Slow Food Messe 2015: Kulinarische Bildung
Slow Food Messe 2015: Kulinarische und kulturelle Bildung am Tisch
Esstisch, Küche und Garten sind kulinarische und kulturelle Bildungsorte. Durch gemeinsame erlebte Rituale und Gewohnheiten werden familiäre und kulturelle Traditionen gebildet - das stiftet Identität und soziale Erdung. Bei gemeinsamen Mahlzeiten tauscht man sich aus und lernt verschiedene Alltagskompetenzen, von gesunder Ernährung zu Kompromissbereitschaft. Aber das gemeinsame Essen am Familientisch muss mit Berufstätigkeit, langen Schultagen und vielfältigen Freizeitangeboten konkurrieren. Die hypermobile globalisierte Welt und krisenbedingte Migration trägt weiter zur Entwurzelung bei. Konflikte werden beim und über das Essen ausgetragen. Ein Beispiel dafür sind die Auseinandersetzung am Familientisch, bei denen Machverhältnisse innerhalb der Familie verhandelt werden: was wird gegessen, wann und wie.
Nicht unbekannt sind auch Beschwerden über ungewohnte Gerüche, die aus den Küchen zugewanderter Nachbarn dringen mögen. Tisch, Küche und Gärten sind die Schauplätze von Verhandlungen um Macht und Identität, gleichzeitig aber auch der Lösungsansatz - in der Beteiligung und im Austausch. "Die Beteiligung von allen Familienmitgliedern ist wichtig für einen weiterbildenden, konfliktüberkommenden Ernährungsalltag," rät Prof. Dr. Lotte Rose, FH Frankfurt. Offenheit und Kompromissbereitschaft - ob in der Wahl der Speisen, oder auch Ort, Zeit, Dekor der Mahlzeit - biete allen Beteiligten die Möglichkeit, sich einzubringen. Jede Tischgemeinschaft schaffe sich eigene Traditionen, und die gemeinsame Familienmahlzeit sei trotz aller Herausforderungen weiterhin für Familien wichtig.
Die tägliche warme Mahlzeit verschiebt sich auch in Deutschland immer mehr vom Mittag auf den Abend. "Familien stecken viel Energie hinein, gemeinsame Mahlzeiten aufrecht zu erhalten, auch wenn sich heute die Gewohnheiten ändern," so Prof. Rose weiter. Immer mehr Mahlzeiten werden in Gemeinschaftsverpflegung in Kita oder Schule verzehrt. Die Schulverpflegung ist ein wichtiger Teil des Schulalltags und müsse als dieser stärker wahrgenommen und in die Verpflichtung zur kulinarischen Allgemeinbildung werden, unterstrich Rosemarie Daumüller vom Landesfamilienrat Baden-Württemberg. Beteiligung bei der Zubereitung und Verzehr der Mahlzeit und Austausch auf Augenhöhe ist auch ein wichtiger Faktor in der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Zudem müssen diese gewöhnlich in Gemeinschaftsverpflegung essen und haben nicht die Möglichkeit, eigene traditionelle Gerichte zuzubereiten.
Integration an der gemeinsamen Tafel
Die Berliner Initiative "Über den Tellerrand kochen" bringt Einheimische und Geflüchtete am Herd zusammen. Gemeinsam kochen sie eine Mahlzeit aus der verlassenen Heimat. "Das Verständnis für die Situation der Geflüchteten entsteht unmittelbar und nachhaltig," berichtet Projektmitarbeiter Rafael Strasser. "Essen und Rezepte sind oft das einzige Kulturgut, dass Migranten mitnehmen können."
"Essen teilen, ob am Tisch oder von der Ernte des eigenen Gemüsebeets ist eine einfache Art, großzügig zu sein, " fügt Dorothee Griehl-Elhoyazel, Initiative für Kinder, Jugend- und Gemeinwesenarbeit e.V. Marburg, hinzu. Der spontane Austausch von Gemüse, Rezepten und Saatgut in den interkulturellen Gärten des Vereins lasse die Hemmschwelle der Begegnung und gegenseitiger Akzeptanz sinken.
Die jährliche Leitmesse von Slow Food Deutschland findet noch bis zum Sonntag, 12. April auf der Messe Stuttgart statt. 481 Aussteller bieten ihre handwerklich hergestellten Produkte an, von Alblinsen bis Whisky, die alle die strenge Slow-Food-Qualitätsprüfung bestanden haben. Der bunte Markt wird mit einem vielfältigen Rahmenprogramm umrahmt, bei dem sich die Besucher auf kurzweilige Art über Themen rund um Lebensmitteln informieren können.
Quelle: Pressemitteilung von Slow Food Deutschland vom 11. April 2015
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