Slow Wein Deutschland
Die Anforderungen an die Weingüter ergeben sich aus dem Selbstverständnis der Slow-Food-Bewegung. Sie fordert und fördert Lebensmittel, die nachhaltig und die Umwelt schonend erzeugt wurden. Produzent*innen aus allen Bereichen der Landwirtschaft, der Tierhaltung und Fischerei sowie Gastronom*innen und Verarbeiter*innen werden untereinander und mit interessierten Verbraucher*innen in Kontakt und Austausch gebracht. Das unterstützt den vertrauensvollen, gemeinschaftlichen Umgang miteinander, die dauerhafte Aneignung und Anwendung von Wissen sowie die Schulung und Entwicklung der individuellen sensorischen Fähigkeiten. Gleichermaßen bewahrt es die Vielfalt der Traditionen und ermöglicht die Entwicklung der sehr unterschiedlichen Weinregionen Deutschlands mit handwerklichem Augenmaß. Es geht somit nicht nur um den Erwerb eines Slow-Wein-Deutschland-Zertifikats, sondern auch um einen differenzierten und tiefgehenden Austausch mit den Kund*innen, darüber hinaus innerhalb des sich formierenden Netzwerks von Weingütern, die Slow Wein produzieren. Sie alle möchten wissen und schmecken, wofür Slow Wein steht.
Zertifizierung der ersten Slow Weine
Folgende Weingüter haben erfolgreich an der Zertifizierung der ersten „Slow Weine“ teilgenommen:
- Jakob Christ Rüdesheim/Rheingau (https://www.weingut-jakob-christ.de/)
- Deppisch Theilheim/Franken (https://weingutdeppisch.de/)
- Dilger Freiburg/Baden (https://weingut-andreas-dilger.de/)
- Staffelter Hof/Mosel (https://www.staffelter-hof.de/)
- Weingut Eymann/Pfalz (https://www.weingut-eymann.de/)
- Weingut Feth/Rheinhessen (https://www.fethwein.de/)
- Ökologisches Wein- & Sektgut Norbert Helde/Kaiserstuhl (https://www.wein-helde.de/)
Die Weingüter und ihre Winzer*innen vereint die Leidenschaft für eine Weinerzeugung, die sich mit Ökologie und Vielfalt, Fairness und Handwerk, Raffinesse und Charakter der Produkte verbinden lässt. Die vier Weingüter sind biozertifiziert und seit langem im Slow-Food-Netzwerk engagiert. Sie verstehen sich als Botschafter des Slow-Food-Verständnisses der Weinerzeugung und sind motiviert, den Slow Wein Deutschland voranzubringen.
Allgemeine Grundlagen
Ein Slow Wein Deutschland herstellendes Weingut strebt nach einer nachhaltigen Entwicklung der regionalen Weinkulturen. Ökologische Gesichtspunkte sind ein wichtiger Bestandteil dieser Nachhaltigkeit. Sie zeigt sich in besonderer Weise in der Gesunderhaltung der Weinberge. Zur Bewahrung und Entwicklung der Biodiversität, lebendiger Böden und widerstandsfähiger Reben ist der Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger und Pestizide unabdingbar. Daraus ergeben sich Slow Weine von hoher Qualität mit einem typischen, eigenständigen Geschmack.
Aus den allgemeinen, übergeordneten Zielen und Werten leiten die Verantwortlichen des Weingutes ihr Handeln ab. Integrität, Verantwortungsbewusstsein für das Klima, die Umwelt, die Kund*innen und Mitarbeitenden, sowie der Ehrgeiz, mit einem angemessenen Ressourcen-Einsatz einen ehrlichen Wein durch hohes handwerkliches Können zu schaffen, sind die Kernelemente der Slow-Wein-Deutschland-Erzeugung. Die Orientierung an den Grundsätzen von Slow Food Deutschland führt zu Anforderungen, die über eine Biozertifizierung ergänzend hinausgehen.
Obligatorische Slow-Wein-Deutschland-Anforderungen
- Das Weingut ist Mitglied oder Unterstützer von Slow Food Deutschland.
- Es ist auf der Grundlage der jeweils gültigen EU-Öko-Verordnung zertifiziert. Es kann biologischen und biodynamischen Verbänden angehören oder nach den EU-Öko-Richtlinien zertifiziert sein.
- Die Handlese ist für Slow Wein Deutschland obligatorisch.
- Slow Weine sind nicht teilweise oder vollständig entalkoholisiert.
- Die Erhitzung des Mostes und der Maische ist nur bis max. 37 °C erlaubt.
- Eine Konzentration von Wein und Most auf dem oder durch den Betrieb findet nicht statt. Mostkonzentrate werden weder zugekauft noch zugegeben.
- Slow Wein benötigt Zeit, nicht zuletzt auf der Hefe. Sie gehen nicht vor dem 1. April (Weißwein) oder 1. September (Rotwein) des Folgejahres in den Verkauf.
- Die Abfüllung der Weine findet auf dem Weingut statt.
- Zukauf von Fremdware ist bis maximal zwanzig Prozent der gesamten Erntemenge
(Mittelwert aus den letzten fünf Jahren) und nur aus biozertifizierten Betrieben erlaubt. - Der Einsatz folgender Vinifizierungsmittel ist – über die aktuellen Kriterien der EU-Öko-Verordnung hinausgehend – untersagt:
• Holzchips/Staves
• Pektolytische/andere Enzyme
• Chitosan
• Ascorbinsäure
• Zitronensäure
• Gummi arabicum
- 75 Prozent der gefüllten Weine müssen die Anforderungen erfüllen (unabhängig davon, ob
sie so etikettiert/deklariert werden oder nicht).
Slow Wein Deutschland legt sein Augenmerk auch auf weitere Gesichtspunkte:
- Die Präferenz gilt der Spontangärung, also Hefen aus den eigenen Weinbergen oder dem eigenen Weinkeller.
- Ein Vorrang gilt dem regionaltypischen Ausbau und der Lagerung im Holzfass.
- Für die Weinbereitung sind wenige Zusatz- und Behandlungsstoffe zulässig, die im Anhang unter »Vinifizierung« aufgeführt sind.
- Der Erhalt und die Wiederbepflanzung regionaler und historischer Traubensorten hat unsere Sympathie. PiWi-Reben können ein erfolgversprechender Weg für einen ökologisch verantworteten Weinbau sein.
- Die Führung eines Wein-Archivs für alle Weinqualitäten macht die Bedeutung und
Langlebigkeit des Kulturgutes Wein nicht nur für die Kund*innen greifbar. - Die Transparenz der Produktion wird gegenüber den Verbraucher*innen durch ausführliche Weinexpertisen für jeden Wein sichergestellt.
- Der faire Umgang mit Mitarbeitenden und Kund*innen stärkt Vertrauen.
Die drei Elemente von Slow Wein Deutschland
Für die Anforderungen wird vom beteiligten Weingut eine verbindliche Selbstauskunft in ein Onlineformular eingetragen, das auf den oben aufgeführten obligatorischen Anforderungen basiert. Es wurde gemeinsam von Slow Food Deutschland und der Öko-Kontrollstelle GfRS in Göttingen entwickelt. Die GfRS sichtet die Einträge und führt eine Stichprobenkontrolle durch. Die Kosten werden von den Betrieben übernommen.
Ein zweites Element ist der konstruktive Austausch zwischen den Slow Wein erzeugenden Weingütern. Dafür findet jedes Jahr eine kollegiale Weingutsbegehung statt. Daran nehmen jeweils mindestens drei Slow-Weingüter und bis zu zwei von der Wein-Kommission benannte Mitglieder von SFD teil. Das Treffen auf einem Weingut ist auf jeden Fall unabhängig von einer Inspektion. Die Wein-Kommission wird einen Vorschlag für den Ablauf eines solchen Treffens erarbeiten. Die ersten Weingüter auf dem Weg zum Slow-Wein werden wichtige Hinweise zu einem erfolgversprechenden Ablauf geben können.
Auch für das dritte Element des konstruktiven Wegs zum Slow Wein Deutschland ist die
Kompetenz und der Ideenreichtum der beteiligten Weingüter unabdingbar. In einer
wertschätzenden Weinverkostung treffen sich die Weingüter und Mitglieder von Slow Food Deutschland. Slow Wein Deutschland strebt keinen Wettbewerb zwischen den beteiligten Weingütern oder eine Bestenliste der von ihnen vorgestellten Weine an. Es wird eine wertschätzende Weinverkostung etabliert, bei der die Beschreibung und der Austausch über die vielfältigen Weinqualitäten Raum gegeben wird. Es ist unbedingt gewünscht, dass an diesem Termin – auf einem Weingut im Rahmen oder zum Abschluss einer kollegialen Weingutsbegehung oder an einem zentralen Ort für mehrere Weingüter gemeinsam – die örtlichen Convivien und/oder interessierte Mitglieder von SFD teilnehmen.
Weingüter, die diesen Weg erfolgreich beschreiten, erhalten von Slow Food Deutschland ein Zertifikat über den erfolgreichen Abschluss des Verfahrens. Sie können ihre Weine (Aufkleber oder Etiketteneindruck) mit dem Logo von Slow Wein Deutschland mit seiner roten Schnecke verwenden. Bei Veranstaltungen von Slow Food Deutschland werden ihre Weine hervorgehoben. Das Interesse und die Aufmerksamkeit im Slow-Food-Netzwerk wird ausgeprägt sein.
Der Weg eines Weinguts zum Slow Wein Deutschland ist ein Spiegel seiner Ideale vom Anbau über die Verarbeitung bis zum fertigen Produkt, dem vertrauensvollen fachlichen und persönlichen Austausch der Produzierenden untereinander und der unverzichtbaren Wissensweitergabe und sensorischen Schulung der Kund*innen – bis zum vertrauensvollen Genuss.
Für die Weinbereitung sind folgende Zusatz- und Behandlungsstoffe zulässig. Nicht genannte Stoffe sind grundsätzlich verboten:
Aktivkohle für Mostschönung bei Fäulnis (in Problemjahren)
Bentonit für Klärschönung/Eiweißstabilisierung
Calziumcarbonat für Entsäuerung
Cellulose als Filterhilfsstoff
Gelatine für die Klärschönung
Hefenährsalze für die Gärführung
Hefezellwandpräparate für die Gärführung
Kaliumtartrat und -bitartrat für die Entsäuerung
Kalk für die Entsäuerung
Kieselgur als Filterhilfsstoff
Kieselsol für die Klärschönung
Kohlendioxid für den Oxidationssschutz
Kupfercitrat zur Böckserbehandlung
Milchsäurebakterien (GVO-frei) für den biologischen Säureabbau
Perlite als Filterhilfsstoff
Pflanzliche Proteine für die Klärschönung
Reinzuchthefen (GVO-frei, keine Aromahefen) für die Gärführung
Schweflige Säure für den Oxidationsschutz, Konservierung usw.
Traubentannine als Oxidationsschutz
Weinsäure für die Gärführung
Zucker für die Anreicherung (Chaptalisation)