Fortbildung Kinder- und Jugendkommission

18.9.2012 - Die Kommission tagte vom 7. bis zum 8. Juli auf der Stie-Alm in Lenggries. Zwei Themen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung: die Thematisierung des Tötens und Sterbens von Tieren gegenüber Kindern sowie eine kindgerechte Lebensmittelbildung.

Motivierende Weiterbildungsveranstaltung der Slow Food Kinderkommission

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Aus dem Nachbericht der Kommission:

"Auf 1500 Meter Höhe ist die Stie-Alm (www.stie-alm.de) oberhalb von Lenggries ein wunderschöner Ort – zum Erholen, zum Seele baumeln lassen und zum Lernen. Davon waren am Ende des Wochenendes die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weiterbildung „Natürlich und lebendig – Slow Food für Kinder“ der Kinderkommission überzeugt. Aber der Reihe nach ...

Eine kleine aber motivierte Gruppe traf sich am Samstagmittag und schon nach der Vorstellungsrunde war klar, dass da Menschen zusammen sind, die ein gemeinsames Anliegen verbindet: Kindern und Jugendlichen die Wertschätzung gegenüber den Grundlagen unseres Lebens zu vermitteln und das mit Freude, ohne erhobenen Zeigefinger aber auch ohne verstellten Blick auf die Realitäten. Die Stie-Alm ist sehr vielfältig. Vroni Obermüller, Bäuerin der Alm, führte die Gruppe zu Beginn über die Alm und lenkte den Blick auf verschiedene Facetten. Insbesondere jene, die einen Großteil der Faszination der Alm als Lernort ausmachen: die Tiere, die Käserei, den Kräutergarten. Seit 2009 gibt es hier die „Schule auf der Alm“. Hauptsächlich Schülerinnen und Schüler der Grundschulklassen tauchen spielerisch in den Alltag auf einer Alm ein. Sie lernen u.a. die typischen Pflanzen und Tiere (neben Kühen können Schafe, Schweine und Pferde gestreichelt werden) einer Alm kennen sowie die Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Großen Wert legt Frau Obermüller darauf, ein realistisches Bild des Lebens auf einer Alm zu zeichnen.

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Jenseits des Tabus des Schlachtens
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung standen zwei Themen im Mittelpunkt. Einerseits die Thematisierung des Tötens und Sterbens von Tieren im Rahmen von Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen. Andererseits die vielfältigen Möglichkeiten der Lebensmittelbildung jenseits des erhobenen Zeigefingers. Prof. Dr. Lotte Rose machte deutlich, welche gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Tabus mit dem Schlachten verknüpft sind – vor allem dann, wenn es zum Thema von Bildungsveranstaltungen wird. Im Wesentlichen ist es ein Argument, auf das sich die Pro- und Contra-Positionen jeweils zu- rückführen lassen: „Wenn wir Fleisch essen, müssen wir erleben, was es bedeutet, ein Tier zu töten“ bzw. „Für Kinder ist der Anblick einer Tiertötung psychisch überfordernd“. Aus dem Zweiten spricht nicht zuletzt die Auffassung, dass Schlachtungen generell hinter die Kulisse des Lebens gehören. Und wird dieses Tabu verletzt, gelten Kinder als besonders gefährdet.

Die Tabuisierung der Gewaltrealitäten des Fleischkonsums (vor allem in Bezug auf die Massentierhaltung und die industrialisierte Schlachtung) macht jedoch taub gegenüber diesen Realitäten und sichert deren ungehinderte Fortführung. Eine Bildung zu politischer Mündigkeit und zum Ko-Produzenten erfordert, dass Kinder auch die »unschönen« Seiten des Lebens erfahren können. Da sie aber nur über eingeschränkte psychische Bewältigungsmöglichkeiten für krisenhafte Situationen verfügen, benötigen sie kindgerechte Erfahrungen.

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Wertvolle Lernerfahrungen
An den Vortrag von Frau Rose schloss sich ein intensives und facettenreiches Gespräch an, das die Situation nicht nur aus der Sicht der Kinder, der Lehrer, Erzieher sondern auch der Eltern und der Tiere beleuchtete. Dass die Kinder den Zugang zu Realitäten des Erwachsenenlebens erleben sollen, stand außer Frage, denn es stellt wertvolle Lernerfahrungen dar und ist für die Bildung nötig. Deshalb wurde im weiteren Verlauf Antworten auf die Frage gesucht, wie ein Projekt aussehen könnte, das sich dem Tabuthema »Schlachten« annimmt und den Anspruch hat, dieses kindgerecht aufzuarbeiten. eine Reihe von Stichpunkten skizzieren Möglichkeiten wurden dabei gefunden. Eine rein filmische Darstellung reicht für das „Begreifen“ nicht aus, kann aber den Einstieg erleichtern oder ergänzen. Denn es muss nicht alles hautnah erlebt werden, kleine Lücken kann auch das kindliche Vorstellungsvermögen gut vervollständigen. Erstrebenswert erscheint die Einbettung des Themas in umfassendere landwirtschaftliche Projekte und damit die Herstellung von natürlichen Kontexten statt einer Isolierung des Tötens.

Voraussetzung muss ein hohes Maß an Professionalität aller Beteiligten sein. Wer ein Tier tötet, muss wissen, wie das geht, um es so schmerzlos wie möglich zu machen. Das spricht für die Einbeziehung von z.B. Metzgern in die Projekte, die das Wie und das Warum fachlich korrekt beantworten können. Einigkeit bestand auch darin, dass es zu keiner Zurschaustellung des Tieres und seines Sterbens kommen darf. Und zum Thema „Schlachten“ gehört auch immer die Reflexion unseres übermäßigen Fleischkonsums und dessen Folgen für Tierhaltung und -vermarktung. Da für viele Eltern Tod und Sterben ein Tabuthema darstellt, sollten sie mit eingeladen werden, um ihre Ängste zu überwinden und der Realität ins Auge zu schauen. Früher war der Schlachttag ein Festtag!

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Konzept für ein Modellprojekt
Wie geht es mit dem Thema weiter? Es wurde verabredet, ein Konzept für ein Modellprojekt zu entwickeln, in dem die Vorstellung von Slow Food konkretisiert und erprobt werden können. Die Arbeit daran beginnt im Herbst. Darüber hinaus stellten Cornelia Ptach und Thomas Pohler im zweiten Schwerpunkt der Veranstaltung Methoden für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor, die auf den erhobenen Zeigefinger verzichten. Beide betonten, dass es bei den Angeboten nicht um ein Erziehen oder Lehren geht, sondern vielmehr darum, die Neugier zu nutzen und sich mit Freude und Spaß den vielfältigen Di- mensionen des Themas „Essen“ zu nähern. Es geht um das Mitmachen, das Begreifen. Dabei kann jedes Kind für sich alleine, zusammen mit einem Partner oder in Kleingruppen üben, entdecken, forschen, ...

Themen finden sich unzählige zwischen Acker und Teller, in der Natur bis zum genussvollen Essen für die jeweilige Altersgruppe, in Abhängigkeit von Jahreszeit und Region. Der eigenen Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt, ob Kochtreffen, Hoffest, Erzeugerbesuche, Feste oder gar Ferien- programme. Gerne unterstützt die Kinderkommission die Convivien mit Vorschlägen und Ideen."

Fotos: Thomas Pohler | Slow Food Kinderkommission

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