Milchkrise: "Wertschöpfung statt Wachstum!"

30.5.2016 - Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hat heute Vertreter der Molkereien und des Einzelhandels sowie den Deutschen Bauernverband zum Milchgipfel eingeladen. Aus diesem Anlass wenden sich die Organisationen, die in der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ zusammengeschlossen sind und zu denen auch Slow Food Deutschland gehört, an den Minister mit dem Papier „Raus aus der Milchkrise: Wertschöpfung statt Wachstum“. Es enthält vier zentrale Forderungen.
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Jochen Fritz, Koordinator der Kampagne „Meine Landwirtschaft“, erklärt dazu: „Die Situation der Milchviehbetriebe ist dramatisch. Die Agrarminister der Länder haben daher auf ihrer Frühjahrs-Konferenz im April 2016 eine klare Botschaft gesetzt: Die Milchmenge muss umgehend reduziert werden, um die Preise zu stabilisieren! Dabei geht es nicht um eine Wiedereinführung der Milchquote, sondern um eine kurzfristige und koordinierte Mengenrückführung, die finanziell von Bund und Ländern unterstützt wird. Nur so kann der Verlust weiterer bäuerlicher Betriebe und ein massiver Strukturwandel im ländlichen Raum verhindert werden.“ In ihrem Papier fordert die Kampagne „Meine Landwirtschaft“ die sofortige Umsetzung der Beschlüsse der Frühjahrs-Agrarministerkonferenz, die Schaffung weiterer finanzieller Anreize für eigenverantwortliche Produktionsminderungen sowie einheitliche Kennzeichnungsregeln, staatliche Informationskampagnen und eine bundesweite Förderung von Qualitätsmilchprogrammen, wie Weidemilch oder Bio-Milch.

Die Kampagne „Meine Landwirtschaft“ ist ein breiter, gesellschaftlicher Zusammenschluss von über 45 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungszusammenarbeit, darunter die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutsche Tierschutzbund, Brot für die Welt und Slow Food Deutschland.

Das Papier „Raus aus der Milchkrise: Wertschöpfung statt Wachstum“ zum Milchgipfel mit den vier zentralen Forderungen an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt können Sie hier als PDF herunterladen oder im folgenden Absatz online lesen.

Quelle: Pressemitteilung der Kampagne "Meine Landwirtschaft" vom 30. Mai 2016

Im Bild oben: Bäuerliche Weidemilch-Produktion mit dem Hinterwälder Rind im Südschwarzwald - Qualitätsmilch-Produktion im Sinne der Kampagne Meine Landwirtschaft. Das Hinterwälder Rind ist Passagier auf der Arche des Geschmacks, einem internationalen Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität. | © Stefan Abtmeyer

Raus aus der Milchkrise: Wertschöpfung statt Wachstum
Zur Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe

Forderungspapier zum Milchgipfel am 30. Mai 2016

Die Erzeugerpreiskrise bedroht die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe, vor allem in der Milchviehhaltung. Bund und Länder sind aufgefordert dringend zu handeln. Die Kampagne „Meine Landwirtschaft“ – bestehend aus Verbrauchern und Bauern – steht hinter den betroffenen Höfen und setzt sich für deren Erhalt ein. Die Verbraucher haben gezeigt, dass sie bereit sind Bauernhöfen mehr Wertschöpfung statt mehr Wachstum zu ermöglichen: Ein Großteil der Bevölkerung würde für definierte Qualitäten auch angemessene Preise zahlen, insbesondere wenn Herkunft, Tierhaltungsform und positive Umweltwirkung auf den Produkten erkennbar sind. Vor diesem Hintergrund unterbreitet „Meine Landwirtschaft“ konkrete Vorschläge zur Bewältigung dieser Krise.

Die bäuerliche Landwirtschaft ist Grundlage der Lebensmittelerzeugung in Deutschland und weltweit. Doch nicht nur hierzulande ist die Situation der bäuerlichen Betriebe dramatisch und sie verschlechtert sich zunehmend. Besonders stark betroffen von der wirtschaftlichen Schieflage sind derzeit Milchviehbetriebe. Allein 2015 gaben 3.200 von ihnen auf. Diese Zahl wird dramatisch steigen, wenn nicht umgehend konsequent gegengesteuert wird. Es geht um die Zukunft vieler bäuerlicher Familien und darüber hinaus um die Wirtschaftskraft in den ländlichen Regionen. Eine wesentliche Ursache dieser Krise ist die zunehmende Exportorientierung der Landwirtschaft. Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission haben diese Entwicklung massiv vorangetrieben. Diese Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ging auf Kosten der Umwelt, des Tierschutzes und der Länder des globalen Südens. Doch die versprochenen kaufkräftigen Absatz- märkte stellten sich aus unterschiedlichen Gründen als Fehlprognose heraus. Es entstand vielmehr ein Überangebot von landwirtschaftlichen Produkten. Dies führte zu einem massiven Verfall der Erzeugerpreise. Dessen wirtschaftliche Folgen treffen nun alle Bäuerinnen und Bauern. Daher müssen dringend Maßnahmen zur Senkung der Angebotsmengen ergriffen werden. Ohne stabile und faire Erzeugerpreise werden weder die regional verankerten bäuerlichen Betriebe überleben, noch die ländlichen Räume eine Zukunftsperspektive haben.

Eine tierwürdige Nutztierhaltung, wie von der Gesellschaft gefordert, ist dabei notwendig, machbar und finanzierbar. Dies belegt nicht zuletzt der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik des Bundes- ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit seinem Gutachten Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung aus dem Jahr 2015. Die Mehrkosten für die landwirtschaftlichen Betriebe lägen demnach bei 13 bis 23 Prozent und könnten über eine Erhöhung der Verbraucher- preise um drei bis sechs Prozent refinanziert werden. Beim Umbau der Tierhaltung spielen kleine und mittelständische bäuerliche Betriebe eine Schlüsselrolle. Aber gerade diese Betriebe gehören zu den Opfern der aktuellen Krise. Die Finanzierung des notwendigen Umbaus, kann unmittelbar über die Umschichtung von Geldern der Flächenförderung in die Agrarumweltmaßnahmen zur Verbesserung der Milchviehhaltung durch Weideprämien erfolgen.

Wir wollen eine Landwirtschaft, die Menschen, Tiere, Umwelt und Klima schützt und ländliche Regionen stärkt, dadurch die bäuerlichen Existenzen sichert und die Produktionsgrundlagen schützt. Eine Abkehr von der umwelt- und klimaschädlichen, industriellen Massenproduktion sowie von Risikotechnologien wie der Agro-Gentechnik ist hierfür erforderlich.

Wir fordern Bund und Länder auf, den notwendigen Umbau für eine zukunftsfähige und vielfältige Landwirtschaft unmittelbar in Angriff zu nehmen und damit die Existenz tausender Betriebe aktiv zu sichern.

Anlässlich des Milchgipfels von Bundesminister Schmidt am 30. Mai 2016 fordern wir zur Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe bessere und kostendeckende Preise für Milch, die mit einem Aktionsplan Milch erreicht werden sollen, der nicht auf weitere Exportsteigerung abzielt, sondern die europäische Milchproduktion dem heimischen Absatz anpasst und auf Qualität statt Quantität setzt.

Im Einzelnen bedeutet dies:

Sofortige Umsetzung der Beschlüsse der Frühjahr-Agrarministerkonferenz der Länder. Nicht eine Wiedereinführung einer Milchquotenregelung steht auf der politischen Agenda, weder durch den Staat noch durch eine Molkereiquote. Notwendig ist jetzt eine kurzfristige, koordinierte Mengenrückführung, die Molkereien und Bauern organisieren können und die finanziell vom Bund und von den Ländern unterstützt wird. Wenn die Molkereien keine Reduzierung der Milchmenge in die Wege leiten, muss eine obligatorische, entschädigungslose Reduzierung seitens der EU erfolgen.

Schaffung weiterer finanzieller Anreize für eigenverantwortliche Produktionsminderungen der Erzeuger.

Einheitliche Kennzeichnungsregeln, staatliche Informationskampagnen und bundesweite Förderung von Qualitätsmilchprogrammen, zum Beispiel für Weidemilch, Milch von Grünland, Heumilch, Bio-Milch und gentechnikfreie Milch. Die Verbraucher rufen wir auf, diese Produkte verstärkt nachzufragen und zu kaufen.

Beendigung der Irreführung von Verbrauchern: Bezeichnungen wie "Weideglück" und "Grünländer" auf Milchprodukten suggerieren, dass die Produkte auf der Basis von Grünland erzeugt wurden. Dies versperrt bäuerlichen Betrieben einen fairen Marktzugang und eine angemessene Wertschöpfung, die tatsächlich Milch umwelt- und tierfreundlich auf Wiesen und Weiden erzeugen.

Forderungspapier als PDF herunterladen 

Mehr Informationen:

Slow Thema: EU-Agrarpolitik

Slow Thema: Milchvielfalt

Arche-Passagier Hinterwälder Rind

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