Artgerechte Haltung dient Mensch, Tier und Umwelt
Die 25 Teilnehmenden der Akademie lernten an diesem Wochenende Fleisch- und Milcherzeugnisse aus konventioneller und ökologischer Tierhaltung sowie deren industrielle und handwerkliche Verarbeitungsmethoden zu verstehen und zu unterscheiden. Es ging um Zucht- und Haltungsformen sowie um den Schutz der biologischen Vielfalt durch zukunftsfähige Tierhaltung und angemessenen Konsum. Für das Thema „Tierwohl“ fanden die Akademieteilnehmenden einen besonders geeigneten Ort: Die Stiftung Haus der Bauern in Kirchberg an der Jagst, welche von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) ins Leben gerufen wurde. Die BESH wurde Anfang der 1980er Jahre gegründet, um die damals letzten sieben Säue und einen Eber der Rasse „Schwäbisch-Hällisches Landschwein“ zu retten. Ihr Einsatz war erfolgreich: Heute blicken sie auf 350 Herdbuchsäue und 3.500 Muttersäue, die jährlich rund 70.000 Ferkel werfen. Die BESH ist zu einer starken Gemeinschaft herangewachsen, die aus rund 1.500 Bauernhöfen besteht. Durch die Besichtigungen der Dorfkäserei Geifertshofen sowie des Schlachthofes und der Wurstmanufaktur der BESH, erlangten die Teilnehmenden ein grundlegendes Produkt- und Warenverständnis für qualitativ hochwertige tierische Erzeugnisse. Sie packten mit an und erfuhren die Unterschiede in Geschmack und Qualität.
Billig ist nur scheinbar billig!
Den Einstieg in das Thema verdankten die jungen Erwachsenen Anita Idel. Die Tierärztin, Agrarexpertin und Mediatorin ist Autorin des Buchs „Die Kuh ist kein Klimakiller! - Bedeutung nachhaltiger Beweidung für Bodenfruchtbarkeit und biologische Vielfalt“, welches inzwischen in der sechsten Auflage erschienen ist. Sie stellte die Zusammenhänge zwischen Tierhaltung und biokultureller Vielfalt her. Und erklärte, dass nicht die Rinder per se unser Klima gefährden, sondern ihre industrielle Haltung. Denn in der Tat entweiche in der Rinderhaltung Methan, welches 25 Mal klimaschädlicher als Kohlendioxid ist. Das aber dürfe nicht von dem weitaus verheerenderen Klimaschädling, dem Lachgas ablenken. Dies wird durch Kunstdünger freigesetzt; Klimaforscher stufen es als 296 Mal so gefährlich wie Kohlendioxid ein. 100 Tonnen Dünger setzen ein bis drei Tonnen Lachgas frei, sobald sie über den Feldern ausgebreitet werden. Idel wies deutlich darauf hin, dass die Kosten, welche durch industrielle Massentierhaltung entstehen, sich in keinster Weise im Preis der Produkte widerspiegeln. Nicht einkalkuliert und berechnet sei das dramatische Sterben kleiner und mittlerer Höfe und Handwerksbetriebe, krankmachende Zuchtziele und Haltungssysteme unter Einsatz von Antibiotika, der Verlust von Bodenfruchtbarkeit und biologischer Vielfalt sowie Schäden durch Pestizid- und Nitratbelastung von Böden und Gewässern bis hin zum voranschreitenden Klimawandel. Ganz zu schweigen von der Produktqualität, von der man bei industriell hergestellten Erzeugnissen ganz weit entfernt sei, so Idel. Billig ist also nur scheinbar billig!
Sorgfalt schmeckt man heraus!
Das Wochenende nutzen die Teilnehmenden für eine kleine Reise entlang der Wertschöpfungskette, unter anderem am Beispiel Schwein: Sie besuchten die Tiere auf der Weide, besichtigten den Schlachthof und stellten in der Wurstmanufaktur selber ihre Würstchen für das abendliche Grillen her. Auch in die Milch stiegen sie tiefer ein. Sie besichtigten die Dorfkäserei Geifertshofen, wo sie eine Käseverkostung sowie eine Diskussion mit Ton Baars, Wissenschaftler für Milchqualität und Tierwohl am schweizerischen Forschungsinstitut für Biologische Landbau in Frick, zur Rohmilch erwartete. Es war für den Nachwuchs besonders spannend zu hören, dass die gesundheitsfördernde Wirkung des Rohmilchkonsums bei Asthma und allergischen Erkrankungen grundsätzlich bereits nachgewiesen ist. Während diese Tatsache in der öffentlichen Diskussion fast immer zu kurz kommt, werden die Risiken des Rohmilchkonsums betont. Letztere sind nicht von der Hand zu weisen, ließen sich aber durch praktikable und damit erschwingliche Untersuchungsmöglichkeiten - auch für klein- bis mittelständische Milcherzeugerbetriebe – reduzieren. Letztlich, so Baars, haben die Milchbauern ein ebenso großes Interesse an einem Höchstmaß an Sicherheit, wie die Konsumenten. Baars erklärte den Akademieteilnehmenden, dass bei Milch die Haltungsform der Tiere einen enorm wichtigen Einfluss auf die Qualität habe. Auch die Sorgfalt des Landwirten während des Melkens und bei der Lagerung der Milch sowie das Tempo ihrer Weiterverarbeitung lasse sich herausschmecken.
Und aus guter Milch lässt sich leckeres Stracciatellaeis herstellen – das probierten die jungen Frauen und Männer bei heißem Wetter in der Moo-Manufaktur aus. Die Manufaktur wurde von Nina und Klaus Sohl gegründet. Die beiden sind seit 1998 freiberufliche Filmemacher und entdeckten mit der Eisherstellung eine weitere Art von Kunst: leckeres Heumilcheis. Seit dem Frühjahr 2018 sind sie bio- und demeter-zertifiziert und verarbeiten die feinsten regionalen Biozutaten: allen voran schmackhafte Heumilch, die von glücklichen, artgerecht gehaltenen Kühen mit Hörnern kommt. Ihre Milchbauern bekommen einen fairen Milchpreis. Damit fand das Wochenende ein geschmackvolles Ende!
Bilder © Slow Food Archiv