Aktionstag Teller statt Tonne Berlin
Großer Andrang an der Berliner Protest-Tafel – Petrini: "Diese Aktion müssen wir weltweit wiederholen!"
Zu groß, zu klein, zu dick oder zu faltig … selbst Gemüse muss heute den Schönheitsidealen entsprechen. An diesem Samstag aber wurde auf die inneren Werte geschaut: dicke Zucchini, kleine Kartoffeln und andere, nicht den Normen entsprechende Nahrungsmittel waren die Stars einer gemeinsamen Tafel auf dem Berliner Dorothea-Schlegel-Platz am Reichstagsufer.
„Tonnenweise wird Gemüse aussortiert, weil es gängigen Normen nicht entspricht, fliegen unverdorbene Lebensmittel in den Abfalleimer“ kritisiert Prälat Bernhard Felmberg, Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union (li.). „Mehr als 40 Prozent aller Lebensmittel werden hierzulande weggeworfen. Das sind 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Jahr – Lebensmittel, die eigentlich auf den Teller und nicht in die Tonne gehören. Zur selben Zeit hungern in Somalia und vielen anderen Ländern die Menschen, weil sie kein Geld oder keinen Zugang zu Land haben.“
Überfluss auf der einen, Hunger auf der anderen Seite – das wollen die drei Organisationen und die sie unterstützenden Verbände nicht hinnehmen. „Wir wollen die Menschen wieder dafür interessieren, wo ihr Essen herkommt, wie es schmeckt, und darauf aufmerksam machen, wie sich unsere Essgewohnheiten hier auf die Ernährung der Menschen in anderen Erdteilen auswirken“, sagt Carlo Petrini, Gründer und Präsident von Slow Food International (li.). Die lange öffentliche Tafel mit dem gemeinsamen Mittagessen ist für ihn eine gute Gelegenheit, Zusammenhänge aufzuzeigen. Dabei zeigte sich Petrini beeindruckt von der Leistung der Helferinnen und Helfer und dem großen Anklang der Aktion in Berlin. "Das ist das wahre Slow Food," meinte er. "Solche Aktionen muss man überall auf der Welt wiederholen."
Das Essen hat der holländische Aktivist Wam Kat (li.) mit einem Team freiwilliger Helfer zubereitet. Vegan natürlich. Viele Mitwirkende hatten die Aktion durch ihre Hilfe ermöglicht – etwa beim Putzen und Schnippeln des Gemüses seit den frühen Morgenstunden. „Gemeinsam Kochen macht Spaß und ist eine politische Handlung“, sagt Kat. Er will Alternativen aufzeigen. „Essen ist keine reine Privatsache. Was ich esse, hat immer Folgen für andere. Verschwendung von Lebensmitteln geht uns deshalb alle an.“ Und Essen verbindet ja auch: „Beim Essen kommen wir uns – über alle kulturellen Grenzen hinweg – besonders nah“, sagt der Holländer.
Der Umgang mit Lebensmitteln hat Auswirkungen auf viele Bereiche – etwa positive oder negative Folgen für das Klima. Er beeinflusst aber auch direkt das Leben anderer. „Was ich esse kann die globale Ernährungsgerechtigkeit fördern oder sie unterlaufen“, sagt Flavia Buitrón, eine Bäuerin aus Peru. „So konkurriert der Anbau von Lebensmitteln in den Entwicklungsländern auch mit der Erzeugung von Futtermitteln für den Fleischkonsum in den reichen Ländern.“
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland vom 10.9.2011 mit Ergänzungen
Fotos: Stefan Abtmeyer (2), Margret Artzt (2)