Fleischkonsum: Offener Brief an EU-Kommissar
Klimawandel: Slow Food fordert Wende bei EU-Fleischpolitik
Nachdem Phil Hogan, Landwirtschaftskommissar der Europäischen Union, kürzlich ankündigte, den Fleischverbrauch in Europa künftig mit 15 Millionen Euro jährlich fördern zu wollen, sowie ab nächstem Jahr weitere vier Millionen Euro bereitstellen zu wollen, um neue Märkte für europäisches Rindfleisch zu erschließen, hat Slow Food entschieden, ein breites Bündnis von Organisationen der Zivilgesellschaft anzuführen, das dem EU-Kommissar am 10. November einen Brief geschickt hat, in dem erläutert wird, warum und wie seine Pläne verändert werden müssen.
Breite Allianz von Zivilorganisationen für Klimaschutz
Der Brief wurde von Slow Food, Compassion in World Farming, Eating Better, Eurogroup for Animals, European Environmental Bureau, European Public Health Alliance (EPHA), Fern, Friends of the Earth Europe, Friends of the Earth (England, Wales Northern Ireland), Greenpeace European Unit, Humane Society International/Europe und Safe Food Advocacy Europe (SAFE) in der Hoffnung unterzeichnet, dass der Europäische Landwirtschaftskommissar diese Kritikpunkte in Betracht zieht und seine Pläne für die Zukunft ändert.
Fleischverbrauch und Fleischproduktion sind wichtige Themen, besonders angesichts der aktuellen Klimakonferenz COP22. Die industrielle Tierzucht ist eine der Hauptursachen für Treibhausgasemissionen (14,5 Prozent des Gesamtemissionen) und beansprucht 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, was wiederum zu Abholzung, Verlust der biologischen Vielfalt, Bodenverarmung und einer Ausbeutung der Wasserressourcen führt. In Anbetracht des jüngst in Kraft getretenen Klimaabkommens von Paris (4. November 2016) gewinnen die Ziele der Europäischen Union zur Verringerung von Treibhausgasemissionen an Brisanz.
Glaubwürdigkeit der EU in Gefahr
Eine Einführung von Maßnahmen zur Steigerung des Fleischverbrauchs würde die Glaubwürdigkeit der EU untergraben und ihren Einsatz zur Bekämpfung des Klimawandels in Frage stellen. Eine Steigerung der industriellen Fleischproduktion hat nicht nur negative Auswirkungen auf den Klimawandel, sondern betrifft auch Kleinerzeuger, die oftmals die einzige Einkommensquelle in Randgebieten darstellen, die sonst von Abwanderung bedroht wären, was wiederum zu hydrogeologischen Risiken und schleichender Urbanisierung führt.
Ein zunehmender Fleischverbrauch wirkt sich auch negativ auf das Europäische Gesundheitssystem aus, da ein hoher Verzehr von verarbeiteten Fleischwaren und rotem Fleisch diverse Krankheiten bedingen kann, darunter Fettleibigkeit, Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes, verschiedene Krebssorten und ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko im Allgemeinen. Aktuell verzehrt jeder Europäer durchschnittlich fast 80 Kilo Fleisch jährlich, eindeutig zu viel.
Carlo Petrini, Gründer und Präsident von Slow Food, erklärt: „Slow Food setzt sich dafür ein, den Verbrauch von hochwertigem Fleisch zu fördern, das nach den Grundsätzen eines guten, sauberen und fairen Produktionsprozesses hergestellt wird: Ausgezeichnet werden sollten die Betriebe, die nachhaltig arbeiten, artgerechte Tierhaltung betreiben und lokale Rassen züchten. Die Produktion von hochwertigerem Fleisch ist darüber hinaus gesünder und schädigt die Umwelt weniger. Allzu oft ist die landwirtschaftliche Produktion nicht in der Lage, den Produzenten ein angemessenes Einkommen zu garantieren und es entstehen paradoxe Situationen, in denen Rohstoffe zu Preisen gehandelt werden, die unter den Produktionskosten liegen. Die Folge davon ist eine Verarmung der Produzenten, die oft ihre Betriebe aufgeben müssen.”
Mehr Qualität, weniger Masse
Der Brief fordert die EU Kommission auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um eine grundlegende Umorientierung des Fleischsektors in Europa einzuleiten, in Richtung geringerer Mengen, höherer Qualität, artgerechter Tierhaltung, besserer Umweltverträglichkeit, weniger Emissionen und einer besseren Abstimmung zwischen dem Kulturpflanzensektor und der Viehwirtschaft. Slow Food engagiert sich mit der Kampagne Slow Meat in diesem Sinne.
Quelle: Pressemeldung von Slow Food International vom 10. November 2016
Bild oben: Weidehaltung - artgerechte Tierhaltung im Sinne von Slow Food. Das Angler Sattelschwein ist zudem Passagier auf der Arche des Geschmacks, einem internationalen Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität. | © Stefan Abtmeyer
Mehr Informationen:
Slow Food Positionen zur EU-Agrarpolitik