Teichwirtschaft: Nachhaltiger Fischkonsum ist möglich und schmeckt!
Nach einer Begrüßung zur Veranstaltung im Gourmanderie Club Culinaire in Berlin durch Ursula Hudson (Vorsitzende von Slow Food Deutschland e. V.) und Ulrich Frohnmeyer (Koordinationsbüro Geschmackstage Deutschland e. V.) gab Stefan Linzmaier (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Fisch-Kommission Slow Food Deutschland) einen Einblick in die Binnenfischerei. Ramona Oppermann (Geschäftsführerin von Peitzer Edelfisch) berichtete aus der Praxis der Peitzer Teichwirtschaft. Für die anschließende Karpfenverkostung bereitete Max Müller, freischaffender Koch, sechs Karpfen unterschiedlicher Herkunft gleich zu.
Nachhaltigen Fisch zu finden und zu kaufen ist für Verbraucher oftmals keine leichte Aufgabe: Viele Fische, die man im Supermarkt findet, stammen aus überfischten Beständen. Und die verschiedenen Label für nachhaltigen Fischfang sind nicht durchweg transparent. Als Alternative zur Überfischung wilder Arten ist weltweit die Aquakultur auf dem Vormarsch. Diese bietet auf konventioneller Weise aus Slow-Food-Sicht allerdings keine zukunftsfähige Alternative für Fischkonsum, da die Errichtung der Aquakulturen vielerorts traditionelle Ökosysteme zerstört und damit Lebewesen ihren Lebensraum nimmt. Konventionelle Aquakulturen sind mit der Massentierhaltung bei Tieren in der Landwirtschaft vergleichbar: Auch hier finden sich hohe Besatzdichten und der Einsatz von Antibiotika.
Bild oben: Ursula Hudson (re., stehend), Vorsitzende von Slow Food Deutschland, begrüßt die Gäste. | © Sharon Sheets
Karpfen verbindet Genuss und Verantwortung auf ganz natürliche Weise
Trotz vielfältiger Herausforderungen beim Fischkauf ist nachhaltiger Fischkonsum durch lokale Fischarten aus der Binnenfischerei möglich: „Wer nachhaltig Fisch kaufen möchte, liegt mit Karpfen genau richtig. Er gehört zu den wenigen Fischarten, deren Bestand nicht bedroht ist. Und, ganz wichtig für Slow Food, Genuss und Verantwortung treffen beim Karpfen ganz natürlich zusammen“, so Ursula Hudson zur Einführung des Abends. Karpfen ernährt sich im Binnengewässer eigenständig von vorhandenen Pflanzen und ist nicht auf Zufütterung angewiesen. „Problematischer hingegen sind Fische, für deren Fütterung Fischmehl oder ähnliche Futtermittel eingesetzt werden. Das ist so absurd wie es klingt: Fisch wird erzeugt und zu Fischmehl verarbeitet, damit man anderen Fisch züchten kann. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Deswegen sollten wir die unterschätzte Delikatesse Karpfen wieder mehr wertschätzen. Seine Aufzucht ist nicht nur ressourcenschonend sondern durch die nachhaltige Teichwirtschaft werden auch Lebensräume für viele geschützte Arten erhalten“, erläutert Hudson weiter.
Nachhaltige Alternative beim Fischkonsum: Karpfen aus Teichwirtschaft. | © PeitzerEdelfisch/Landkreis Spree-Neiße
Regionale Fischarten wiederentdecken und wertschätzen
Für den Erwerb von Karpfen nehmen Verbraucher am besten Kontakt zu Binnenfischern ihrer Region auf. Städter können einen verlässlichen Fischhändlersuchen, der ihnen etwas über Herkunft und Bezugsquelle der Tiere sagen kann. Bei der Veranstaltung berichtet Stefan Linzmaier über die lange Tradition der Karpfenteichwirtschaft und weist auch darauf hin, dass es weitere nachhaltige Alternativen aus der Binnenfischerei gibt: „Die Karpfenteichwirtschaft hat in vielen Regionen Deutschlands eine lange Tradition. Die Anfänge reichen 1.200 Jahre zurück. Als traditionell extensive Bewirtschaftung ist sie besonders wertvoll für die Landschaft. Die Flachwasserzonen der Karpfenteiche sind häufig Rückzugsgebiete für seltene Pflanzen- und Tierarten. Es gibt aber auch weitere weniger bekannte Fischarten, die nicht auf Zufütterung angewiesen sind und die ebenso ökologisch nachhaltig und regional wertvoll sind. Neben Karpfen gibt es bei vielen Karpfenzüchtern auch eine sekundäre Teichwirtschaft mit unbekannten oder vergessenen Arten, die es nicht mehr auf den Verkaufstisch schaffen, weil sie nicht nachgefragt werden. Zu diesen fast vergessenen traditionellen Fischarten zählen zum Beispiel Schleie und Barsch. Es lohnt sich also beim Händler oder Fischer nachzufragen, welche anderen lokalen Fischarten erhältlich sind, denn damit tut man nicht nur was für die lokale Wirtschaft und den Erhalt lokaler Ökosysteme, sondern auch der Verbraucher hat was davon: Diese regionalen Alternativen sind auf Grund der Regionalität auch zu angemessenen Preisen erhältlich“.
Regionale Vielfalt
Nach einem informativen Teil zum Thema Binnenfischerei und zur Nachhaltigkeit von Karpfen, ging die Veranstaltung über zur Querverkostung sechs verschiedener Karpfenarten: Aufgetischt wurden Karpfen aus der Oberpfalz, aus dem Biosphärenreservat "Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“, aus den Peitzer Teichen im Spreewald, aus dem Biosphärengebiet Schaalsee und aus der Nehmter Teichwirtschaft am Plöner See, Schleswig-Holstein. Die Teilnehmer konnten die regionale Vielfalt schmecken und die Unterschiede der Fische aus den verschiedenen Regionen anhand von Farbe und Konsistenz erleben. Neben einer Querverkostung der sechs Karpfen durften die Teilnehmer auch kreativ zubereitete Karpfen-Kostproben verkosten, darunter zum Beispiel Karpfenfrikadelle.
Im Bild: Querverkostung – Karpfen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands. | © Sharon Sheets
Mehr Informationen zu der Veranstaltung:
Geschmacksseminar: "Man kann unglaublich viel aus Karpfen machen!" (16.11.2017)
Geschmackserlebnis: Karpfen - die unterschätzte Delikatesse (28.10.2017)
Oberpfälzer Teichlandschaft | © Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald
Dossier Aquakultur
"Fische in Seenot - Aquakultur als Ausweg?"
Dossier von Manfred Kriener
im Auftrag von Slow Food Deutschland e. V.
erschienen am 4. Dezember 2014
Dossier als PDF herunterladen:
Fisch in Seenot – Aquakultur als Ausweg?