Handwerkliche Schlachtung
Die teilmobile Hof- und Weidetötung von Rindern wird, nicht nur in Fachkreisen, als eine tiergerechtere, weil stressarme Form der Schlachtung angesehen, denn sie vermeidet Lebendtransporte und den damit verbundenen Stress bei Separieren, Einladen, Transportieren und Abladen des Tieres. Unter strengen und kürzlich neu aufgesetzten Vorschriften der Europäischen Union ist die Hof- und Weidetötung auch in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Voraussetzung hierfür sind nicht nur die Genehmigung durch die zuständige Veterinärbehörde sondern auch ein genehmigter Entblute- und Transporttrailer sowie die Anwesenheit amtlicher Tierärzt*innen bei der Tötung.
Ein Metzger-Familienbetrieb stellt auf mobile Schlachtung um
Der Familienbetrieb Bonkhoff setzt sich in dritter Generation für den Erhalt des Fleischerhandwerks und für moderne Techniken in der Schlachtung ein und ist nun dabei, die gesamte Schlachtung auf teilmobile Hof- und Weidetötung, umzustellen. Nur noch die weiteren Schlachtschritte (Enthäuten, Ausnehmen, Zerteilen, Kühlen) werden am stationären Betrieb der Bonkhoffs durchgeführt. Da Klaus Bonkhoff seine Kundschaft in vielen umliegenden Landkreisen aufsuchen möchte, ist die Beziehung zu den Veterinärämtern dieser Landkreise wichtig und, so Bonkhoff, unkomplizierter geworden. Ein zentraler Faktor, berichtet er während des Slow-Food-Workshops, ist außerdem ein gutes Zeitmanagement . Gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden fährt Bonkhoff auf den Hof, um dort das Tier zu betäuben und durch Blutentzug zu töten. Dann wird das tote Tier – der Gesetzgeber lässt mittlerweile sogar eine Fahrtzeit von zwei Stunden zu – zum stationären Betrieb gefahren. Da Bonkhoff inzwischen drei Mobile am Laufen hat, ist die Logistik eine Herausforderung: So müssen alle zum ausgemachten Schlachtzeitpunkt anwesend sein: Landwirt*in, Tier, amtliche Tierärzt*in und Schlachter*in.
Mit ihren Schlachtanhängern werden von der Familie und ihren Mitarbeitenden an sechs Tagen pro Woche landwirtschaftliche Betriebe aufgesucht. Rein rechtlich gesehen können inzwischen dort pro Schlachtung drei Rinder getötet werden. Wird ein Rind während des Eintreibens in den Fangstand unruhig, brechen die Metzger die Schlachtung sofort ab. Der Stress für das Tier würde zu hoch werden. Und das hätte auch einen Einfluss auf die Fleischqualität. Dann fährt der Schlachtanhänger leer wieder zurück auf den Hof der Fleischerei Bonkhoff und es muss ein neuer Termin mit dem landwirtschaftlichen Betrieb sowie für die tierärztliche Lebendbeschau vereinbart werden.
Die handwerkliche Schlachtung erfordert somit neben einem guten Zeitmanagement und einer gewissen Flexibilität in der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur auch Erfindergeist und Mut zu Innovationen. Die anwesenden Metzger berichten, wie sie ihren Mitarbeitenden sowie ihrer Kundschaft mit viel Eigeninitiative die Stufen der Wertschöpfungskette nahebringen und den persönlichen Kontakt zwischen Konsumierenden und produzierenden landwirtschaftlichen Betrieben fördern. Sei es durch organisierte Besuche im Rinderstall oder das geschaffene Bewusstsein, dass Färsen- und Bullenfleisch ebenso wie Fleisch von Ochse und Altkuh in der Theke liegen muss, wenn das System im kleinen Rahmen funktionieren soll.
Unterschiedliche Herausforderungen für Großschlachtereien und handwerkliche Fleischereien
Die erhöhten Anforderungen, die an die kleinen landwirtschaftlichen wie schlachtenden Betriebe von staatlicher Seite gestellt werden stehen im Vergleich zu denen eines Großbetriebs in keinem Verhältnis. Darin sind sich die anwesenden handwerklich arbeitenden Metzger einig.
Ein konkretes Beispiel, welches die besondere Herausforderung für handwerkliche Kleinbetriebe aufzeigt sind die Kosten für die – kostendeckend sein müssenden – veterinärmedizinische Lebend- und die Fleischbeschau. Durch die geringere Zahl an geschlachteten Tieren pro Tag erhöhen sich diese Kosten pro Tier und liegen mehrfach höher pro Tier als in einem Großunternehmen wie Tönnies, das 30.000 Schweine pro Tag schlachtet (Quelle: Fleischatlas, 2021). Umgerechnet auf den Fleischpreis ist daher der prozentuale Anteil dieser wesentlich höher, als bei einer Großschlachterei und entsprechend groß der Wettbewerbsnachteil für das Handwerk.
Potential für Veränderung
Die Anwesenden des Slow-Food-Workshops sehen an verschiedenen Stellen großes Potential für Veränderungen. Sei es bei der Begrenzung der staatlichen Förderung für landwirtschaftliche wie schlachtende Groß- und Massenbetriebe, bei den Rahmenbedingungen für die Belieferung von Großküchen oder in der Ausbildung im Fleischereihandwerk. Sie sind sich einig: Sollten für das Fleischhandwerk weiterhin keine gesonderte Unterstützung und Wertschätzung erfolgen und die handwerklichen Metzger*innen weiterhin mit, im Vergleich zu Großbetrieben, höheren Beschaugebühren pro Tier, aber auch höheren Energie- und Entsorgungskosten belastet werden, so stirbt dieses Handwerk in den nächsten Jahren vermutlich aus. Damit ginge neben dem Wissen über das Metzgerhandwerk und langjährigen und vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen zwischen Landwirt*innen, Metzger*innen und Konsumierenden auch die Unabhängigkeit kleiner landwirtschaftlicher Betriebe für die eigene Fleischproduktion und Vermarktung ab Hof verloren.
Es lohnt sich also diesen wichtigen Zweig des Lebensmittelhandwerks zu unterstützen und auszubauen, denn die nachhaltige Fleischwirtschaft braucht Metzgereibetriebe, wie den von Familie Bonkhoff, die mit viel Engagement für ihr Handwerk einstehen.