Gerechter Welthandel: Drei Fragen an Tobias Reichert von Germanwatch
Gerechter Welthandel: 3 Fragen an Tobias Reichert
Herr Reichert, warum engagieren Sie sich für eine Organisation wie Germanwatch und damit für einen gerechteren Welthandel?
Globale Gerechtigkeit hat mich schon als Jugendlicher beschäftigt. Ich hatte früh das Gefühl, dass der Welthandel, so wie er zwischen Nord und Süd betrieben wird, Ursache für wichtige Probleme ist, und er anders gestaltet werden muss, um Armut zu bekämpfen, Umweltschutz effektiv zu betreiben. Ich habe mich in dieser Zeit ehrenamtlich im Dritteweltladen engagiert, die damals noch so hießen. Da habe ich tiefere Einblicke gewonnen.
Studiert habe ich Volkswirtschaftslehre und mich da weiter mit dem Thema Welthandel auseinandergesetzt – solange, bis ich begann, damit mein Gehalt zu verdienen. Die Arbeit für verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und jetzt Germanwatch gibt mir die Chance, beruflich anzuknüpfen, wo ich ehrenamtlich schon lange unterwegs war. Die Organisation verfolgt einen Ansatz für notwendige Veränderungen in der Politik von Industriestaaten, die meiner Problemanalyse sehr nahe kommt. Das macht mir Spaß und gibt mir Zuversicht.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Schwächen aktueller Handelsbeziehungen?
Die liegen vor allem darin, dass das globale Handelsregime schon länger, vor allem aber in den letzten Jahrzehnten, ärmeren Ländern nur wenige Möglichkeiten gibt, Wirtschaftszweige, die für ihre Entwicklung sowie die Armutsbekämpfung wichtig sind, gezielt zu stützen. Das betrifft den Schutz vor preiswerteren Importen aus produktiveren Ländern, bei verarbeiteten Produkten ebenso wie für den Agrarbereich. Es fehlt an einer sozial und ökologisch verträglichen und damit tragfähigen Handelspolitik und zwar global. Das macht unter anderem den Zollschutz sowie die Einschränkungen von Importen, die in zu großen Mengen auf Märkte ärmere Länder kommen können, schwierig bis unmöglich.
Die Spielräume für politisches Handeln, welches auf soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz ausgerichtet ist, weiter einzuschränken, ist die falsche Antwort. Entschlossene Entscheidungsträger sowie Verantwortliche aus der Zivilgesellschaft wie den Nichregierungsorganisationen bräuchten bessere Möglichkeiten, Einfluss auf die Wirtschaft zu nehmen, sie zukunftsfähig zu gestalten. Handelsbeschränkungen sind das eine, Einkommen in den ärmsten Ländern anzuheben das andere. Für beides gibt es bislang leider weiterhin zu wenig konstruktive Ansätze.
Wie lauten ihre drei Forderungen für den globalen Handel?
Erstens gilt es die Transportkosten zu erhöhen und zwar so, dass alle Umweltkosten, die aus dem Transport entstehen eingepreist sind. Das würde den Handel insgesamt teurer machen und reduzieren.
Zweitens brauchen wir mehr Spielraum zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe – weltweit. Das Grundprinzip, die Märkte müssen offen sein und jeder kann das kaufen was am billigsten ist, muss durchbrochen werden. Das gilt insbesondere dort, wo es triftige ökologische und soziale Gründe dafür gibt und eine verträglichere Landwirtschaft gefördert werden muss.
Drittens fordere ich eine Handelsorganisation, die nicht zum Ziel hat, Handelsschranken noch weiter zu reduzieren. Stattdessen sollte sie einen Austausch darüber forcieren, welche Handelsregulierungen mit Blick auf nachhaltige Entwickelung in Nord und Süd sinnvoll ist. Darüber müssen wir einen Konsens erzielen und nicht dem Dogma folgen, mehr Freihandel ist automatisch besser als weniger.
Tobias Reichert
Tobias Reichert ist Diplom-Volkswirt und Experte für die Bereiche Welthandel/WTO, Umwelt- und Sozialstandards in Entwicklungsländern sowie internationale und europäische Agrarpolitik. Er ist seit 2007 Referent bei Germanwatch für die Themen Welthandel und Ernährung und seit 2011 Teamleiter der Abteilung Welternährung, Landnutzung und Handel in der Organisation. Davor war Reichert als Berater für den Vorsitzenden des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag tätig, mit dem Schwerpunkt Afrika und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Daneben war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (Bonn) im Projekt "Entwicklung eines Monitoring-Systems für die Umsetzung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit den AKP-Staaten". Seit 2004 ist er freier Gutachter zu Welthandel und Agrarpolitik für Oxfam international, Misereor, Evangelischer Entwicklungsdienst, Forum Syd Schweden, KEPA Finnland und andere. Anfang der 2000er-Jahre hat Reichert als Referent für Handelspolitik (Trade Policy Officer) beim European Policy Office des WWF in Brüssel und im Projekt Handel, Umwelt und nachhaltige Entwicklung des Forums Umwelt und Entwicklung gearbeitet.
© Stephan Röhl
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