Neuer Arche-Passagier: Wieder Verstärkung für das Rote Höhenvieh
Jeder Arche-Passagier ist besonders. Der neue Passagier, der nun in die Arche des Geschmacks aufgenommen wurde, das Rote Höhenvieh des Weserberglandes, bringt einem bereits aufgenommenen Passagier weitere Verstärkung: Bereits im Sommer 2015 war das Rote Höhenvieh (RHV) als 55. Passagier mit Vertretern aus dem Sauerland und aus Bayern in die Arche aufgenommen worden. Erstmals hatten zwei Convivien – Slow Food Sauerland und Slow Food Regensburg-Oberpfalz – je einen Antrag für den gleichen Arche-Passagier gestellt: für den gleichen, aber nicht für denselben! 2016 folgte das Convivium Slow Food Harz mit dem Harzer Rotvieh. Nun wird Passagier Nr. 55 verstärkt durch einen weiteren Gleichen: das Rote Höhenvieh des Weserberglandes – unterstützt vom Convivium Hannover.
Unverzichtbare Stütze der Selbstversorgerhöfe
Nun vorab zu den speziellen Besonderheiten, die der Passagier aus dem Weserbergland im Vergleich zum Roten Höhenvieh anderer Mittelgebirge aufwies:
Im Weserbergland waren die ungünstigen topographischen Verhältnisse mit schlechter Infrastruktur und sehr kleinen Ackerflächen verbunden. Über Jahrhunderte prägten Selbstversorgerhöfe das ärmliche Leben – unterstützt durch Arbeitskraft, Milch und Fleisch der sehr genügsamen Rinder. Noch die Rinderzählung vom 1.12.1900 im Weserdistrikt des Herzogtums Braunschweig (heute im Wesentlichen Landkreis Holzminden) ergab einen Anteil von zwei Zehntel Landvieh mit Rotviehcharakter.
Der landwirtschaftliche Strukturwandel in der Mitte des 20. Jahr¬hunderts verdrängte die angestammten Mittelgebirgsrassen. Züchterische Selektion auf Milchleistung sowie technischer und chemischer Input beim Ackerbau durch Düngemittel-, Pestizid- und Maschineneinsatz ermöglichten und forcierten eine Konzentration auf die Milcherzeugung: Nach und nach wurde mit Hochleistungsrassen – dem Einnutzungsrind – das genügsame Dreinutzungsrind verdrängt.
Gleiche unter Gleichen
Hingegen basiert die Gleichheit der Roten aus den Mittelgebirgen über die einheitliche rotbraune Färbung und die mittlere Größe hinaus auf drei Gemeinsamkeiten: Erstens war das Rote Höhenvieh im 18. und 19. Jahrhundert das typische Rind aller (deutschen) Mittelgebirge.
Zweitens die grundsätzliche Bedeutung – als klassisches Dreinutzungsrind für Milch, Fleisch und Arbeit. Und drittens der Niedergang im 20. Jahrhundert durch die Auswirkungen der Industrialisierung auf Ackerbau und Milchwirtschaft. So wurde das Rote Höhenvieh zu einer gefährdeten Rasse. Und das hat eine weitere und besondere Gemeinsamkeit bedingt: Das in seinen Fähigkeiten und im Phänotyp ähnliche Rotvieh der in den verschiedenen Mittelgebirgen entstandenen regionalen Schläge (Ausprägungen) wurde 1985 in der "Bundesarbeitsgemeinschaft Rotes Höhenvieh" züchterisch zusammengefasst. So sollte das Ausmaß der Inzucht begrenzt und der Rasse insgesamt ein Überleben ermöglicht werden.
Genügsame und robuste Rinderrasse
Mit Erfolg! So führten im Weserbergland seit Ende des 20. Jahrhunderts die Bemühungen einiger Landwirte und Landschaftspfleger letztlich sogar dazu, dass alle derzeit 20 Haupt- und Nebenerwerbslandwirte (Stand Herbst 2016), die Rotes Höhenvieh halten, im Verein zur Förderung des Roten Höhenviehs im Weserbergland e. V. zusammengeschlossen sind. Darüber hinaus betreiben sie als Mitglieder des Rinderzuchtverbandes Sachsen-Anhalt e. G. (RSH) ihre Züchtungsarbeit nach Herdbuch.
Vieles spricht nun für eine Renaissance dieser genügsamen und robusten Rinderrasse, zum Beispiel in arbeitsextensiver Viehhaltung in der Nebenerwerbslandwirtschaft. Der Nutzen ist auch heute vielfältiger Art und bildet eine lebendige Klammer um Landschaft, Kulturregion, Ökologie, Kulinarik und Touristik.
Generell zeichnet sich Rotes Höhenvieh durch gute Konstitution aus, ist leicht kalbend, sehr mütterlich und gilt als idealer Partner in der Mutterkuh-Haltung. So bietet die Rasse Rotes Höhenvieh auch Einsatzmöglichkeiten in extensiver Haltung im Naturschutz. Ihr Fleisch ist feinfaserig, leicht marmoriert und schmackhaft.
Bild oben: Rotes Höhenvieh des Weserberglandes. Die Kühe auf dem Foto gehören dem Zuchtbetrieb Karsten Lott in Bevern. Sie stehen am Burgberg im FFH-Gebiet Rühler Schweiz im Landkreis Holzminden. Im Vordergrund: Clara. | © Ulrich Schlette
Mehr Informationen: