Der Berliner BIOSpitzenkoch Ottmar Pohl-Hoffbauer ist neues Mitglied der Chef Alliance
Der Berliner BIOSpitzenkoch Ottmar Pohl-Hoffbauer im Interview
Slow Food Deutschland: Wie gelingt es Ihnen, als Küchenchef inmitten Berlins dem Anspruch nach frischen, regionalen Lebensmitteln nachzukommen?
Ottmar Pohl-Hoffbauer: Den persönlichen Kontakt zu den Erzeugern zu pflegen ist das A und O, um mit qualitativ hochwertigen Erzeugnissen arbeiten zu können, egal ob auf dem Land oder in der Stadt. Es wundert mich daher nicht, dass der direkte Austausch mit den Menschen, die unsere Lebensmittel anbauen und produzieren eines der Voraussetzungen ist, um als Koch in das Chef-Alliance-Netzwerk aufgenommen zu werden. Ich bin mit meiner Familie sehr viel in Brandenburg unterwegs und schaue mir bei der Gelegenheit immer wieder Höfe an, lerne die Landwirte kennen und mache mir ein Bild davon, wie sie wirtschaften und ihre Tiere halten. Die Bauern und Lebensmittelhandwerker haben untereinander ein relativ enges Netzwerk und verweisen aufeinander. Das ist wirklich faszinierend und hilft mir sehr weiter. Ich ziehe quasi mit ihren Tipps von Hof zu Hof und es macht mir Spaß mich auf diese Entdeckungsreise zu begeben. So bin ich auf Menschen wie David Peacock vom Erdhof Seewalde, sein Angler Rotvieh sowie die tolle Milch seiner Kühe gestoßen, oder auf Gut Hirschaue, wo das Märkische Sattelschwein zuhause ist. Zu den Erzeugern der Region halte ich mich außerdem mithilfe der Produzentenliste der Markthalle Neun auf dem Laufenden. Darüber weiß ich vom Bamberger Hörnla und kenne die Bauern, die diesen Arche-Passagier auch hier in der Region anbauen. Dort kaufe ich sie. Ich möchte, dass diese Produkte, die zu wenig bekannt sind oder zu gering wertgeschätzt werden, aber großartig schmecken, auf dem Markt bleiben.
Sie haben die Arche-Passagiere gerade erwähnt. Haben Sie darunter einen Favoriten?
Wenn ich mich jetzt spontan für einen entscheide, dann ist es das Angler Rotvieh. Dessen Aufzucht und Fleischqualität machen es zu einem herausragenden Stück Fleisch. Und ich persönlich weiß es zu schätzen, dass es Landwirte gibt, die es trotz aller Widrigkeiten großziehen.
Stichwort Wertschätzung: Erkennen Ihre Gäste Ihr Engagement für gute, regionale und saisonale Lebensmittel an?
Glücklicherweise spüre auch ich als Koch, dass inzwischen eine gewisse Sensibilisierung unter den Verbrauchern für das Thema gute Lebensmittel stattgefunden hat. Und ich meine hier ‚gut‘ im ganzheitlichen Sinne für Mensch, Tier, Umwelt und Genuss. Insbesondere auf meine Frühstücks-Gäste trifft das zu. Wir haben inzwischen relativ viele Stammgäste, die deswegen regelmäßig wiederkommen. Wir bieten ihnen einen Tagesstart mit 100 Prozent regional-biologischen Produkten. Das, so kann ich guten Gewissens behaupten, wird in Berlin nicht so oft konsequent umgesetzt. Meistens findet sich bei Frühstücksangeboten oder Buffets eine eher kleine ‚traurige‘ Bio-Ecke. Trotz unseres Frühstückbuffets gehen wir sehr individuell auf die Wünsche unserer Gäste ein. Auch unter den Lunch- und Abendgästen sind viele, die wissen wollen, woher die Zutaten ihres Gerichtes stammen und wer sie erzeugt hat. Sie kommen genau deshalb her, weil sie sich aufklären lassen wollen und das nicht als Belehrung verstehen. Aber klar, machen wir uns nichts vor, es gibt genauso gut Gäste, die genau das nicht wissen wollen, bei denen keinerlei Bewusstsein für Lebensmittel dar ist.
Wie schaffen sie es, als Gastronom möglichst bewusst mit dem gesellschaftlichen Hunger nach Fleisch umzugehen?
Vor allem, indem ich nicht viele Fleischgerichte auf der Karte habe. Und natürlich bemühe ich mich auch um darum, möglichst viel vom Tier zu verarbeiten. Und es ist Fleisch von Landwirten, von denen ich weiß, dass sie ihren Tieren Zeit geben, um heranzuwachsen, die vertrauensvoll mit ihren Schlachtern zusammenarbeiten und faire, angemessene Preise für ihr Fleisch bekommen. Ein wohl überlegter und überhaupt stark reduzierter Fleischkonsum zählt für mich zu den Grundvoraussetzungen einer ökologischen Ernährung. Und was die Preise angeht, so sagen die Bauern, die Tiere halten, dass es fürs nächste Jahr ziemlich eng werden wird, diese zu halten. Denn aufgrund der Dürre in diesem Sommer, fehlt es an Futter. Es wäre wünschenswert, wenn das grundsätzlich eine Debatte über unsere Lebensmittelpreise nach sich ziehen würde. Das bleibt wohl abzuwarten. Denn die Industrieriesen wissen die Preise ihrer Erzeuger sicherlich weiter zu drücken. Privat genieße ich Fleisch auch nur selten, einmal die Woche ist schon viel.
Ein weiteres sehr wichtiges Kriterium der Chef Alliance ist es, Lebensmittelabfälle stark zu reduzieren. Wie gelingt Ihnen das?
Das Thema liegt mir persönlich ganz besonders am Herzen und treibt mich um, seit ich im Catering gearbeitet habe. Das ist schon mehr als zehn Jahre her. Damals wurde ich Zeuge davon, wie unfassbar viel Lebensmittel wir allein im Gastronomiebereich wegschmeißen. Mein erschreckendstes Erlebnis hatte ich in Nordafrika. Ich habe damals die Veranstaltung eines großen deutschen Unternehmens begleitet und am Ende des Abends warfen wir ganze Gitterwägen an Essen weg. Es hieß, das sei logistisch nicht anders machbar. Mir stockte der Atem. Denn keine zehn Minuten von unserem Veranstaltungsort entfernt lebten die Menschen in ärmlichen Verhältnissen. Für mich blieb es unverständlich. Ich nehme an, dass es weniger an der Logistik als vielmehr am mangelnden Interesse lag. Bei uns im Restaurant produzieren wir so gut wie keine Lebensmittelabfälle. Hilfreich ist dafür sicherlich, dass ich weder Abends noch für Tagungen Buffets anbiete. Das spart an Abfällen ein. Wir kochen frisch und wenn etwas übrig bleibt, kann ich es am nächsten Tag anderweitig verarbeiten oder einmachen. Ich schreibe unsere Karte jeden Tag neu und gehe entsprechend auf die Bedarfslage ein. Wenn man teure, besser gesagt vermeintlich teure Lebensmittel hat und weiß, wo sie herkommen, sollte man sie auch mit einer gewissen Sorgfalt bearbeiten.
Sie erwähnten bereits ihren reduzierten Fleischkonsum zuhause. Wie setzen Sie das ‚gut, sauber und fair‘ im Slow-Food-Sinne darüber hinaus um?
Ich finde das offen gesagt keine Kunst. Man muss ‚nur‘ dazu bereit sein, dem Lebensmittel und dessen Erzeugern sowie seiner täglichen Ernährung die notwendige Aufmerksamkeit, Zeit und Geduld entgegenzubringen. Ich erledige meine Einkäufe zu Fuß oder mit dem Fahrrad und ich kaufe immer frisch für den Tag ein. Wenn ich sehe, wie einige sich Samstags auf ihren Wocheneinkauf stürzen und am Donnerstag der neuen Woche ein Drittel davon in die Tonne kloppen, wird mir wirklich anders. Vielen fehlt das Gespür dafür, welche Menge an Lebensmitteln sie brauchen, was sie kochen wollen und vor allem, wie man die Produkte frisch hält. Was Köche angeht, die sich in Netzwerken wie dem der Chef Alliance zusammenschließen, so glaube ich, dass wir nur dann glaubhaft und authentisch sein können, wenn wir diese Prinzipien auch privat leben. Ich kann doch beispielsweise meinen Gästen nur dann mit Begeisterung von den zwölf Milchkühen meines Milchbauerns erzählen, wenn ich selber mit Leidenschaft dabei bin. Ich bekomme die Milch vom Erdhof Seewalde. Dort habe ich die Gewissheit, dass ich in einer Flasche die Milch von nur zwölf Milchkühen habe. Eine solche Milch kann sogar bei Laktoseunverträglichkeit bekömmlich sein, denn die Tiere werden ihren Bedürfnissen gemäß aufgezogen, anstatt mit Kraftfutter und unter Stress auf Leistung getrimmt. Das ist doch großartig und muss unterstützt werden! Die Tiere leben in Mutterkuhhaltung. Gemolken wird nur Abends und zwei Mal im Jahr gibt es dort keine Milch, weil sie in dieser Zeit den Kälbern zusteht. Solange steige ich auf Büffelmilch von Bobalis oder Schafmilch von Pimpinelle um. Im normalen Frühstücksgeschäft nehme ich allesdings ‚nur‘ die Heumilch von der Gläsernen Molkerei.
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