Slow Food Rebstockpatenschaft-Sommerfest 2014
Rebstockpatenschaft-Sommerfest
Im Gegensatz zu vielen anderen vom Weinbau geprägten Kulturlandschaften Europas, wie die Weinregionen Langhe-Roero und Monferrato in Italien oder Alto Douro in Portugal, werden die historischen Steillagen und ihre biologische Vielfalt an der Mosel noch nicht von der UNESCO geschützt. Slow Food Deutschland wartete nicht und handelte, zusammen mit dem Weingut Richard Böcking in Traben-Trarbach; später kam das Weingut Martin Müllen dazu. Im Frühjahr 2003 wurden die „Rebstockpatenschaften“ ins Leben gerufen – ein Projekt zum Erhalt der Biodiversität und der kulturhistorischen Landschaft der Steillagen. Die schon seit über zehn Jahren mit Sorgfalt und Respekt für die Umwelt bewirtschafteten Patenschafts-Weinberge bilden inzwischen auch einen artenreichen Lebensraum für über vierzig Kräuterarten und zahlreiche wärmeliebende Kleintiere.
Die Paten, die die Bewirtschaftung dieser Weinberge ermöglichen, bekommen nicht nur den Riesling aus dem Ertrag ihrer Rebstöcke, einmal pro Jahr haben sie auch die Chance, bei einer Feier die beiden Winzerfamilien kennen zu lernen und mehr über ihre Arbeit zu erfahren. Denn sosehr die Weinberge idyllisch aussehen, Steillagen bedeuten nun einmal eine aufwändige Pflege. Schon am Hang im Stehen das Gleichgewicht zu halten, ist gar nicht so leicht. Daher arbeitet man hier fast ausschließlich mit der Hand und mit einem deutlich höheren Zeit- und Energieaufwand als in flacheren Lagen. Zudem verursacht das Wild aus den umliegenden Wäldern des Hunsrück mitunter große Schäden, die den Ertrag vermindern.
Bild oben: Das Rebstockpatenschaftfest klingt nach einem Tag rund um den Wein mit einem feierlichen Festessen im Rittersaal aus.
Empfang im Hof des Weinguts Böcking.
Ein Tag rund um den Mosel-Riesling
Viele Paten waren schon am Vortag des zum elften Mal organisierten Weinfests gekommen und hatten den Weg zu dem einen oder anderen lokalen Restaurant beziehungsweise zu einer Straußenwirtschaft gefunden. Am Tag des Festes fanden sich dann über 60 von ihnen im Weingut Böcking ein, wo sie von beiden Winzerfamilien mit Sekt und Secco – beide leicht, frisch und blumig – empfangen wurden. Dazu gab es die von Susanne Müllen selbstgemachten Tartes mit Speck, Zucchini und von ihr gesammelten Steinpilzen, die um diese Zeit die Menüs aller Restaurants der Region beherrschen.
Das fröhliche Beisammensein setzte man im Rittersaal fort, dem wohl ältesten erhaltenen Gebäude dieser Kleinstadt, die im 19. Jahrhundert neben Bordeaux zu den wichtigsten Weinumschlagplätzen Europas zählte. Unter den verkosteten Weinen gab es auch zwei Riesling Spätlesen aus den Slow-Food-Patenweinbergen: den kräftigen, extraktreichen und angenehm trockenen vom Weingut Müllen sowie den weichen, fruchtigen, spontan vergorenen vom Weingut Böcking. Beide Weine wurden mit köstlichen Vorspeisen von Leweke von Marschall (Nachfahrin der Familie Böcking und Gutsleiterin) begleitet.
Es ist beeindruckend, was diese jungen Winzer bewirken. Denn der einmal weltbekannte Moselriesling hat in den letzten Jahrzehnten viel von seinem Ruf verloren und wurde oft mit dünnem, süßlichem Wein assoziiert, der mit dem Einsatz industrieller Methoden in möglichst flachen Lagen produziert wurde. Winzer wie Martin Müllen und Simon Trös (Leiter des Weinguts Böcking) tragen dazu bei, dass die den besten Riesling liefernden Steillagen gerettet und der gute Ruf der Region wiederhergestellt werden. Herr Müllen wurde sogar im großen „Weinatlas“ von Hugh Johnson und Jancis Robinson, den weltweit bekannten Sommeliers, erwähnt.
Das Weinfest wurde mit dem von Sascha Daniels, dem jungen, aufstrebenden Koch des örtlichen Restaurants Cavaliere, zubereiteten Abendessen abgeschlossen. Eingelegtes Gemüse mit selbstgebackenem Weißbrot und Brechbohnensalat mit Speck und Apfel eröffneten das Menü. Danach servierte man Hirschgulasch aus lokaler Jagd, und mit Mirabellen vermischte Spätzle. Anschließend wurden die Paten mit einem Zwetschgenstrudel mit Vanille-Lavendel-Soße verwöhnt. Dazu kam natürlich immer ein hervorragender Riesling, dieser „sorgenscheuchende und frohsinnspendende Trunk“, um sich der Worte des ungarischen Weinautors Zoltán Halász‘ zu bedienen. Wie schon zu den Zeiten der Grafen von Sponheim wurde im Rittersaal bei gutem Essen und hervorragendem Wein bis in den späten Abend gefeiert.
Mehr Informationen:
Die Slow-Food-Rebstockpaten besichtigen am Nachmittag "ihre" Patenschaftsweinberge in Traben-Trarbach.
Ein Patenschaftsweinberg zwischen zwei brach liegenden Flächen. Auf der Fläche im Vordergrund ist braunes Gras zu sehen, im Hintergrund wachsen bereits Büsche und Sträucher. Mit weiteren Patenschaften könnten weitere Flächen wieder bewirtschaftet werden.
In den Patenschaftsweinbergen wird mit Schildern auf das Slow-Food-Projekt hingewiesen.
Am Nachmittag gibt es für die Paten auch noch eine Führung durch die Weinkeller der Patenschaftswinzer.
Und durch alte Weinkeller der Stadt.
Die Winzer und ihre Familie begrüßen die Rebstockpaten im Rittersaal.
Am Ende eines erlebnis- und informationsreichen Tages findet hier abschließend ein festliches Abendessen statt.
Die Sommerfest-Weinkarte zählt 18 Weine auf, die im Laufe des Tages verkostet werden.
Für ritterlich-gemütliche Atmosphäre sorgt zudem ein offenes Feuer.
Alle Bilder: © Mariusz Rybak