Gemeinschaftsverpflegung: Bio in der Kita muss nicht teuer sein

31.5.2018 – Bio ist im Trend. Immer mehr Verbraucher wollen auch in Kantinen und Mensen Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung essen, am liebsten aus der Region. Doch wie können Catering-Unternehmen Bio-Essen zu sozial verträglichen Preisen anbieten? Slow Food Bonn interessierte diese Frage und veranstaltete am 17. Mai einen Vortragsabend mit Diskussion und Mitbring-Buffet. Von Jenny Schroth und David Stübner, Slow Food Bonn.
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Als Antwort auf die Frage "Bio für die Kita – geht das?" lieferte Jens Witt, Sprecher der Slow Food Chef Alliance Deutschland, ein wirtschaftlich erfolgreiches Beispiel. Er ist Inhaber des Hamburger Bio-Catering-Unternehmens „Wackelpeter“ und bietet seit 25 Jahren Bio-Essen in hundert Prozent Öko-Qualität für Kinder an. Dabei produzieren er und seine 28 Mitarbeitenden ca. 3.000 Essen täglich zu einem Preis von max. 3,10 Euro pro Gericht mit Fleisch. Mindestens 60 Prozent seiner Lebensmittel stammen aus der Region.

Die Veranstaltung wurde von Slow Food Bonn organisiert und von der Bonner Ernährungsrat-Initiative unterstützt. Die Aktionsgruppe möchte lokale Ernährungsstrukturen in Bonn ändern. Ein wichtiges Ziel: eine regionale Gemeinschaftsverpflegung, die zukünftig mehr regionale und biologisch produzierte Lebensmittel verwendet.

„Es geht nicht nur um Bio, sondern auch um die Einsparung von Ressourcen“, sagte Jens Witt gleich zu Beginn der Veranstaltung. Regionales Bio ist für ihn eine logische Konsequenz auf dem Weg zu geringeren Emissionen für Transporte, fruchtbareren Böden und Sortenvielfalt, die man schmecken kann. Anfangs müssten dafür Umwege gegangen werden. „Ohne die Liebe zum Produkt geht nun mal nichts“. Am Ende muss aber auch der Preis stimmen. Wie schafft er es, ökologisches Essen für sozial verträgliche Preise von 2,45 Euro ohne bzw. 3,10 Euro mit Fleisch anzubieten?

Mehr Lebensmittelbündnisse, weniger Bio-Großhandel

Gib deinem Bauern die Hand! Direkte Kontakte schaffen Verlässlichkeit und Vertrauen und dadurch Kontinuität. Das kann auch die anwesende Landwirtin Renate Bursch vom ca. 45 Hektar-großen Biohof Bursch für Ihre Kooperationen bestätigen. Jens Witt arbeitet mittlerweile mit über 30 Lieferanten regelmäßig zusammen. Der persönliche Kontakt ermöglicht stabile Preise für qualitativ hochwertige Waren. Außerdem lassen sich individuelle Lösungen finden und langfristig Strukturen in der Region verändern. So kommen Witts geschälte Kartoffeln nicht vom Großhandel, sondern er etablierte etwas, was er ´Lebensmittelbündnis` nennt. Gemeinsam mit Gunnar Söth vom Biolandbetrieb in Husum organisierte er die Belieferung mit Schälkartoffeln. Die für diesen Schritt notwendige Schäleinrichtung sichert dem Landwirt z.B. auch den Absatz von Kartoffeln, die sich nur schwer vermarkten lassen. Das hilft an dieser Stelle auch Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Gleichzeitig sind feste Arbeitsplätze entstanden. Bei einem Verbrauch von ca. 1,3 Tonnen Schälkartoffeln pro Woche lohnt sich dieser Schritt für beide Seiten. Die Region wird wirtschaftlich gestärkt und die Kartoffeln haben eine klare lokale Herkunft. Man schafft mit anderen zusammen einen Markt.

„Verwerten, was da ist“

Die Natur richtet sich nicht nach Bestelllisten. Wer nicht in Monokulturen anbaut, kann nicht jede Woche 80kg Äpfel liefern und schon gar nicht nur süß-saure mit Biss. Ein handwerklich geführter Käsehof mit artgerechter Tierhaltung hat vielleicht nur Milch für zehn Laibe Käse. Gleichzeitig müssen jedoch Caterer bei mehreren Tausend Essen täglich sicher planen können. Jens Witt tauscht sich daher regelmäßig mit seinen Lieferanten über lieferbare Bezugsmengen aus. Er weiß, warum es nicht immer alle Lebensmittel geben kann. Gleichzeitig wissen seine Landwirte, wie in einer Großküche produziert wird. Jens Witt ´bestellt` oft nicht im klassischen Sinne, vielmehr nimmt er auch häufig das ab, was da ist – beispielsweise Fallobst oder ganze Hähnchen inklusive Innereien. Was davon nicht in die Kinderküche passt, wie etwa die Innereien, wird beispielsweise an das Restaurant „Herz und Niere“ in Berlin weitergegeben, da dort im Sinne von „nose-to-tail“ das ganze Tier verwertet wird. Das senkt nicht nur den Einkaufspreis, sondern schließt auch Nahrungskreisläufe.

Mehr Geschmack, weniger tierische Produkte

Etwa 75.000 Eier benötigt das Unternehmen „Wackelpeter“ im Jahr. Gemeinsam mit Sebastian Seelig von Wendlandgefügel setzt er sich für das stark bedrohte „Deutsche Lachshuhn“ als Zweinutzungshuhn ein. Das soll anders als die Hybridsorten sowohl Eier als auch Fleisch liefern. Gleichzeitig müssen keine männlichen Küken mehr getötet werden. Statt durchschnittlich 31 Cent zahlt er nun 55 Cent für ein Ei. Das verursacht im Jahr ca. 18.000 Euro Mehrkosten.

„Kostet ein Ei das Doppelte, kochst du am besten nur mit halb so vielen Eiern.“ - Jens Witt bietet viele vegetarische und vegane Speisen an, was für ihn weniger ideologische als ernährungs-physiologische Beweggründe hat. Der studierte Ökotrophologe sieht ernährungsphysiologisch keine Notwendigkeit, täglich tierische Produkte zu essen. Insbesondere Käse, Eier und Fleisch sind aufwändig produzierte Güter. Sie weniger zu essen, reduziert Preise, schont die Umwelt und erhöht den Geschmack. Reifezeit ist Geschmacksbildung. Und das geschmackliche Urteil seiner kleinen Kundinnen und Kunden ist ihm wichtig: „Essen, was nicht schmeckt, braucht kein Mensch – auch wenn es 200% bio, regional und menschenfreundlich ist.“

Rafael Platzbecker, Zweiter Vorsitzender des Arbeitskreises Gemeinschaftsverpflegung Köln e.V. und wirtschaftlicher Leiter der Mensa der Landesfinanzschule NRW, bedankte sich für die vorgetragenen Anregungen. In Gemeinschaftsverpflegungen des öffentlichen Dienstes ist die direkte Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten und Caterern zwar durch das Ausschreibungsrecht nur eingeschränkt möglich. Allerdings können Bestellmengen in kleine „Lose“ aufgeteilt werden. Statt Großlieferanten können sich dann auch kleinere Lieferanten bzw. Caterer bewerben. Außerdem ist es möglich, Zeiten für Lieferwege zu begrenzen und Bio-Quoten in die Ausschreibung aufzunehmen. Zum Schluss merkte Bianca Zepp von der Kindertagesstätte Pech in Bonn an: „Jetzt brauchen wir nur noch einen Wackelpeter in Bonn, die Nachfrage hätte ich sofort.“

Bild oben: „Es kommt nicht immer zur Verbrüderung, aber es geht um Menschen und darum, einander zu kennen, Probleme zu teilen und gemeinsam zu lösen", sagt Bio-Caterer Jens Witt. | © Jens Witt

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Lebensmittel müssen Spaß machen – daher gab es ein Mitbringbuffet. | © Thomas Grossmann

Weitere Informationen:

Wackelpeter – Ökologisches Essen für Kinder (Website von Jens Witt)

Bonn im Wandel: potentielle Lieferanten in Bonn

Bonner Ernährungsrat-Initiative

oekolandbau.de: Kampagne "Bio kann jeder - nachhaltig essen in Kita und Schule"

Slow Food vor Ort: Convivium Bonn

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