Positionspapier zur Umgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU
Positionspapier: Europaweites Zivilbündnis fordert radikale Wende der EU-Agrarpolitik
Das Organisationsbündnis der Zivilgesellschaft richtet sich in seinem Aufruf vor allem an die EU-Landwirtschaftsminister, die sich heute bei einem Treffen in Brüssel zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) beraten. „Slow Food und viele weitere Organisationen aus dem Bereich Landwirtschaft, Umwelt, Entwicklung, Klima, artgerechte Tierhaltung und Ernährungssystem sind der Meinung, dass die Gemeinsame Agrarpolitik mit der Reform 2020 dringend neu ausgerichtet werden muss, denn weder die aktuelle noch die GAP der Vergangenheit sind die Herausforderungen im Bereich Landwirtschaft und Umwelt ganzheitlich und mit Blick auf Zukunftsfähigkeit angegangen und haben auch die dadurch vielfältig entstandenen systemimmanenten Probleme nicht beheben können,“ so die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson.
„Wenn wir in Europa wirklich auf ein ökologisch nachhaltiges Ernährungssystem hinarbeiten wollen - und wir müssen - , dann müssen wir die Probleme an der Wurzel und entlang der ganzen Wertschöpfungskette bekämpfen. Fest steht: Wir brauchen ein Ernährungssystem, das Lebensmittel im kulturellen, gesellschaftlichen und ökologischen Kontext sieht, ebenso wie im sozialen und im wirtschaftlichen, und wir brauchen politischen Willen, um dies zu unterstützen. Um dies zu erreichen ist die Umsetzung einer ganzheitlichen Gemeinsamen Nachhaltigen EU-Ernährungspolitik unausweichlich."
Mehr als 130 Organisationen unterzeichen europaweiten Appell
Die über 130 unterzeichnenden Organisationen des Positionspapiers sind der Meinung, dass Europas aktuelles Lebensmittelsystem nicht mehr funktioniert und dass es fundamental umstrukturiert werden muss, um dessen unzählige Probleme zu bewältigen, angefangen beim Höfesterben, der Existenzsicherung der Erzeuger und den Auswirkungen der Landwirtschaft auf die lokale Wirtschaft, bis hin zu den großen Umweltproblemen, den Tierwohlfragen und vielem mehr.
Die Auswirkungen der GAP und von Agrarpolitiken, die die industrielle Lebensmittelproduktion begünstigen, sind besorgniserregend:
- Bauernhöfe verschwinden mit alarmierender Geschwindigkeit: 1 von 4 Bauernhöfen in der EU hat zwischen 2003 und 2013 aufgegeben.
- Die intensive Landnutzung trägt zum Biodiversitätsverlust innerhalb Europa bei und bedroht die landwirtschaftliche Bodennutzung.
- Global gesehen sind schon über 90 Prozent der Sorten- und Artenvielfalt von den Feldern verschwunden und 75 Prozent aller Lebensmittel werden aus nur 12 Pflanzensorten und 5 Tierarten gewonnen.
- Europas Landnutzung-Fußabdruck beläuft sich auf 269 Millionen Hektar – davon werden allerdings 40 Prozent der Landfläche nicht auf dem eigenen Kontinent, sondern außerhalb Europas Grenzen genutzt und in Anspruch genommen (insgesamt eine Fläche der Länder Frankreich und Italien zusammen).
- Die Landwirtschaft macht konservativ angesetzt 10 Prozent der gesamten EU-Treibhausgasemissionen aus.
- 20 Prozent aller in der EU erzeugten Lebensmittel (88 Millionen Tonnen) werden jedes Jahr verschwendet, während 43 Millionen EU-Bürger (8,5 Prozent) es sich nicht leisten können sich jeden zweiten Tag eine qualitativ hochwertige Mahlzeit zu kaufen.
Um die oben angesprochenen Probleme zu lösen und den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) gemäß des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden, muss die EU die GAP dringend von grundauf reformieren. Statt der Agrarindustrie Vorteile zuzugestehen, sollten agrarökologische Strukturen und Erzeuger begünstigt werden, die ökologisch nachhaltig wirtschaften.
Agrarwende aus Respekt vor Mensch, Tier und Umwelt
Die über 130 unterzeichnenden Organisationen rufen dazu auf, die GAP auf folgende Ziele auszurichten:
- Ein gerechteres Lebensmittelsystem zu schaffen, welches die regionale Wirtschaft im ländlichen Raum stärkt und welches Erzeugern eine angemessene Entlohnung und akzeptable Arbeitsbedingungen zusichert.
- Ein Lebensmittelsystem, das die Umwelt schützt statt schädigt und das aus landwirtschaftlichen Produktionsweisen besteht, die mit Respekt gegenüber Tier und Mensch arbeiten.
- Mehr Mitspracherecht für die Zivilgesellschaft und die Abwendung vom aktuell unverhältnismäßig hohen Einfluss der Industrie.
Die über 130 unterzeichnenden Organisationen rufen dazu auf, schädlichen Subventionen ein Ende zu setzen und fordern Unterstützung und Anreize für sozial, ökologisch, ökonomisch zukunftsfähig arbeitende Betriebe.
Bild oben: Angler Sattelschweine in Weidehaltung. Die robuste alte Schweinerasse aus Schleswig-Holstein ist seit 2008 Passagier auf der Arche des Geschmacks, einem internationalen Projekt der Stiftung für Biodiversität von Slow Food. | © Stefan Abtmeyer
Quelle: Pressemeldung von Slow Food Deutschland vom 6. März 2017
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