Klimaschutz und langsames Reisen: Mit dem Lastenrad von Münster nach Turin
Slow Food Deutschland: Was hat dich dazu bewegt eine Reise von Münster nach Turin mit dem Lastenrad zu planen?
Julia Salomon: Die Lastenradbewegung hier in Münster hat mir gezeigt, was man mit Fahrrädern alles bewegen und transportieren kann. Das hat mich inspiriert. Als es dann an die Planung ging, wie ich dieses Jahr nach Turin für Terra Madre Salone del Gusto reise, kam ich auf die Idee mit dem Lastenrad. Hinzu kommt, dass ich aufgrund der hohen CO2-Emissionen des Luftverkehrs beschlossen habe, für ein paar Jahre möglichst keine Flugreisen mehr zu machen. Mit dem Lastenrad, so dachte ich, kann ich sogar die Lebensmittel aus meiner Region ökologisch nachhaltig transportieren, die ich während Terra Madre Salone del Gusto präsentieren möchte. Die Alternative, per klassischem Versand und mit großem ökologischem Fußabdruck, kann so umgangen werden. Unterwegs die verschiedenen Regionen Deutschlands, spannende Menschen, landwirtschaftliche Betriebe und Produktionsstätten zu besuchen, ist ein besonderes Plus.
Bei der Lastenrad-Community habe ich angefragt, ob ich mir ein Rad leihen kann, da ich selbst keines besitze. Als ich erfreulicherweise die Zusage bekam, ging es an die Umsetzung. Mir ist zwar bewusst, dass ich alleine nicht die Welt verändern kann, aber ich kann wichtige Schritte in die richtige Richtung tun. Diese entschleunigte und bewusste Reise soll Anderen als Inspiration dienen. Sie soll zeigen, welche Vorteile alternative Transportmittel haben und welche Vorzüge regionale Lebensmittel und Achtsamkeit für die Umwelt und für jeden einzelnen Menschen haben. Am 24. August geht es nun los, von Münster, erst durch Dortmund und kleine Orte im Bergischen Land, im Lahntal und weiter vorbei an Mainz, Mannheim und Stuttgart, Richtung Bodensee und dann über die Alpen, bis Turin.
In deiner Projektidee erwähnst du, dass dir Klimaschutz und nachhaltige Kreisläufe wichtig sind. Was haben regionale Lebensmittel und die Transportart sowie die Müllreduzierung mit dem Klima und Nachhaltigkeit zu tun?
Der Transport von Konsumgütern wie Lebensmitteln mit Schiffen und Flugzeugen verursacht Treibhausgasemissionen. Viele Lebensmittel werden in Zeiten globalen Handelns kilometerweit transportiert. Dabei werden, bei den klassischen Transportmitteln, große Mengen an CO2 freigesetzt und fossile Rohstoffe verbrannt. Schnelllebigkeit, alltäglicher Luxus und die Tendenz zur Verschwendung sowie leider die Geringschätzung der Rohstoffe sind allgegenwärtig. Der hohe Ressourcen- und Energieverbrauch verursacht immer höhere Umwelt- und Klimabelastungen. Ich finde es zwar schön, dass wir hier vor Ort eine unglaubliche Lebensmittelvielfalt haben, problematisch ist allerdings, dass diese Lebensmittel viele Kilometer zurücklegen müssen, um in unseren Einkaufskörben und auf unseren Tellern zu landen. Deshalb sollten wir wieder mehr auf unsere regionale Lebensmittelvielfalt zurückgreifen, die ist auch bunt und vielfältig. Und die Folgen des Klimawandels sind für uns in Deutschland erst jüngst durch die Dürre zu spüren. Gesellschaftlich müssen wir uns dringend über ressourcen- und klimaschonende Alternativen Gedanken machen.
Wie setzt du einen klimaschonenden und nachhaltigen Lebensstil im Alltag um?
Ich besitze kein Auto, versuche Einkäufe und Transporte weitgehend mit dem Fahrrad zu erledigen und setze auf regionale Bezugsquellen. Im Alltag ist es mir außerdem sehr wichtig, Abfälle zu vermeiden. Am Liebsten gehe ich deshalb in Unverpackt-Läden einkaufen, denn ganz unmöglich finde ich die Masse an Müll, vor allem Plastikmüll, der beim Einkauf in den meisten Supermärkten anfällt. Winzige Kunststoff-Partikel sind mittlerweile überall zu finden, vom Wasserkreislauf bis hin zum Boden und äußerst umweltschädlich. Kunststoff ist nicht per se schlecht, wenn er in langlebiger, funktioneller Form genutzt wird. Das eigentliche Problem liegt in den vielen Einweg- und Kunststoffverpackungen, die eigentlich gar nicht nötig wären, wie z.B. bei eingeschweißtem Bio-Gemüse in vielen Supermärkten. Es gibt nur wenige Ausnahmen, bei denen ich einwegverpackte Lebensmittel kaufe. Frische Lebensmittel bekomme ich wöchentlich von einem 15 km entfernten demeter-Hof der solidarischen Landwirtschaft, bei dem meine Wohngemeinschaft einen Ernteteil hat, oder aus dem kleinen Hochbeet, das wir seit letztem Jahr liebevoll pflegen.
Bei meinem Konsum jenseits von Lebensmitteln achte ich darauf, möglichst langlebige Produkte zu wählen, kaufe bevorzugt Secondhand, oder betreibe Upcycling. Es gibt tolle Läden in denen man nicht nur Secondhand-Kleidung, sondern auch -Möbel oder -Geschirr zu erschwinglichen Preisen kaufen kann. Beim Upcycling versuche ich scheinbare Abfallprodukte in neue, funktionelle oder dekorative neue Produkte zu verwandeln. Fair gehandelte und ökologisch produzierte Kleidung oder sonstige Güter versuche ich immer dann zu wählen, wenn mein Budget das zulässt. Manchmal habe ich Glück und es gibt sie gebraucht zu kaufen. Wichtig ist mir, dass im Sinne der Kreislaufwirtschaft gehandelt wird. Bewusst gute Qualität wählen, immer wieder nutzen und in den Kreislauf zurückführen, wenn man selber keine Verwendung mehr dafür hat. Die wenigen Kosmetikartikel, die ich nutze, stelle ich zum größten Teil selber her, z.B. siede ich Kernseife oder mische mein Deo. Was die digitale Welt angeht, versuche ich meinen Energie-Abdruck zu reduzieren, indem ich zum Beispiel seit Kurzem das Email-System „Posteo.de“ benutze. Deren Server wird mit Ökostrom betrieben und es spart Strom, CO2, Atommüll und schont Ressourcen.
Julia Salomon ist Ökotrophologie-Studentin, arbeitet bei Westfalenfleiß und im Bereich ambulant unterstütztes Wohnen, wo sie Ernährungs-Begleitung für Menschen mit geistiger Behinderung anbietet.
Ein Porträt von Julia Salomon anlässlich ihrer Teilnahme an der internationalen Slow-Food-Veranstaltung Terra Madre Salone del Gusto in Turin, finden Sie hier
Das Interview führte Sharon Sheets, Slow Food Deutschland.
Foto: © Privat