Archejahr 2013 Rückblick

27.11.2013 - Für die Slow Food Bewegung ist 2013 ein besonderes Jahr: Es steht ganz im Zeichen der Arche des Geschmacks. Das Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität schützt weltweit rund 1 300 regional wertvolle Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen vor dem Vergessen und Verschwinden – auch in Deutschland!

Eine Arche für die Vergessenen

aktuelles-aktuelles_2013-buntes_bentheimer_288.jpg

Neue Arche-Passagiere gesucht! Mit diesem Aufruf des Slow Food Vorstandsmitglieds Robert Friedenberger startete das Archejahr 2013: „Essen, was man retten will“. Sehr viele Slow Food Mitglieder und Interessierte gingen auf Entdeckungsreise nach den Kostbarkeiten Ihrer Region. Sie suchten, sammelten und entdeckten bis Oktober rund 70 Vorschläge und reichten sie ein. Fast 60 werden und wurden beschrieben, begutachtet oder befinden sich in der Antragsstellung zum Arche-Passagier.

Aktuell 1300 Passagiere schützt das internationale Slow Food Projekt zur Erhaltung der Biodiversität weltweit. In Deutschland sind es im Oktober dieses Jahres 36 regional wertvolle Kulturpflanzenarten, Nutztierrassen sowie handwerklich hergestellte Lebensmittel, die unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen vom Aussterben bedroht sind. Die größten Gruppen sind mit jeweils 14 Arche-Passagieren die Nutzpflanzen und -tiere. Die kleinere Gruppe bilden die traditionellen handwerklichen Produkte, mit 8 Passagieren. Im Jahr 2012 kamen drei neue Passagiere an Bord der Arche des Geschmacks: mit dem Ramelsloher Huhn das erste Federvieh aus Norddeutschland – sowie die ersten Äpfel: der Lausitzer Nelkenapfel aus Sachsen und mit Jacob Fischer, auch der Schöne vom Oberland genannt, eine baden württembergische Apfelsorte aus dem Kreis Biberach.

Im Bild oben: Arche-Passagier "Buntes Bentheimer Schwein" | © Stefan Abtmeyer

aktuelles-aktuelles_2013-arche_lausitzer_nelkenapfel_288.jpg

Arche-Passagier "Lausitzer Nelkenäpfel" | © Georg Schenk

Aktivitäten tragen Früchte

Der Schwäbische Dickkopf-Landweizen ist der erste Passagier dieses Jahres. Ihm folgte mit den Münchner Brotzeitsemmeln ein „echtes Stück Handwerk“ aus Bayern. Im Aufnahmeverfahren befinden sich zum Zeitpunkt der Drucklegung des Slow Food Magazins vier Passagiere: aus dem Norden der Bremer Scheerkohl, aus der Alpenregion das Alpine Steinschaf und mit der Bohne Ahrthaler Köksje aus der Region Ahrweiler und der süßen Kesselheimer Zuckererbse aus der Koblenzer Region zwei Passagiere aus Rheinland Pfalz. Weitere Arche-Kandidaten werden aktuell geprüft oder fehlende Informationen ergänzt. Dabei ist mit der Ermstäler Knorpelkirsche die erste Süßkirschensorte aus Baden Württemberg, außerdem die Riesling-Rebsortenvariante Roter Riesling und das Schwäbisch Hällische Landschwein. Mit den in diesem Jahr angestoßenen Rettungsaktivitäten sind bald annähernd 50 Passagiere aus deutschen Regionen an Bord der Arche des Geschmacks. Bezieht man alle 60 in Bearbeitung befindlichen Vorschläge hinzu, werden 100 deutsche Arche-Passagiere in der nahen Zukunft die Arche des Geschmacks bereichern.

Dass es ohne Artenvielfalt keine Geschmacksvielfalt geben kann und essen, was man retten will, erst möglich wird, wenn man rettet, was man essen will, zeigen auch die Presidi-Aktivitäten dieses Jahres. Zwei Arche-Passagiere, die seit einigen Jahren Presidi-Projekte (ital. Schutzraum) der Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt sind, haben erfolgreich den geografischen Herkunftsschutz der EU beantragt. Seit Oktober ist mit der ältesten Rinderrasse Württembergs der Weideochse vom Limpurger Rind in die Liste der geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) aufgenommen worden. Das Siegel garantiert, dass alle Produktionsschritte im geschützten Gebiet liegen. Beim Weidochsen vom Limpurger Rind umfasst es die Rasse, das Herkunftsgebiet, die Haltung und Fütterung sowie Schlachtung und Reifezeit des Fleisches. Und auch das Bamberger Hörnla steht mit dem Qualitätsiegel: geschützte geografische Angabe (g.g.A.) unter Herkunftsschutz. Als einzige Land-Kartoffelsorte der EU garantiert das Siegel, dass nur Pflanzgut aus dem bezeichneten geschützten Raum verwendet wird. Außerdem muss ein wesentlicher Produktionsschritt in der Region erfolgen. Beim Bamberger Hönla ist es Anbau und Ernte. Diese Erfolge zeigen, wie aus Arche-Aktivitäten und der Beschreibung lokaler bedrohter Artenvielfalt, aktive Schutzräume für qualitätsorientierte ökologische regionale Lebensmittelproduktion in Deutschland entstehen.

aktuelles-aktuelles_2013-dickkopflandweizen_3_288.jpg

Arche-Passagier Schwäbischer Dickkopf-Landweizen | © Jan Sneyd

Biologische Vielfalt weltweit zentrale Aufgabe

Welche globalen Wirkungen diese Aktivitäten haben, zeigen besondere Auftritte der Arche des Geschmacks bei internationalen Veranstaltungen der Slow Food Stiftung für Biodiversität. Der internationale Slow Food Kongress in Turin, der im Herbst 2012 stattfand, sieht die biologische Vielfalt als weltweit zentrale Aufgabe aller Aktivitäten und Projekte in den nächsten Jahren, insbesondere die Arbeit der Arche des Geschmacks. Überzeugend zeigen die Arche des Geschmacks, die Presidi-Projekte, sowie die Märkte der Erde, dass sie keine theoretisch abstrakten Ergebnisse zum Thema Biodiversität beschreiben. Sie stellen praktisch umsetzbare und funktionsfähige Marktalternativen dar, aus der sich schmackhafte lokale ökologische Lebensmittelproduktion entwickeln kann.

Auf der diesjährigen Cheese-Messe in Bra im September wurde eine Sonderausstellung mit dem Titel „Piazza dell’Arca“ organisiert, ein Marktplatz für Arche-Produkte, um die Käse-Passagiere der Arche des Geschmacks hervorzuheben. Die Messe-Besucher waren aufgerufen selbst Vorschläge bedrohter Käsesorten einzureichen. 150 (!) Vorschläge kamen zusammen. Auch die drei deutschen Käse-Passagiere, der Milbenkäse, der Nieheimer Käse und der Weisslacker waren auf der Piazza dell'Arca vertreten.

Brezel in Korea

Ebenfalls im Oktober hatte die Arche des Geschmacks einen ganz besonderen Auftritt bei der ersten internationalen Slow Food Messe in Asien, die unter dem Namen „AsiO Gusto“ in Südkorea in der Stadt Namyangiu stattfand. 500 000 Besucher genossen nicht nur eine internationale Vielfalt regionaler traditioneller Produkte. Sie hatten die Möglichkeit an Bord einer echten aus Holz gebauten Arche zu gehen und 300 Passagiere der Arche des Geschmacks aus aller Welt kennenzulernen und zu probieren. Aus Deutschland war als idealer Reiseproviant die Burger Brezel dabei.

Neben diesen besonderen Veranstaltungsformen wird die internationale Slow Food Stiftung für Biodiversität ihre Kommunikationsmaterialien aktualisieren. Geplant ist außerdem die Einführung eines neuen Arche-Logos. Die Arche des Geschmacks ist ein eingetragenes Warenzeichen von Slow Food.

Das Motto des Archejahres wird auch in der Weihnachtszeit, am Terra Madre Day, dem 10. Dezember aufgegriffen. „Retten Sie ein vom Aussterben bedrohtes Produkt – auch am Terra Madre Day!“, lautet der Aufruf. Zweites zentrales Thema des weltweit gefeierten Festtages ist das internationale Projekt der „1000 Obst- und Gemüsegärten in Afrika“.

Eine gute Gelegenheit für die rund 80 Convivien, Arche-Passagiere, Arche-Kandidaten oder mögliche zukünftige Passagier ihrer Region und ihren kostbaren Geschmack zu probieren. Mit einem Dankeschön an alle „Arche-Aktiven und Interessierten für Ihren Einsatz und ein genussvoller Abschluss, die regionale Vielfalt zu feiern. Retter gesucht Die Arche des Geschmacks hat über die diesjährigen Aktivitäten an Fahrt gewonnen. Um sich weiterzuentwickeln, sind

Retter vor Ort gesucht

Wer Lust hat, aktiv die geschmackliche Vielfalt der Regionen zu bewahren, ist an Bord der Arche des Geschmacks herzlich willkommen.

Bericht von Martina Hasewinkel und Veronica Veneziano, Mitglieder der Arche-Kommission von Slow Food Deutschland;
erschienen im aktuellen Slow Food Magazin 6/2013


Mehr Informationen:

Biodiversität

Terra Madre Tag 2013 im Zeichen der Arche

Inhaltspezifische Aktionen