Spargel im Schloss - eine Hommage an den Spargel nördlich der Alpen
Spargel im Schloss: Eine Hommage an den Spargel nördlich der Alpen
Das Residenzschloss Urach spielt für den Spargel in Baden-Württemberg eine ganz besondere Rolle. Denn historische Dokumente belegen: Den ersten Spargel in Baden-Württemberg gab es genau hier, inspiriert und importiert aus Italien von Barbara Gonzaga von Mantua, Gemahlin des Grafen Eberhard von Württemberg. Sie brachte 1475 nicht nur die Kultur der italienischen Renaissance auf die raue Alb, sondern auch unbekannte Kräuter und Gemüsesorten wie den Spargel. „Wir feiern heute Abend die Mutter aller deutschen Spargelstätten. Denn hier in Urach haben wir mit der Vermählung von Barbara Conzaga aus Mantua mit Eberhard von Württemberg den ersten historisch-belegbaren Nachweis für Anbau und Verzehr von Spargel nördlich der Alpen“, so Michael Hörrmann, Geschäftsführer der SSG, zur Begrüßung der Gäste. Passend zum Themenjahr „Von Tisch und Tafel“ verbinde gerade die Spargel-Gala in Urach das kulinarische und das kulturelle Erbe Baden-Württembergs miteinander. Beides sei tragend für die lokale und regionale Tradition, bestimme die Geschichte und die Schönheit der Landschaft mit, so Hörrmann.
Bild oben: Die Gäste genossen das Menü und diskutierten dabei angeregt über Fragen unserer Lebensmittelherstellung.
Der Ruf nach einer leichten Küche brachte den Spargel nach Urach
Michael Hörrmann übergab anschließend das Wort an Peter Rückert, Referatsleiter des Stuttgarter Landesarchivs Baden-Württemberg. Auch ihn begeistert Spargel nicht nur kulinarisch, sondern ebenso kulturhistorisch. Das authentische Ambiente wie auf Schloss Urach machte es den Gästen leicht, seinen Berichten über die Ereignisse im 15. Jahrhundert zu folgen. Rückert erzählte vom üppigen Essen bei der legendären Uracher Hochzeit des Grafen Eberhard von Württembergs mit der italienischen Prinzessin. Spargel gab es an diesem Tag noch keinen, vielmehr Herzhaftes und Deftiges. Und genau das führte dazu, dass der Spargel nach Urach kam. Denn nicht nur das Hochzeitsmahl, sondern auch die gängige schwäbischen Küche, die damals hauptsächlich Fleisch und Fisch aber wenig Gemüse und Salate kannte, war Barbara von Conzaga zu schwer. Deshalb ließ sie in einem Brief an ihre Mutter, Markgräfin Barbara, veranlassen, ihr unter anderem Spargel und Spargelsamen aus Italien zu schicken. So wurde der erste Spargel nördlich der Alpen in den Gartenanlagen im Schloss angebaut. „Eine historische Sensation, denn damit, so unsere Erkenntnis, waren Urach und Württemberg 200 Jahre früher als die heute berühmten Anbaugebiete in Baden und der Kurpfalz mit dem Spargelanbau dran“, schwärmt Rückert, der den Brief von Barbara von Conzaga an ihre Mutter aus dem Jahr 1475 gefunden hatte.
Huchels alpha als Favorit des Geschmackserlebnisses
„Alle Menschen, die ihre Heimat verlassen, nehmen ein Stück Kultur ihres Essens mit. Dass auch Barbara von Conzaga das tat und den Spargel nach Württemberg brachte, dafür sollten wir ihr ewig dankbar sein“, stieg Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, in die Moderation des Geschmackserlebnisses zur Verkostung fünf verschiedener alter Spargelsorten ein. Probiert wurden Schwetzinger Meisterschuss (weiß), Huchels alpha (weiß), Burgundine (violett), Schneewittchen (grün) und Wildspargel (grün). Sie alle haben unterschiedliche und komplexe Aromen und eignen sich für verschiedene Beilagen. Bei der Verkostung aber stand das Stangengemüse in seiner reinen Form im Fokus. Jeder Teilnehmer bekam jeweils eine gegarte und eine rohe Stange. Überwältigt waren die Gäste von der Vielzahl an Aromen, denn Spargel wird vom Ende bis zur Spitze immer aromatischer. Wurde der Meisterschuss als süß, aber wenig komplex wahrgenommen, erinnerte der grasige Geschmack von Burgundine die Probanden an schwarzen Tee. Favorit des Geschmackserlebnisses war der Huchels alpha. Die Stimmen dazu: Die Sorte ist sehr komplex und würzig, ein feiner Geschmack, nicht so direkt und "laut" wie der Meisterschuss, aber dafür viel runder, eingebundener. „Wir nehmen Aromen feinsensorisch, wenn auch nicht immer bewusst, wahr. Sie sind das Signal, dass ein Lebensmittel gesundheitliche und ernährungsphysiologische Eigenschaften hat, die für uns gut sind. Damit war auch heute Abend unsere Nase der wichtigste Indikator, um herauszufinden, mit welcher Qualität von Spargel wir es zu tun haben. Spargel hat bis zu 40 Aromen. Diese lassen ihn sogar nach Karamell, Erbsen und Vanille schmecken. Wir haben ein riesiges Spektrum in der Wahrnehmung erlebt und nur dann ist der Spargel auch wirklich gut und obendrein gesundheitsfördernd“, erklärte Hudson. Die Geschmackserlebnisse von Slow Food führen uns damit vor Augen, was wir intuitiv wissen: Das, was besonders gut und komplex schmeckt, besonders gut riecht, das ist das, was wir wollen und essen sollen – das Gegenteil hat in unseren Küchen nichts zu suchen.
Bild oben: Die Gäste waren von der Aromenvielfalt der alten Sorten begeistert.
Der Spargel gehört unter freien Himmel
Doch gehen die Beweggründe für Slow Food Deutschland, Verbraucher Vielfalt mit allen Sinnen erleben zu lassen, über den „reinen Geschmack“ hinaus. „Echte Vielfalt auf unseren Tellern schwindet zunehmend und wir werden sie nur retten können, wenn es eine entsprechende Vielfalt auf unseren Äckern, in unseren Ställen und in den Ökosystemen gibt. Sie ist Voraussetzung für die Zukunft unseres Planeten. Deshalb müssen wir uns in einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt gegen das aktuelle Lebensmittelsystem stellen, welches sich an Standardisierung und Profit ausrichtet. Und jeder einzelne von uns kann und sollte sich mithilfe seiner Kauf- und Genussentscheidungen verantwortlich dagegen entscheiden“, so Hudson. Der Spargel eignete sich hervorragend, um aufzuzeigen, wie sehr wir in unserer Vielfalt inzwischen eingeschränkt sind und ein Lebensmittelsystem mittragen, welches uns nicht nur der Geschmacks- und Genussfreude beraubt, sondern in einer Art und Weise produziert, die Mensch, Tier und Umwelt schadet.
Denn war der Spargel einmal sehr vielfältig und wurde in China, Ägypten und Griechenland jahrtausendelang sogar zunächst als Heilpflanze und erst später als Genusspflanze genutzt, liegt hierzulande inzwischen das Interesse auf Hybridsorten. Der Schwetzinger Meisterschuss aus dem Jahr 1952 ist die erste Hybridsorte, die verschiedene Qualitäten vereint und im Geschmack extrem süß ist. Die mehrheitlich männlichen, sehr leistungsstarken und ertragreichen Hybride wachsen mehrheitlich unter Folie und eigenen sich für einen Abverkauf, der sich an Standardmaß und -geschmack orientiert. Die Folien verhindern die natürliche Biodiversität im Boden wie auch auf dem Feld, tragen zum gesamten Artenverlust bei, schränken die Nahrungskette von immer größeren Feldtieren und -vögeln ein und verursachen Müllberge. Denn selbst wenn die Folien in mehreren Ernten zum Einsatz kommen, sind sie irgendwann zu verdreckt und müssen ausgewechselt werden.
„In Deutschland ernten wir jährlich 128.000 Tonnen Spargel, der unter Folien gezüchtet ist. Nur fünf Prozent wachsen unter freiem Himmel, weil das arbeitsintensiver ist. Das sind doch erschreckende Ergebnisse und ich bin heilfroh, dass sich gerade so etwas wie eine Wende abzeichnet, alte Sorten wieder wertgeschätzt und nachgefragt werden. Und ein jeder, der sich auf sein intuitives Wissen rückbesinnt, nämlich, dass alte Sorten viel schmackhafter sind als die moderne, zählt. Deswegen bitte ich auch Sie, sich beim nächsten Spargeleinkauf zu fragen, woher kommt der Spargel und kam er ohne Folie aus oder nicht?“, plädierte die Vorsitzende von Slow Food Deutschland zum Abschluss. Weitere Samen für ein kluges Verbraucherverhalten, so hofft sie, seien an diesem Abend wieder gesät worden.
Bild oben: Beim Geschmackserlebnis kosteten die Gäste insgesamt fünf alte Spargelsorten.
Ein Menü entlang schwäbischer und italienischer Spezialitäten
Das Menü wurde für Genuss sowie anregende Diskussion genutzt. Spitzen-Gastronom Jörg Ebermann von der Linde in Oberboihingen kreierte ein Menü entlang schwäbischer und italienischer Spezialitäten, was erneut den Bogen zu Slow Food spannte: Denn auch der Verein hat italienische Wurzeln und ist nunmehr schon seit mehr als 25 Jahren in Deutschland aktiv. Begleitet wurde das Essen mit korrespondierenden, edlen Weinen aus Württemberg und Italien. Musikalisch verwöhnt Mari Vihmand am Klavier die Gäste. Das Menü: Apéritif und Amuse bouche, Tartar von der Ermstalforelle mit grünem Spargel, Trilogie von Maultäschle, Ravioli und Taubenbrüstchen mit Frühlingsmorcheln, Civet vom Älbler Wildschwein mit Pfefferkirschen und Alb-Linsen-Dinkel-Nudeln, Holundermousse mit Erdbeeren, Rhabarber und Mandelsauce.
Bild oben: Eindrücke vom Menü, kreiert entlang schwäbischer und italienischer Spezialitäten.
Von der kulinarischen und kulturgeschichten Bedeutung des Spargels begeistert (v.l.n.r.): Ursula Hudson (Vorsitzende Slow Food Deutschland), Peter Rückert (Referatsleiter des Stuttgarter Landesarchivs Baden-Württemberg), Janna Almeida (Leiterin der Schlossverwaltung Bebenhausen), Gastronom Jörg Ebermann von der Linde in Oberboihingen, Michael Hörrmann (Geschäftsführer der SSG).
Bilder auf dieser Seite: © Slow Food Deutschland, Rose Schweizer (3); Staatliche Schlösser und Burgen (SSG), Baden-Württemberg, Janna Almeida (2)
Mehr Informationen: Slow Thema: Genuss und Wertschätzung
Radio-Tipp: Sendung vom 3. Mai 2018. Radio Lora 92,4, "Leib & Seele": Radio Slow Food München. Die Sendung beschäftigt sich mit Spargeln – grünen und weißen, gekocht, gebraten und auf allerlei Art sowie mit dem Anbau und Wissenswertem drumherum. Podcast hören