Mit Waage, Smartphone und vergessenen Äpfeln gegen Lebensmittelverschwendung
Oft werden im Alltag viel mehr Lebensmittel weggeworfen, als wir uns bewusst sind: Laut Statistiken fallen 59% der Gesamtmenge an Lebensmittelabfällen auf private Haushalte. Eine App, mit der wir täglich die Art und Menge der eigenen Lebensmittelabfälle erfassen und die uns positive Vorschläge gibt, wie wir diese vermeiden, kann eine effektive Hilfe bei der Reduzierung von Abfällen sein.
Die bereits verfügbare Zu gut für die Tonne! – App liefert ansprechende Rezepte und Tipps, um Lebensmittelreste weiter zu verwenden und somit zu retten. Sie trägt den Namen der Kampagne, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2012 ins Leben gerufen hat, um mit verschiedenen Aktivitäten der Lebensmittelverschwendung entgegen zu wirken. Dazu gehört auch das „Dialogforum Private Haushalte“, ein Projekt, das Slow Food Deutschland 2020 zusammen mit dem Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft der TU Berlin und Ecologic durchgeführt hat und seit 2023 als „Dialogforum Private Haushalte 2.0“ mit der TU Berlin weiterführt. In dieser Phase befasst sich das Projekt mit der Weiterentwicklung der Zu gut für die Tonne! – App. Die Erweiterung wird Messmethoden wie ein digitales Küchentagebuch und Fragebögen in der bestehenden App integrieren. Mit Feedback-Mechanismen, personalisierten Haltbarkeitstipps und individuellen Challenges werden die User*innen dabei unterstützt, Lebensmittelabfälle zu reduzieren.
Die Entwicklung der App befindet sich fast im Endspurt: genau der richtige Zeitpunkt, um die ersten Funktionen zu testen und eventuelle Änderungsvorschläge zu formulieren. So sind 16 Expert*innen und Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung am 15. Oktober 2024 an der TU Berlin zusammengekommen und haben, in Kleingruppen im Format eines World Cafés, verschiedene Funktionen der App ausprobiert: Dashboard, Küchentagebuch, Statistiken und Fragebogen. Mit einer Küchenwaage ausgestattet sollten die Teilnehmenden verschiedene Lebensmittelreste - Kartoffelschalen, einen alten Apfel und eine Schale mit Porridge - wiegen und die Abfälle ins digitalen Küchentagebuch der App eintragen. Zusätzlich wurden Herkunft der Lebensmittel und Gründe des Entsorgens abgefragt und notiert. Sie haben dann im statistischen Teil die Darstellungsweise der Abfälle in Diagrammen bewertet.
Beobachtungen und Anmerkungen sind anschließend in der großen Runde diskutiert worden. Eine einfachere Sprache, mit kürzeren, vereinfachten Texten, womöglich mit Hilfsstellung durch Übersetzungstools, eine klarere Anordnung und Abfolge, Befehlsbuttons statt langer Texte: so lauteten einige der Anregungen, um die App für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu machen. Dabei ist es eine Gratwanderung zwischen der unkomplizierten, alltäglichen Nutzung für Privatpersonen und der Auswertungen von Mitmach-Aktionen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung von Vereinen oder Initiativen, die ebenfalls in der zukünftigen App vorgesehen sind. Auch sollte die App mehr unterhaltende, motivierende und belohnende Elemente enthalten ("Gamification") und den Nutzer*innen mehr Feedback zu ihrem Verhalten und zu einzelnen Aktionen geben.
Kritik und Anregungen werden in der Weiterentwicklung der App berücksichtigt, die voraussichtlich im Januar 2025 im Rahmen der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wird. Die App wird in der nächsten Projektphase mit externen Partnern aus den Bereichen Herstellung, Handel, Verbraucher*innen-Initiativen und Zivilgesellschaft auf die Probe gestellt.
Das Dialogforum private Haushalte 2.0 wird im Rahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Es arbeitet eng mit der BMEL-Initiative Zu gut für die Tonne! zusammen. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) über den Zeitraum Oktober 2023 bis September 2026. Das Dialogforum wird von Slow Food Deutschland zusammen mit dem Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft der TU Berlin durchgeführt.