Hennen behalten den Schnabel
Tiere in der Landwirtschaft: Hennen behalten den Schnabel
Der Schnabel bleibt heil. Die Geflügelwirtschaft will ab August 2016 endlich auf das heftig umstrittene Kürzen der Schnäbel bei Legehennen und Puten verzichten. Junghennen mit kupierten Schnäbeln dürfen nach einer Übergangsfrist nur noch bis zum Jahresende 2016 eingestallt werden. Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft und die Putenerzeuger haben sich auf diesen Ausstiegsplan verständigt. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sprach von einem „Erfolg auf dem Weg zu mehr Tierwohl“. Auch mit freiwilligen Vereinbarungen könne viel erreicht werden.
Vorreiter Niedersachsen
Treiber für den Ausstieg war das Bundesland Niedersachsen, wo Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) das Verbot des Schnabelkürzens schon kurz nach seinem Amtsantritt für 2016 angekündigt hatte. Da sich in Niedersachsen die meisten Brütereien befinden, war nach dieser Initiative Bewegung in die Branche gekommen. Vergangenes Jahr hatte der Handel wegen des drohenden niedersächsischen Verbots die Eierlieferanten informiert, dass ab 2017 bundesweit nur noch Eier von Hühnern mit intakten Schnäbeln verkauft würden.
Inzwischen sind in Niedersachsen, wie das Landwirtschaftsministerium in Hannover mitteilt, bereits seit Januar dieses Jahres Eier von mehr als 100.000 Legehennen mit intaktem Schnabel im Handel. Sie stammen aus einem Pilotprojekt mit der Geflügelwirtschaft und erfreuten sich guter Nachfrage. Minister Meyer: "Nach dem fast alle Länder schon den niedersächsischen Ausstiegsplan übernommen haben, kommt Schmidt als Letzter über die Ziellinie und meint, er wäre doch schon immer Erster gewesen.“
Barbarischer Akt
Das Schnabelkürzen wird bei 90 Prozent der Legehennen, aber auch bei Puten praktiziert. Mit dem „heißen Messer“ oder per Laser wird der vordere Teil abgetrennt – nicht nur für Tierschützer ist dies ein barbarischer Akt, zumal der Schnabel ein empfindliches Tastorgan ist. Bei Puten wird meist nur die obere Schnabelhälfte kupiert. Das Schnabelkürzen soll verhindern, dass sich die Tiere gegenseitig totpicken oder verletzen. In engen Ställen ist ständiges Picken weit verbreitet. Wegen der abnormen Legeleistung sind die Legehennen ohnehin verhaltensgestört, zudem gibt es in großen Beständen mit Tausenden Hühnern keine feste Hackordnung und damit auch keinen sozialen Frieden.
Der Ausstieg sei ein „wichtiger Meilenstein“, jetzt komme es auf die Umsetzung an, sagte Rieke Petter von der „Albert Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt“. Mit starker Verdunkelung, um die Tiere ruhig zu stellen, sei es nicht getan. Die Haltungsbedingungen müssten besser werden. „Die Tiere brauchen ausreichend Beschäftigung, Picksteine, aufgehängte Körbe mit Gras, mehr Platz und Auslauf“, forderte Petter.
Ungesetzliche Praxis
Der BUND bezeichnete den Ausstieg als „überfällig“. Agrarexpertin Reinhild Benning erklärte, es sei längst geltendes Gesetz, dass Schnäbel bei Hühnern und Mastgeflügel nicht amputiert werden dürfen. Daher sei es falsch, von freiwilliger Vereinbarung zu sprechen. Der EU-weite Tierschutzstandard werde nachträglich nun auch in deutschen Hühnerställen eingeführt und die ungesetzliche Praxis endlich beendet.
Für Slow Food Deutschland erklärte Vorstandsmitglied und Tierarzt Rupert Ebner, der Ausstieg aus dieser Prozedur sei zu begrüßen und überfällig. Jetzt komme es darauf an, das Schnabelkürzen mit rechtlicher Verbindlichkeit in allen Betrieben auch tatsächlich durchzusetzen. Zugleich zeige auch dieses Beispiel, dass Minister Schmidt beim Tierschutz den Ländern hinterherlaufe. Ebner: „Wann endlich wird er selbst zum Motor für mehr Tierwohl?“
In Österreich ist das Schnabelkürzen schon 2005 abgeschafft worden. Auch im gesamten europäischen Biosektor ist es verboten.
Bild oben: Ramelsloher Hühner, eine alte Zweinutzungsrasse aus dem Slow-Food-Biodiversitätsprojekt Arche des Geschmacks, mit unverletzten Schnäbeln. | © Dirk Esser
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