Paul Bocuse: Der Löwe von Lyon ist tot
Er war der berühmteste Koch auf diesem Planeten. Er war der Kochpapst, der Jahrhundertkoch, der Ritter der Ehrenlegion. Paul Bocuse, der Löwe von Lyon, ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Die Grande Nation trauert. Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte Bocuse als „Inkarnation der französischen Küche“ und „mythische Figur“. Sein Name stehe für Großzügigkeit, Respekt vor Traditionen und für Einfallsreichtum – „alle Köche weinen um ihn!“
Bocuse war weltweit bekannt. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms, in den 1970er- und 80er-Jahren wimmelte es auch in Deutschland nur so vor „kleinen Bocuses“. Wenn irgendwo in einem Dorfgasthaus der Wirt ein wenig Aufwand bei Dekoration und Präsentation betrieb, wenn die Teller ambitioniert waren – schon war der Wirt eine Miniausgabe des großen Franzosen. Selbst Menschen, die mit ihren Kochambitionen nie über ein Spiegelei hinauskamen, kannten seinen Namen.
Drei Sterne, drei Frauen, drei Bypässe
Mit neun Jahren, so geht die Legende, soll er schon am Herd des Vaters gestanden und das Kochhandwerk gelernt haben. 1965 hatte er erstmals drei Sterne für sein Restaurant bekommen. Er behielt sie bis zum Schluss.
Zum 80. Geburtstag war seine Biographie mit dem schwülstigen Titel "Heiliges Feuer" erschienen. Seitdem wissen wir noch ein wenig mehr vom Leben des Monsieur Paul. Die Medien stürzten sich damals vor allem auf die intimen Details seiner Biographie. Darin hatte Bocuse offiziell gemacht, was in der Branche ohnehin jeder wusste: Der Mann hatte einen kräftigen sexuellen Appetit. Er lebte mit drei Frauen in drei Haushalten gleichzeitig zusammen. „Drei Sterne, drei Frauen, drei Bypässe“, kommentierte Claus Kleber im Heute-Journal. "Ich mache das, wovon jeder Mann träumt", schrieb Bocuse über seine Lebenspartnerinnen. In seinen besten Jahren waren es allerdings nicht nur drei.
Spitzenkoch Franz Keller, der bei Bocuse gearbeitet, gelitten, gefeiert und viel gelernt hat, erinnert sich, dass am Valentinstag schon mal acht Blumensträuße ausgefahren werden mussten, um alle Herzdamen zu bedienen. Keller schildert Bocuse als ungeheuer selbstbewussten, ehrgeizigen, aber auch diktatorischen Patron und "tollen Handwerker". Der oft zitierte Erfinder der "Nouvelle Cuisine" war er nie, aber er wurde zu ihrem berühmtesten Vermarkter.
Bocuse war bei Lyon in einer Gastronomen-Familie auf die Welt gekommen – Köche seit sieben Generationen. Im Restaurant von Claude Maret in Lyon begann er 1942 seine Laufbahn. "Es war Krieg, und es gab nichts zu essen", schrieb Bocuse und bekannte, dass ihm diese "Atmosphäre des Durchwurschtelns" sehr geholfen hat. Auf dem Schwarzmarkt organisierte er seine Lebensmittel. Den entscheidenden Schub erhielt er erst bei Spitzenkoch Fernand Point, seinem wichtigsten Ziehvater. Schon 1961 bekam er den ersten Stern im väterlichen Betrieb, den er 1959 übernommen und umgebaut hatte.
Große Küche musste auch großes Theater sein
Bocuse war nicht nur Koch und Patron, er war vor allem ein großer Vermarkter. Er erkannte als einer der ersten die Bedeutung von Inszenierungen, Präsentationen und einem entsprechenden Ambiente. Für ihn war große Küche auch großes Theater. Er baute sich ein internationales Imperium auf mit 235 Angestellten, mehr als 20 Restaurants – auch in Japan und Orlando – dazu Boutiquen und Bäckereien. Unzählige Produkte schmückte der charakteristische Bocuse-Kopf mit der unvermeidlichen turmhohen Kochmütze samt schwungvoller Unterschrift. Der Geschäftssinn von Monsieur Paul war ebenso legendär wie seine Amouren und seine heftigen Wutausbrüche. Immer wieder, erinnert sich Franz Keller, flogen die Pfannen mit und ohne Inhalt durch die Küche, wenn der Maitre schlechte Laune hatte. Bocuse konnte brutal sein.
Gleichzeitig war der Löwe von Lyon durch und durch Franzose, extrem patriotisch und stock- konservativ. Die Trikolore an seinem Kragen gehört zu seinem Outfit wie der Zopf zu Karl Lagerfeld. Manchmal, in seltenen Augenblicken, sendete er aus seiner goldgetäfelten Welt auch ganz andere Botschaften: "Große Küche kann ein Salat sein, frisch aus dem Garten, gerade angemacht". Oder: "Man muss mit Liebe kochen, weil es darum geht, um einen Tisch herum die Atmosphäre von Freundschaft und Brüderlichkeit zu schaffen." Schön gesagt. Nur wusste man nie, ob die süße Kunde nicht wieder nur ein neuer Marketingspruch war.
Monsieur Paul ist tot. Nicht nur seine legendäre Trüffelsuppe wird bleiben. Auch einige Stapel Kochbücher in unseren Regalen und die Erinnerung an einen ganz Großen seines Fachs. Wenn es so etwas wie einen Urvater des heutigen Kochrummels gibt, dann heißt er ganz sicher Paul Bocuse. Im Himmel, so liest man in einigen Leser-Kommentaren zu den Nachrufen, werde das Essen jetzt auf jeden Fall deutlich geschmackvoller ausfallen. Obwohl: Der Meister hat ja bekanntlich gar nicht so oft den Kochlöffel geführt. Auf die Frage, wer denn in seinem Restaurant koche, wenn er nicht da sei, antwortete er: „Dieselben, die auch kochen, wenn ich da bin!“
© Bocuse.fr
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