Das Slow-Food-Youth-Akademie-Wochenende 2024 im Landhaus Schulze-Hamann
Gut, sauber, fair für alle – geschlechtergerechte Ernährungswende im Slow-Food-Sinne
Unter dem Motto "Ernährungswende- zukunftsfähig und geschlechtergerecht" ging es am Freitag los mit viel Austausch und Perspektiven aus den verschiedenen Bereichen des Ernährungssystems. Gemeinsam ging es um die Erarbeitung von Hürden und passenden Lösungen. Es wurde diskutiert, warum Wandel im Ernährungssystem notwendig ist, und warum hier ein besonderes Augenmerk auf Frauen und Geschlechtergerechtigkeit essentiell ist, um "gut, sauber, fair für alle" – die Vision von Slow Food Deutschland – weltweit und vor unseren Haustüren zu ermöglichen. Anhand von Texten aus dem "Feminist Food Journal" konnten die Teilnehmenden in Stillarbeit durch berührende Geschichten zu Frauen im Ernährungssystem ihre Perspektiven erweitern. Natürlich gab es aus dem Slow-Food-Universum tolle Beispiele dafür, wie heute schon an einer fairen Ernährungswende für alle gearbeitet wird: ob Slow Food Alumni wie Nanetta Ruf mit ihrer "Konditourei" und Sebastian Junge mit seinem Restaurant "Wolfsjunge", oder der Aktivismus von Janina Hielscher. Sie alle inspirierten und gaben mit Testimonials einige Tipps.
Sophie Wolters vom Convivium Hamburg gab einen umfassenden Überblick über die Geschichte und das Wirken von Slow Food International, Slow Food Deutschland und Slow Food Youth. Sie hob dabei die Vielfalt der Bewegung hervor, die bei der internationalen Slow-Food-Veranstaltung Terra Madre besonders sichtbar wird und stellte den Call for Action vor. Diese drei Wirkfelder von Slow Food in den Bereichen Biokulturelle Vielfalt, Bildung und politische Einflussnahme wurden auch an diesem Wochenende sichtbar und erlebbar: von den norddeutschen Arche-Passagieren über den Austausch zur Schnippeldisko bis zur Wir-Haben-es-satt-Demo.
Zukunftsfähige Algen, Schweine und Betriebsformen
Keinesfalls zu kurz gekommen ist natürlich auch der praktische Teil: Am Freitag ging es um Algen und ihre vielfältige Verwendung. Mit den Expertinnen von Meeresgarten und der Gastgeberin und Slow-Food-Chef-Alliance-Köchin Angela Schulze-Hamann wurde in verschiedenen Teams ein mehrgängiges Mittagessen zubereitet. Vermittelt wurden die besten Tipps zum Sammeln von Blasentang am Strand (immer nach Sturm: dann ist er ganz besonders frisch) und das Rezept für frittierte "Algenbäumchen", auch aus Blasentang. Zum Menü gehörten außerdem mit Algen und Zitronenscheiben überbackener Feta, Gurken-Meeres-Spaghetti-Salat, Mayonnaise mit Dulse und ein schmelzender Schokokuchen mit Salzkaramelsoße und gerösteten Kombu-Algen.
Natürlich wurden auch einige der wunderbaren Zulieferer des Landhauses Schulze-Hamann besucht. Zwei Arche-Höfe für u.a. Angler Sattelschweine sind in nächster Nähe: Inken Mohr vom Arche-Hof Bredland konnte fußläufig erreicht werden. Hier erfuhren die Teilnehmenden von der Vorsitzenden des Angler-Sattelschwein-Fördervereins, wie und warum diese alten Nutztierrassen erhalten werden und auf was besonders geachtet werden müsse. Neben den beeindruckend gemusterten Tieren waren auch noch Skudden, norddeutsche Schafe, alte Haushasen und verschiedene Hühnerrassen zu bestaunen.
Am Samstag wurde der Bioland-Betrieb Hohlegruft besucht, auf dem der Seniorchef persönlich seine größere Zucht von Angler Sattelschweinen zeigte - vom wenige Tage alten, frierenden Ferkelchen zur Mastsau - und auch einen Einblick in die familieneigene Diskussion zu Themen wie der geglückten Hofübernahme und den heutigen Herausforderungen in der Landwirtschaft bot: ein konkretes Beispiel dafür, wie auf vielen Höfen in Deutschland täglich über ein zukunftsfähiges Ernährungssystem diskutiert wird. Der Betrieb gehört auch zur Landwege Genossenschaft, und so folgte Vorständin Tina Andres unserer Einladung zur Slow Food Youth Akademie. Die Frau, die auf der Biofach als Chef-Lobbyistin der Biobranche angekündigt wurde und im letzten Jahr die größte Messe für biologische Lebensmittel unter das Motto Geschlechtergerechtigkeit stellte, gab spannende Einblicke auch zu diesem Aspekt der Ernährungswende - und wie mühsam es auch manchmal war und ist.
Neben den Köstlichkeiten aus dem beeindruckend bestückten Hofladen von Hof Hohlegruft gab es am Samstag noch weitere genussvolle Erfahrungen. Anja Christiansen, Gärtnerin und Kennerin der wilden Kräuter in Blunk, lud dazu ein, den Herbstsalat selbst zu pflücken. So konnten alle mehr über Sauerampfer und Scharfgabe, Knopfkraut und Erbsen und noch einiges mehr erfahren. Dies alles wurde dann mit den kreativen Rezepten von Angela in ihrer wunderschön heimeligen Küche zur Playlist der Schnippeldisko Leipzig und den Weinen der Slow Food Messe verkocht.
Gruppengefühle, sichtbare Veränderung und tolles Feedback
Die Abschlussrunde am Sonntag zeigte noch einmal beeindruckend, wie in kurzer Zeit eine Gruppe entstehen kann, wenn sich Menschen unter dem Motto "gut, sauber, fair für alle" vereinen, wie vielfältig die Ideen für Lösungsansätze sein können und auch, auf wie viele unterschiedliche Arten wir uns im Verein und im Ernährungssystem engagieren können. Kreative Methoden am Anfang des Wochenendes förderten Kennenlernen, Gruppenfindung und wertschätzendes Miteinander.
Im letzten inhaltlichen Teil vermittelte Lea Leimann Grundlagen zu Geschlecht und Gender und die Unterschiede zwischen Gleichheit, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Über einen Privilegien-Check haben sich die Teilnehmenden auch mit den Konzepten von Macht und Intersektionalität vertraut gemacht, Grundsteine, um "gut, sauber, fair für alle "ins eigene Denken und Handeln zu integrieren. Anschließend führten Lea und Sophie am letzten Tag durch Theorien zu Verhaltensveränderung und Systemtransformation, und die Teilnehmenden diskutierten darüber, was ihre persönliche Veränderung hemmt oder befähigt. Manches wird direkt angegangen: Eine der Teilnehmerinnen der Akademie ist gelernte Köchin und richtet dieses Jahr ein Weihnachtsmenü für neue Slow-Food-Youthies in Hamburg aus, eine andere stößt zur Slow-Food-Youth-Leitung, und eine weitere nimmt neue Kontakte mit, um das Netzwerk in Deutschland zu stärken.