Lebensmittelverschwendung: Zweite Schnippeldisko im Norden
Kulinarischer Protest im Norden: Schnippeln, Schnacken und Schwofen
Am 5. Februar verwandelte sich der große Festsaal des Landhauses Schulze-Hamann im eher beschaulichen schleswig-holsteinischen Blunk in der Nähe von Bad Segeberg zum zweiten Mal in eine brodelnde Aktionsküche. Die erste Veranstaltung hatte am 16. Oktober 2015 (Welternährungstag) bereits 70 Teilnehmer aller Generationen zum Schnippeln, Schnacken und Schwofen angelockt.
Im Nachklang griffen immer mehr lokale Medien dieses Aktionsformat für ein gutes, sauberes und faires Lebensmittelsystem mit großem Interesse auf und die Anzahl der kochenden Partygänger stieg nun prompt auf 150 an. Dank eines großen Unterstützerkreises aus Bio-Höfen, konventionellen Höfen, Obstbauern, Supermärkten, Solidarischen Landwirtschaften und Nachbarn mit eigenen Gärten kamen einige hundert Kilo an knubbeligen Kartoffeln, dreibeinigen Möhren und Äpfeln mit Flecken zusammen, die sonst allesamt auf dem Acker liegen geblieben oder in der Tonne gelandet wären. Und das nur, weil sie nicht den standardisierten Normen des Handels entsprechen!
Bild oben: Der Festsaal des Traditionsgasthauses verwandelte sich in eine Großküche.
Krumme Kostbarkeiten vom lokalen Acker
Inmitten der Kisten und Säcke, aus denen sich die Gäste heraussuchen konnten, was sie schnippeln und gemeinsam mit dem Küchenteam des Landhauses zubereiten wollten, steckten für so manchen Teilnehmer bisher ungeahnte Schätze. Denn Haferwurz und Spaghettikürbis haben bei den meisten Konsumenten noch längst nicht den Weg in den heimischen Topf gefunden. Gleichermaßen bunt, krumm und vielfältig wie das Angebot an Gemüse und Obst waren schließlich auch die köstlichen Gerichte, die an verschiedenen Kochstationen im Saal und in der Küche entstanden. Von einer Apfel-Kürbissuppe, die eine ältere Dame aus dem Nachbarort gezaubert hatte, über knackige Gemüsepfannen und Bratlinge bis zum klassischen Kartoffelreibekuchen mit Fruchtkompott, welche einige Jugendliche auftischten, war überall echter Genuss zu schmecken. Bei Marie-Josephine H., die mit ihrer Familie das erste Mal auf einer Schnippeldisko war, ist der Funke sofort übergesprungen: „Ich finde die Party total super und ich werde nun zu Hause viel mehr darauf achten, Lebensmittel aus dem Kühlschrank nicht einfach so wegzuschmeißen, nur weil sie eine Delle haben.“
Bild oben: Slow Food Youth meets Kitchen-Ladies - Gruppenbild mit Apfel-Kürbis-Suppe.
Wertschätzung für Lebensmittel von Kindesbeinen an lernen
Dass der Spaß und die Freude am gemeinsamen Kochen, Genießen und Feiern den verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln nicht ausschließen, wurde einmal mehr daran deutlich, wie harmonisch und wissbegierig sich Jung und Alt zwischen zwischen 10 und 80 am provisorischen Küchentisch austauschten. Auch Themen wie Mangel und Hunger zu früheren Zeiten sowie der Überfluss des industriellen Lebensmittelsystems, das unnötigerweise jährlich auf der Welt 1,3 Milliarden Tonnen Verlust entstehen lässt, flackerten zwischen den Discobeats auf. „Ich bin hier auf dem Hof aufgewachsen, wo wir einen großen Garten, Rinder, Schweine und Geflügel hatten. Mir ist dabei von Kindesbeinen an beigebracht worden, mit den Ressourcen dieser Welt schonend umzugehen“, betont Chefin Angela Schulze-Hamann. „Wir müssen unser Essen einfach mehr wertschätzen“, ergänzt sie und schwingt sich dann auf die Tanzfläche. Dort stand bis Anfang der 1960-er Jahre noch das Vieh. Da dachte wohl noch keiner daran, dass der Festsaal mal so kochen würde!
Bild oben: Auf der Tanzfläche war immer was los.
Weitere Informationen:
Hier finden Sie aktuelle Informationen, Hintergrundinformationen, Positionspapiere und Informationen über Projekte und Aktionen zur Lebensmittelveschwendung von Slow Food Deutschland:
Slow Thema Lebensmittelverschwendung
Schulprojekt Teller statt Tonne
Angela Schulze-Hamann begrüßt ihre Gäste zur zweiten Bunker Schnippeldisko.
Drei Partygängerinnen am Küchentisch
Auch die Profiküche war für alle offen zum Braten, Kochen und Probieren!
Alle Bilder: © Frederik Schulze-Hamann