Globalisierung: Wie der Klimawandel unsere Teller erreicht

28.2.2018 – Über die Zusammenhänge zwischen Lebensmittelproduktion und Klimawandel diskutierten Experten auf der BioFach 2018 in Nürnberg. Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, fordert einen Systemwechsel für unsere Lebensmittelerzeugung.

aktuelles-aktuelles_2018-podium_klimawandel_biofach_1_288.jpg

Die Landwirtschaft sei dabei gleichzeitig Opfer, Täter und auch Teil der Lösung für eine klimafreundlichere Zukunft, so der Tenor der Veranstaltung mit dem Titel „Das Ende der Globalisierung? Wie der Klimawandel unseren Teller erreicht.“Deutlich wurde vor allem, dass es widerstandsfähige und diversifizierte Ernährungssysteme braucht, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.

Die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion: Ursula Hudson (Slow Food Deutschland e. V.), Wilfried Bommert (Institut für Welternährung), Dieter Overath (Fairtrade Deutschland), Felix Prinz zu Löwenstein (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) und Reto Ingold (Demeter e. V.).

Bild oben (v. re. n. li.): Felix Prinz zu Löwenstein (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft), Ursula Hudson (Slow Food Deutschland e. V.), Dieter Overath (Fairtrade Deutschland), Sabine Jacobs (Moderation), Reto Ingold (Demeter e. V.), Wilfried Bommert (Institut für Welternährung). | © Sharon Sheets

Unser Frühstückskaffee in Gefahr?

Die Erwärmung des Klimas macht vielen Arten schon jetzt das Leben schwer und beraubt Gemeinschaften durch Dürren, Überschwemmungen, Stürme sowie durch den Anstieg des Meeresspiegels ihrer Lebensgrundlagen wie Haus und Boden. Das Thema Klimawandel steht hoch im Kurs der Berichterstattung. Trotzdem scheint es für Verbraucher in Deutschland oft noch ein nicht greifbares Thema, sie fühlen sich hierzulande vor den Konsequenzen noch vermeintlich sicher. Das mag daran liegen, dass sie von den Folgen persönlich noch verhältnismäßig wenig spüren oder zu wenig hinschauen: Denn auch unsere Landwirtschaft leidet bereits unter den Konsequenzen der klimatischen Veränderungen.

Dass der Klimawandel ein global omnipräsentes Thema ist und auch die Menschen im globalen Norden immer direkter betreffen wird, macht Wilfried Bommert in einem Kurzvortrag zum Thema Kaffee in Brasilien deutlich: Brasilien ist das führende Exportland für Kaffee. Nur ist gerade diese Produktion durch den Klimawandel gefährdet, da die "Wohlfühltemperatur" für den Kaffee immer öfter überschritten wird. Eine Hitzewelle und Dürre sorgte dafür, dass die Kaffee-Ernte in Brasilien 2015 um 40 Prozent niedriger ausfiel als noch im Vorjahr. „Kulturpflanzen wie Weizen und Kaffeepflanzen wachsen am Besten zu bestimmten Temperaturen. Wird diese Wohlfühltemperatur überschritten, dann wachsen sie nicht mehr gut, und produzieren, wie beispielsweise beim Kaffee, nur noch kleine Bohnen. Durch ansteigende Temperaturen müssen wir also damit rechnen, dass die Kaffee-Ernte in Brasilien auf Dauer um 80 Prozent sinken wird. In Brasilien wird Kaffee künftig wahrscheinlich nur noch in den absoluten Hochlagen zu finden sein. Kulturpflanzen wie Kaffee gehören deshalb zu den klaren Verlierern des Klimawandels. Andernorts, etwa in Europa, führen steigende Temperaturen und damit wärmere Winter dazu, dass die Kirschessigfliege die Weinernte und die Olivenfliege die Olivenernte bedroht. Vom Klimawandel betroffen sind aber nicht nur diese Luxusprodukte, sondern letztlich alle Lebensmittelkategorien, und das wird auch unseren Konsum stark beeinträchtigen“, so Bommert.

Lebensmittelproduktion als Betroffene und Verursacherin des Klimawandels

So wie die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion von den Folgen des Klimawandels heimgesucht wird, ist sie gleichzeitig für das Anheizen des Klimas verantwortlich: Insgesamt verursacht die Landwirtschaft circa ein Drittel aller globalen Treibhausgase. Laut Weltklimarat IPCC beschränkt sich dieser Prozentsatz allein auf die Landwirtschaft und berechnet weitere Schritte der Lebensmittelproduktion noch nicht einmal mit ein. So heißt es im Weltagrarbericht mit Daten des IPCC: „Verarbeitung, Transport, Kühlung, Erhitzung, Zubereitung und Entsorgung von Lebensmitteln hinzugerechnet, die der IPCC in anderen Sektoren verbucht, ergibt, dass über 40 Prozent aller Emissionen davon abhängen, wie wir uns ernähren und Landwirtschaft betreiben“.

Widerstandsfähige Lebensmittelsysteme als Weg in eine klimafreundliche Zukunft

Gerade weil die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen der Art, wie Lebensmittel global erzeugt und weiterverarbeitet werden und dem Zustand des Klimas immens und komplex sind, besteht die große Chance darin, dem Klimawandel durch eine zukunftsfähige Art der Lebensmittelproduktion entgegenzuwirken. Dass es resilienter, widerstandsfähiger Lebensmittelsysteme bedarf, darüber waren sich die Referenten der Veranstaltung einig.

In diesem Kontext unterstrich Ursula Hudson die Notwendigkeit, den Klimawandel an der Wurzel zu bekämpfen. Dazu sei es grundlegend, die Systemfrage zu stellen und sich bei der Diskussion um den Klimawandel nicht auf CO2 Emissionen zu beschränken. Dies sei unzureichend und gefährlich:

„Für Slow Food ist es ganz wichtig, dass wir das System ändern, das den Klimawandel so vehement mitverursacht und verstärkt und nicht undifferenzierten Diskussionen zu unterliegen, wie dem Argument, Tiere an sich seien die Klimakiller. Es sind nicht die Tiere in der Landwirtschaft an sich, sondern es ist die durch die industrielle Lebensmittelproduktion hervorgerufene Massentierhaltung mit Zuchtzielen wie schnellem Wachstum und besseren Futterverwertungsraten. Das industrielle Lebensmittelsystem setzt auf Hochleistung und Maximalproduktion auf engem Raum und macht das Tier zum Nahrungsmittelkonkurrenten des Menschen, indem es Kraftfutter verfüttert, für dessen Anbau weltweit große, wertvolle Ackerflächen genutzt werden und das oft erst Mal importiert werden muss, vor allem aus Lateinamerika. Kühe, Ziegen und Schafe in Weidehaltung, also einem zukunftsfähigen System, sind dagegen sogar Klimaretter und fördern die Bodenfruchtbarkeit.

Man muss sich das ganze System anschauen und dann wird klar: Wir brauchen Diversifizierung, Weidehaltung, Mischkulturen statt Monokulturen und arten- und bodenfreundliche landwirtschaftliche Systeme, die der Region angepasst sind. Klima-Resilienz kann nur gelingen, wenn wir am System ansetzen, und nicht weiter an industriellen Prozessen festhalten und diese lediglich mit Termini wie „smart agriculture“ business as usual versehen. Den Weg in eine klimafreundliche Zukunft können wir nur durch einen ganzheitlichen Systemwandel beschreiten“, so Hudson.

Zusammenhänge erklären

Es ist unbestritten, dass der hohe Konsum tierischer Produkte nicht zukunftsfähig ist, und die Produktion einer solch hohen Quantität zurückgehen bzw. gestoppt werden muss. Das ist Grundvoraussetzung, um der Umwelt Gutes zu tun. Die Zusammenhänge zwischen dem Konsum tierischer Produkte und dem Klimawandel bleiben aber komplex. Deshalb macht sich Slow Food zur Aufgabe durch Bildungsprojekte und Initiativen der Bewusstseinsbildung über diese Zusammenhänge aufzuklären, damit Verbraucher z. B. verstehen, warum es nicht nur wichtig ist, den Fleischkonsum zu reduzieren, sondern tierische Produkte generell im Speiseplan zu reduzieren, regionale und saisonale Lebensmittel aufgrund kurzer Transportwege zu bevorzugen, und sich auch darüber bewusst zu werden, dass Fleischersatzprodukte mit ihrem oft hohen Verarbeitungsgrad und Inhalten wie importiertem GVO-Soja nicht unbedingt das gelbe vom Ei sind.

Slow Food möchte Verbraucher durch Bewusstseinsbildung dazu befähigen, mündige Entscheidungen zu treffen und sich nicht mehr von den Argumentationsfallen der Industrie täuschen zu lassen. Denn wo Industrie drauf steht ist auch Industrie drin, egal ob es nun mit einem Nachhaltigkeitslabel versehen oder angeblich „climate-smart“ erzeugt wurde. Das System an sich ist das Problem, denn der Industrie wird es in erster Linie auch künftig um ökonomische Gewinne gehen. Die positive Nachricht ist aber, dass Verbraucher, Erzeuger, Wissenschaftler, Gastronomen und Lebensmittelhandwerker weltweit schon einen anderen Weg eingeschlagen haben. Sie engagieren sich für eine klimafreundliche Zukunft.

Machen Sie mit, es ist ganz einfach mit den 11 Tipps zur klimafreundlichen Ernährung aus dem Slow Food Magazin: 11 Tipps zur klimafreundlichen Ernährung

Mehr Informationen:

Slow Thema: Klimawandel und Ernährung – Informationen, Aktionen, Positionen

Slow Food Kampagne: Menu for Change – mit Genuss und Verantwortung gegen den Klimawandel

Publikationen unserer Partner: Verbrannte Mandeln von Wilfried Bommert

Inhaltspezifische Aktionen