slow-Food-Philosophie, gut, sauber und fair, zu gründen“.
Die Diskussionen wurden bis spät in die Nacht geführt, mit der Gitarre beim Lagerfeuer wurden Lieder über Wandel und Freundschaften improvisiert. Alle schmiedeten Pläne für die nächsten Aktionen, für die Gründung neuer Slow-Food-Youth-Gruppen, für ein Wiedersehen. Und der Mitternachts-Omelette-Snack schmeckte natürlich auch: „like a wind of change“!
Alle Interessentinnen und Interessenten, die an den europäischen Aktivitäten von Slow Food Youth mitwirken möchten, sind eingeladen sich bei Valentina Gritti Slow Food Youth Global Koordinatorin zu melden: valentina@slowfoodyouthnetwork.org