Bundesregierung muss Konzernmacht in der digitalen Welt beschränken
Wer die digitale soziale Infrastruktur kontrolliert, setzt heute die Informations- und Kommunikationsstandards im privaten und öffentlichen Raum. Zudem ist damit Zugang zu umfangreichen Daten verbunden, die einen hohen ökonomischen Wert haben und die Basis
von selbstlernenden Algorithmen bilden. Diese Macht und dieses Wissen sollten aus demokratischer Perspektive nicht in den Händen weniger Konzerne liegen. Doch die digitale Ökonomie wird bereits heute im Wesentlichen von Alphabet (Google), Amazon, Facebook, Apple und Microsoft dominiert. Google beherrscht beispielsweise 90 Prozent des Suchmaschinenmarkts und Facebook hält mehr als 90 Prozent der Nutzeranteile.
Die Monopolbildung wird einerseits durch Netzwerkeffekte befördert, das heißt je mehr
Nutzer*innen ein Dienst hat, desto attraktiver wird er für weitere Kund*innen. Andererseits
sind die Internetkonzerne durch Fusionen und Übernahmen gewachsen, die von
Kartellbehörden genehmigt wurden. Monopole sind weder in Deutschland noch in Europa
verboten. „Die Bundesregierung muss durch Gesetzesänderungen die Monopolbildung
verhindern und die Marktmacht von Konzernen beschränken“, fordert Lena Michelsen,
Referentin beim entwicklungspolitischen INKOTA-netzwerk. Hätten die Kartellbehörden in
Europa größere Befugnisse, könnten sie der Marktkonzentration innerhalb ihres
Einflussbereiches etwas entgegensetzen.
Folgen für Datenschutz bei Fusionskontrolle stärker prüfen
Das Bundesverfassungsgericht hat in verschiedenen Urteilen das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung anerkannt und gestärkt. Doch der Datenschutz droht im großen digitalen
Geschäft dennoch auf der Strecke zu bleiben. Datenschutzbeauftragte beklagen, dass
wirksame Garantien gegen eine Erosion des Datenschutzes im Zuge von Fusionen fehlen.
So untersuchen Kartellbehörden bislang nicht, ob die Zusammenführung der Daten dem
gesetzlich verankerten Datenschutz zuwiderläuft. „Bei Übernahmen von Unternehmen,
insbesondere mit datenschutzfreundlichen Geschäftsmodellen, müssen die Folgen für den
Datenschutz mit geprüft werden“, erklärt Thomas Dürmeier, Geschäftsführer von
Goliathwatch. Das Bundeskartellamt sollte bei Fusionen mit Big Data-Bezug eine
Stellungnahme der Datenschutzbehörden einholen und angemessen berücksichtigen
müssen.
Landwirtschaft 4.0 kann (klein-)bäuerliche Betriebe gefährden
Während die Gefahren der Marktkonzentration bei Internetkonzernen intensiv diskutiert
werden, ist dies im Agrarsektor kaum der Fall. Dabei weist dieser bereits heute eine hohe
Konzentration auf und die Digitalisierung schreitet auch dort voran: Die drei größten
Konzerne kontrollieren rund 60 Prozent des globalen Saatgut- und Agrarchemiemarktes.
„Die Digitalisierung der Landwirtschaft gefährdet die Lebensgrundlagen vieler Kleinbauern
und Kleinbäuerinnen in Entwicklungsländern, aber auch der bäuerlichen Betriebe im
Norden“, erklärt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam. Für kapitalschwache bäuerliche Betriebe, erst recht im Globalen Süden, lohnen sich die teuren Maschinen in der Landbewirtschaftung nicht. „Aus ‚wachse oder
weiche‘ wird ‚digitalisiere oder weiche‘“, warnt Wiggerthale. Der Weg zu einer großflächigen
und industrialisierten Landwirtschaft wird zementiert, Umweltprobleme bleiben strukturell
ungelöst.
Zum >> Diskussionspapier "Konzernmacht in der digitalen Welt".
Die Initiative „Konzernmacht beschränken“
Die Initiative „Konzernmacht beschränken“ ist ein breites Bündnis von 28 Umwelt-,
Landwirtschafts-, und Entwicklungsorganisationen. Ihre Forderung an die Bundesregierung:
Das Kartellrecht verschärfen, um die Marktmacht von Konzernen zu begrenzen.
„Konzernmacht beschränken“ wird getragen von: Agrar Koordination, Aktion Agrar,
Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft,
BUKO Pharma-Kampagne, Bund für Umwelt und Naturschutz, Chaos-Computer-Club,
Deutscher Naturschutzring, Deutsche Umwelthilfe, Die Freien Bäcker, Digitalcourage,
Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen, Finance Watch, Forum Fairer Handel, Forum
Umwelt & Entwicklung, Germanwatch, Global Policy Forum, Goliathwatch, INKOTAnetzwerk, Oxfam, PAN Germany, PROVIEH, Save Our Seeds, Seeds Action Network, Slow
Food, Umweltinstitut München, Weltladen-Dachverband, Werkstatt für Ökonomie.
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung des NGO-Bündnis „Konzernmacht beschränken“