Stellungnahme zur Personalie Peter Bleser im BELV
Kurz nach dem Dioxin-Skandal macht Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner ausgerechnet den Agrarindustrie-Vertreter Peter Bleser zum Parlamentarischen Staatssekretär. Dies ist ein fatales Signal für den Verbraucherschutz. Ein Beitrag von Dr. Rupert Ebner, Schatzmeister und zuständiges Vorstandsmitglied für Landwirtschaft bei Slow Food Deutschland.
Stellungnahme zur Personalie Peter Bleser im BMELV
Der Dioxinskandal ist noch nicht lange her, ebenso die eindrucksvolle Demo „Wir haben es satt“ zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin am 22. Januar, an der sich auch Slow Food Deutschland mit zahlreichen Mitgliedern beteiligte. – Doch Bundesministerin Ilse Aigner tut, als sei nichts gewesen. Oder sie begreift die Protestaktionen höchstens als folkoristisches Event – als nicht weiter von Belang. Nicht nur, dass sie im Schatten der Grünen Woche die Gunst der Stunde nutzte, um ihren ungeliebten Staatssekretär Gert Lindemann zu entlassen – die Nachfolge der parlamentarischen Staatssekretärin Julia Klöckner, die als CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz am 27. März den amtierenden Ministerpräsidenten Kurt Beck herausfordert, wird ausgerechnet Peter Bleser antreten.
Die Personalie ist nun endgültig der Beleg dafür, dass Aigner im eigenen Haus und in der eigenen Partei vor den Interessen der Agrarindustrie kapitulieren musste. Ihr Bekenntnis zum ökologischen Landbau, das sie zuletzt während der Grünen Woche ablegte, erweist sich als ebenso schal wie ihre verkündeten Maßnahmen zur Reform des Kontrollsystems im Futtermittelskandal. So, als ob es nur einer Ankündigung bedürfte, um Missstände im herrschenden System zu beseitigen.
Nur: Es gibt keine Missstände im herrschenden industriellen Agrarsystem. Es ist selbst der Missstand – und Bleser einer seiner profiliertesten Vertreter. Seine Berufung ist das Eingeständnis der Machtlosigkeit dieses Ministeriums gegenüber den Agrarlobbyisten, die vom etablierten System bestens leben und lediglich die Störungen durch „weltfremde Idealisten“ fürchten.
Der 58-jährige Landwirt aus dem Kreis Cochem-Zell (Rheinland Pfalz) gilt nicht nur als engagierter Verfechter der industrialisierten Landwirtschaft und der grünen Agrogentechnik. Ausdrücklich erklärt er, Bio-Landwirtschaft sei „eine Form der Landwirtschaft, die ich persönlich nicht betreiben möchte“ – und fügt hinzu: „Ich betrachte das unter rein witschaftichen Gesichtspunkten“, so als handele es sich bei den Biobauern in diesem Land um Hobby-Landwirte.
Dafür bagatellisiert er die Lebensmittelskandale, die das agroindustrielle System zu verantworten hat: „Sie stellen ja auch nicht das gesamte deutsche Verkehrssystem in Frage, bloß weil jemand bei Rot über die Ampel gefahren ist“, wird er in der Süddeutschen Zeitung (12.Dezember 2010) zitiert. Nur, wenn es ständig zu Massenkarambolagen kommt, wird man sich schon fragen müssen, welche Rolle das Verkehrssystem dabei spielt...
Auf Blesers Einfluss ist es auch zurückzuführen, dass das „Bundesprogramm Ökolandbau“, das ohnehin nur über den lächerlichen Etat von 16 Mio. Euro verfügt, seit Beginn der schwarz-gelben Koalition auch auf konventionelle Betriebe ausgeweitet wurde. „Damit hat die schwarz-gelbe Koalition das einzige Instrument entwertet, mit dem sich das Ministerium explizit für den ökologischen Landbau engagiert“, kritisierte damals Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).
Was schließen wir daraus? Warten bis zur nächsten Wahl, um diese eklatante Missachtung des Wählerwillens abzustrafen? Viel zu spät, viel zu kraftlos. Die Abkehr muss jetzt kommen – und zwar von den Bürgern selbst. Sie haben es längst verstanden. Allerorten entstehen Kooperationen mit Biolandwirten aus Eigeninitiative, ob Stadtgärten oder CSA-Betriebe in Hamburg, Berlin oder auch München (siehe hierzu etwa den SZ-Bericht weiter unten). Slow Food München hat mit seinem Projekt „Städter werden Bauern“, durch die kleine landwirtschaftliche Betriebe unterstützt werden ebenso Vorbildfunktion wie die Prinzessinengärten in Berlin oder die Nachbarschaftsgärten in Leipzig oder die von Christian Hiss aus Freiburg ins Leben gerufenen Regionalwert AGs. Eine alternative, regional ausgerichtete Agrarkultur exisitiert längst, sie hat ihre Lebens- und Funktionsfähigkei bewiesen und braucht nur die Unterstützung weiterer kritischer, aufgeklärter Bürger, die sich nicht bloß nach dem Motto „Hauptsache billig, Hauptsache satt“ ernähren.
Die Anfänge sind klein, stimmen aber hoffnungsfroh und zeigen vor allem eines: Wo die Politik versagt, muss die Zivilgesellschaft Fakten schaffen. Fakten, an denen dann auch die etablierten Nutznießer nicht vorbeikommen und die sie die Folgen ihrer Ignoranz spüren lassen.
Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern und die anderen Windmühlen. Slow Food und seine Mitstreiter gehören zu den Letzteren. Und Sie, Frau Aigner?