Weltbienenkongress: Völker hört die Signale!
Das Schlusswort des Südtiroler Bienenspezialisten Andreas Platzer ist anrührend und versöhnlich zugleich. „Die Imkerei ist die Poesie der Landwirtschaft!“ sagt der Referent und blickt seinen Zuhörern im Tagungshotel tief in die Augen. Es wäre ein schönes Fazit für diesen ersten internationalen Weltbienenkongress, der Ende März in Berlin stattfand. Doch leider passen die gänzlich unpoetischen Fakten, die Patzer zuvor präsentiert hat, nicht so richtig zu seinem letzten Satz. Man könnte eher sagen: „Die Imkerei ist das Opfer der Landwirtschaft.“
Unsere Honigbienen und vor allem die rund 500 heimischen Wildbienenarten, zu denen auch die Hummeln gehören, finden auf Äckern und Wiesen keine Nahrung mehr. Sie leiden an Pestiziden und Monokulturen, dazu diverse Schädlinge und obendrauf kommt auch noch die Klimaveränderung. Immer wieder wird bei diesem Weltkongress das multifaktorielle Geschehen betont. Die Botschaft: Es gibt viele Ursachen, alle müssen zusammenarbeiten, um das große Puzzle des Bienensterbens zu enträtseln. Je mehr Ursachen es gibt, desto kleiner wird natürlich die Bedeutung jeder einzelnen Ursache. Also bloß keine emotionalen Schuldzuweisungen gegen singuläre Bienenkiller. Immer das große Ganze im Blick behalten.
Bild oben: Bioland-Imkerin und Slow-Food-Mitglied Kristin Mansmann und eines ihrer Bienenvölker. | © Katharina Heuberger
Slowenien reitet voraus
Zum Glück wirbelt der slowenische Landwirtschaftsminister Dejan Zidan diese Strategie schon bei der Auftakt-Pressekonferenz durcheinander. Sein Land ist eine absolute Bienenhochburg, jeder zweihundertste Slowene hat ein Bienenvolk. Als Reaktion auf den Niedergang der Bienen hat Slowenien die Pestizid-Klasse der besonders bienenschädlichen Neonicotinoide in der Landwirtschaft schon im Jahr 2011 verboten und damit zumindest eine der vielen Ursachen gezielt beseitigt. Zidan glaubt den Angaben der Hersteller nicht mehr: „Sie sagen, die Toxizität ist niedrig, es gibt aber unbekannte Kombinationswirkungen mit anderen Mitteln; sie sagen auch, die Mittel würden schnell zerfallen, aber die Zerfallsprodukte sind genauso gefährlich.“ Auch die Sperma-Qualität der Bienenmänner werde von den Giften beeinflusst und die Lebensdauer der Drohnen sei wegen der Ackergifte reduziert.
"Wir brauchen die Bienen!"
Sein deutscher Amtskollege, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), bewegt sich ungern auf solch brisantem Terrain. Er stellt lieber den wirtschaftlichen Nutzen der Bienen in den Mittelpunkt. 80 Prozent aller Pflanzen seien auf die Bestäubung von Bienen und anderen Insekten angewiesen, jeder dritte Löffel Nahrung, den wir essen, sei bienenabhängig. Der Wert dieser Bestäubungsleistung werde für Europa auf 22 Milliarden Euro im Jahr geschätzt. „Wir brauchen die Bienen und die Bienen brauchen uns!“ resümiert Schmidt, der als Mitinitiator der Konferenz immer wieder gelobt wird. Doch zugleich muss er sich vom schwäbischen Imkermeister Thomas Radetzki zu Recht fragen lassen, warum eigentlich die Biolandwirtschaft auf dieser Konferenz überhaupt kein Thema sei. Radetzki: „Wir haben in der konventionellen Landwirtschaft gravierende Artenverluste im Pflanzen- und Tierreich, wir brauchen eine Umsteuerung auf ökologische Produktion.“ Immerhin: Schmidt bekennt sich zum Bienenschutz: „Wir müssen dieses kleine Tier ernst nehmen, es ist eines der wichtigsten Lebewesen auf der Welt.“
Bild oben: Biene bei der Arbeit auf einer Borretschblüte. | © Katharina Heuberger
Bio-Landwirtschaft findet nicht statt
Diesem wichtigen Lebewesen geht es denkbar schlecht. Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbunds, beziffert die Winterverluste dieses Jahres auf 140.000 Völker. Von den 700.000 Bienenvölkern, die zuletzt in Deutschland gezählt wurden, seien 20 Prozent in diesem Winter verendet. In den besten Zeiten der Imkerei lebten in Deutschland drei Millionen Völker. Wichtigste Ursache des Niedergangs ist für Maske der Nahrungsmangel. In der ausgeräumten Agrarwüste fänden die Bienen einfach keine Nahrung mehr.
Tatsächlich benötigt die Biene für eine ausgewogene Ernährung sieben verschiedene Pollen von sieben verschiedenen Pflanzen. Umzingelt von Rapsfeldern, findet sie, wenn überhaupt, aber immer nur dasselbe Futter. „Wenn ich mit meinen Bienen in den Raps wandere, das ist als würde ich einen Menschen vier Wochen bei McDonalds einsperren“, sagt der Bienenhalter und Buchautor Karsten Münstedt mit Blick auf die komplett einseitige Rapsernährung. Münstedt verfolgt einen interessanten Ansatz: Anstatt immer nur zu fragen, was die Bienen in diesem Viel-Fronten-Krieg umbringt, will er die Gesundheitsforschung verstärken: Was tut unseren Bienen gut, was können wir tun, um ihr Leben zu verbessern? Münstedt fordert weitgehende Standorttreue und kritisiert das häufige Wandern der Imker, das die Bienen zusätzlich stresse. Und er lehnt die Reinzucht innerhalb der Bienenfamilien ab. Bienenköniginnen seien hochpromiske Wesen, sie wollen sich mit vielen Männchen paaren, um unterschiedliches Erbgut einzusammeln. Diese Multi-Kulti-Strategie werde mit der heute dominierenden Reinzucht unterlaufen.
Der Wissenschaftler und Bienenkundler Klaus Wallner hat schon als Sechsjähriger seine ersten Bienen gehalten. Mit klinischer Präzision seziert er die heutige Agrarlandschaft und ihre Folgen für die Bienen. 71 Prozent der Flächen seien Getreide-, Mais- und Rapsanbau – das bietet den Bienen fast nichts. 28 Prozent seien Dauergrünland, auf dem man kaum noch etwas Blühendes finde. Den Muttertagstrauß von der bunten Wiese könnten die Kinder nur in ganz wenigen Regionen Deutschlands noch pflücken.
Die von der Silage abgelöste Heubewirtschaftung habe über Jahrzehnte eine reiche Artenvielfalt mit entsprechenden Pflanzengesellschaften garantiert. Heute vergrase die Landschaft, sie sei größtenteils komplett blütenfrei. Durch Zufütterung der Imker könne die Honiugbiene dieses Aushungern noch überleben, doch die Wildbienen und Hummeln hätten keine Chance. Ob Schneckenhaus-Mauerbiene, Zaunrüben-Sandbiene oder Gartenwollbiene: der Daumen zeigt nach unten, mit der Pflanzenvielfalt verschwindet auch die Bienenvielfalt.
Bild oben: Ackerhummel an einer Rapsblüte im April. | © Katharina Heuberger
Landflucht von Bienen und Imkern
Zugleich flüchten Imker und Bienen immer öfter in die Stadt. Verkehrte Welt: Mitten in den Zentren, im lärmenden Häuser- und Straßenmeer, fernab von den Segnungen der Landluft, finden die Bienen in Gärten, Parks und Friedhöfen oder im schlichten Straßenbegleitgrün mehr Nahrung und mehr biologische Vielfalt als in den Monokulturwüsten der Agrarindustrie.
Wie soll es weitergehen? Immer wieder werden Wissenschaft und Forschung beschworen, die vor allem gegen Bienenkrankheiten und -schädlinge helfen sollen. Auch andere Spritztechniken könnten helfen. So wird auf Versuchsflächen getestet, wie man die Pestizide nicht von oben, sondern mit Spezialdüsen nur im unteren Bereich der Pflanzen versprüht, damit die Blüten, auf denen sich die Bienen niederlassen, nicht mit dem Gift benetzt werden. Außerdem müssten Heumilchbetriebe stärker unterstützt werden, fordert Bienenkundler Wallner. Mehr Ökolandbau und das Anlegen von Blühstreifen stehen ebenfalls in seinem Forderungskatalog. Doch die Blühstreifen können manchmal zur Todesfalle werden. Andreas Platzer berichtet, dass auch in den besonders pestizidreichen Apfelplantagen Südtirols bienenfreundliche Blühstreifen angelegt wurden. Mit teilweise katastrophalen Folgen: „Erst locken wir die Bienen damit an und dann hauen wir ihnen die Pestizide auf die Rübe!“
Bienenpräsident Peter Maske versucht trotz allem optimistisch zu bleiben: „Alle leisten gute Arbeit und suchen nach Lösungen“. Alle – damit meint er Behörden, Institute, Politiker und Imker. Doch mit dem Verschmieren von reichlich Honig ums Maul der Akteure wird man den Bienen nicht helfen können. Die Forderung nach einer anderen Landwirtschaft nimmt Maske lieber nicht in den Mund. Und doch ist sie unausgesprochen immer präsent auf diesem ersten Weltbienenkongress. Die meisten Teilnehmer wissen: Mit Agrobusiness as usual, mit reichlich chemischer Keule, EU-Einheitswiese und Monokulturen bis zum Horizont ist kein Staat zu machen, vor allem kein Bienenstaat.
Bild oben: "Zugereiste" Bienenvölker der Chiemgauer Bio-Imkerei Barthuber im Münchener Stadtzentrum neben der S-Bahnstation Donnersberger Brücke. Sie "arbeiten" während der Lindenblüte in der Großstadt. | © Katharina Heuberger
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