Junglandwirte auf dem Weg nach Mailand
Slow Food Youth: Junglandwirte auf dem Weg nach Mailand
David hat erfolgreich eine Permakultur auf mecklenburgischem Sand aufgebaut. Franziska stellt in Berlin handwerklich Tofu aus deutschem Bio-Soja her und Asmelash hat zuhause in Äthiopien schon über 70 Schulen davon überzeugen können, biologisch betriebene Schulgärten anzulegen. Heute sprachen sie in der Berliner Arminius-Markthalle in Moabit über ihre Projekte und warum sie Anfang Oktober beim Slow-Food-Jugendkongress "Terra Madre Youth - We Feed the Planet" dabei sein werden.
Etwa 2.500 junge Erzeuger, Lebensmittelhandwerker und Aktivisten aus aller Welt kommen vom 3. bis 6. Oktober bei der Veranstaltung in Mailand zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam neue Ideen für ein zukunftsfähiges Lebensmittelsystem zu entwickeln. Dieser Austausch ist wichtig, denn gerade junge Lebensmittelerzeuger begegnen tagtäglich vielen Herausforderungen, um uns Verbrauchern gute Lebensmittel zu liefern.
Aber gerade sie tauchen auf der derzeitigen "Welternährungsexpo" in Mailand nicht auf. Dort sind es hauptsächlich Großkonzerne, die den Besuchern viel Show, aber wenig Substanz zum Thema der Weltausstellung "Den Planeten ernähren. Energie fürs Leben" bieten.
"Die wirklichen Erzeuger unserer Lebensmittel, Landwirte und Lebensmittelhandwerker, werden auf dieser Expo ganz außen vorgelassen," so Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V. "Der Ansatz für eine zukunftsfähige Welternährung muss auf ökologische Nachhaltigkeit aus sein. Aber das Konzept der Agrarkonzerne ist nicht zukunftsfähig. Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, der die Lebensmittelerzeugung, den Lebensmittelvertrieb und -verzehr im Blick hat, inklusive aller Betroffenen und Beteiligten: Erzeuger, Verbraucher, Umwelt. Ohne eine Agrar- und Energiewende werden wir unseren Planeten nicht ernähren und schon gar nicht die 2030 Nachhaltigkeitsziele erreichen."
Aus diesem Grund stellt das Slow Food Youth Netzwerk zeitgleich zur Expo 2015 mit Terra Madre Youth - We Feed the Planet die jungen Leute in den Mittelpunkt, die mit dem Boden arbeiten und handwerkliche Produkte erzeugen. "Nachwuchs in der Landwirtschaft ist ein dramatisches Problem. Es fehlt an Wertschätzung des Berufes, es fehlt an Perspektive für die, die verantwortungsbewusst handeln, und es ist zudem hier in Deutschland der Berufseinstieg mit dem höchsten Kapitaleinsatz. Das heißt, es gibt kaum Anreize für die Jugend, diesen Beruf zu ergreifen. Wir schaffen unser gutes Essen so selbst ab", so Hudson weiter.
Dies unterstrich auch Franziska Schauren von den Tofu-Tussis aus Berlin: "Für uns kleine Lebensmittelproduzenten ist es wirklich schwer, auf dem Markt bestehen zu können - also Lebensmittel zu fairen Preisen für die Erzeuger und die Verbraucher handwerklich herzustellen und direkt zu vermarkten. Wir möchten uns deshalb mit anderen vernetzen, austauschen und neue Perspektiven entwickeln. Zum Beispiel möchten wir weitere Ideen entwickeln, um Käufern das Thema nahezubringen und für die Probleme zu sensibilisieren."
David Peacock, Demeter-Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern, schaut höchst motiviert auf seinen Kongress-Besuch: "Ich bin tagtäglich von morgens bis abends mit meiner Arbeit voll eingespannt. Den Hof verlasse ich nicht sehr oft. Aber wenn ich mit anderen Bauern zusammen bin, verbinden uns die gemeinsame Lebensaufgabe sehr. So stelle ich mir Mailand trotzt verschiedener Sprachen, Kulturen und Hintergründe vor. Da Essen politisch ist und jeder Inspiration und Unterstützung brauchen kann, entstand in mir der Wunsch, mich auf diese Reise zu begeben. Die Herausforderung unserer Zeit heißt: 'small is beautiful' (Klein ist schön), was aber nicht unserer zentraleuropäischen gesellschaftlichen Einstellung entspricht. Das tötet unsere Landwirtschaft und letztendlich uns!"
Asmelash Dagne Datiko aus Äthiopien berichtete von seiner Erfahrung als junger Landwirt in Afrika: "Die Zukunft unserer Ernährung ist sehr gefährdet in meinem Land. Einerseits hält die Regierung alle Landwirte dazu an, Chemikalien einzusetzen, und andererseits wurde der jungen Generation das Interesse am Anbauen und Produzieren abtrainiert: Schüler werden als Strafe aufs Feld oder in den Garten geschickt, was den Werteverlust des Bereichs Landwirtschaft widerspiegelt. Da gutes und gesundes Essen nun in meinem Land bald sehr rar werden könnte, habe ich mich dazu entschlossen, eine kleine Bewegung ökologischer Landwirte zu starten, indem wir in Schulen und Gemeinschaften rein ökologisch arbeitende Nutzgärten schaffen und bewirtschaften. Es war eine Herausforderung, die Initiative ins Rollen zu bringen, aber schon jetzt ernten wir die Früchte einer 'stillen Revolution', indem sich immer mehr Menschen und sogar Regierungsabgeordnete im Bereich Landwirtschaft für das Projekt begeistern."
Bild oben (v. l. n. r.): David Peacock, Demeter-Landwirt (Mecklenburg-Vorpommern), Frederik Schulze-Hamann, Slow Food Youth; Franziska Schauren, Tofu-Tussis (Berlin); Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland; Asmelash Dagne Datik, Schulgarten-Projekte (Äthiopien). | © Sharon Sheets
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