Import-Standards zum weltweiten Nutzen von Menschen und Natur

04.02.2025 - Seit Jahren können viele europäische landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr kostendeckend arbeiten. Extreme Wetterereignisse, die die Ernten verringern, immer niedrigere Erzeugerpreise und zugleich höhere Kosten für Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie Treibstoff sind einige Ursachen. Hinzu kommt der Wettbewerb mit importierten Produkten aus Nicht-EU-Ländern. Da sie sich nicht an die in Europa geltenden Vorschriften halten müssen, entsprechen sie oft nicht den in der EU geltenden oft höheren Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutzstandards. Slow Food Präsident Edward Mukiibi berichtet, welche Konsequenzen das für Produktionsländer im globalen Süden hat und welche Gegenmaßnahmen unternommen werden können.

Dieses Ungleichgewicht benachteiligt zum einen europäische Landwirt*innen. Doch es sind vor allem die Menschen, Tiere und Ökosysteme des globalen Südens, die den Preis für die schädlichen Folgen des industriellen Lebensmittelsystems und unregulierten Welthandels zahlen. Dazu zählen Pestizidvergiftungen, Land- und Ressourcenraub sowie die Verschmutzung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Als Landwirt und Afrikaner möchte ich mich dem Thema aus der Perspektive des globalen Südens nähern. Die industrielle Nahrungsmittelproduktion, die größtenteils im globalen Norden praktiziert wird, basiert auf ausbeuterischen Aktivitäten im globalen Süden. Sie heizt die Klimakrise durch den massiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in riesigen Monokulturen und Fabrikfarmen an. Monokulturen, also große Flächen mit nur einer einzigen Pflanzenart wie zum Beispiel Soja oder Mais, machen die Pflanzen anfällig für den Befall mit Schädlingen und somit den Einsatz großer Mengen an Pflanzenschuttmitteln (Pestiziden) erforderlich. Das hat länderübergreifend Folgen. So sind beispielsweise 30 Prozent der in Brasilien zugelassenen Pestizidwirkstoffe in der EU verboten. Zugleich werden viele der im globalen Süden verwendeten Chemikalien aus Europa importiert. Und in Ostafrika werden viele extrem gefährliche Pestizide inzwischen im Rahmen von Subventionen importiert.

Hinter den Monokulturen im industriellen Maßstab steht die Vorstellung, es sei für den Export notwendig, die entsprechenden Pflanzen in riesigen Mengen anzubauen. Dies wiederum begünstigt Großgrundbesitzer, die sich oft durch Landgrabbing, also illegale Maßnahmen, Boden zu eigen machen. Der Sojaanbau beispielsweise nimmt heute mehr als die Hälfte der brasilianischen landwirtschaftlichen Flächen ein. Er ist eine der Hauptursachen für die Entwaldung des Amazonasgebiets und auch für schwerwiegende Landkonflikte verantwortlich. Eine Studie von 2023 zeigt, dass mindestens 500 Sojafarmen indigenes Land überlagern. Wir sprechen hier von mehr als 75 Tausend Hektar Boden, eine Fläche, die Ländern wie Singapur oder Bahrain entspricht. © Marco Del Comune.JPG

Die EU sollte die Verantwortung für die gesamte globale Lieferkette übernehmen, also auch für importierte Lebensmittel. Sie darf nicht die Augen vor Praktiken verschließen, die zu Pestizidvergiftungen, Umweltzerstörung und Landraub in den Erzeugerländern führen. Slow Food Europa und insbesondere Slow Food Deutschland sensibilisieren die Verbraucher*innen für dieses Thema. Der von Slow Food und den EU-Partnern herausgegebene internationale Bericht »Double standards on our plates « (»Gleiche Standards für alle Lebensmittel « lautet der Titel in Deutschland) zeigt nicht nur Regelungslücken bei den Importstandards für EU-Drittländer auf. Es wurde auch ein Appell an die neuen EU-Kommissare gerichtet, Doppelstandards in der EU-Handelspolitik zu beseitigen.

Durch die Einführung von sogenannten Spiegelmaßnahmen bei den Standards für Importe, kann die EU die Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft nicht nur in der EU, sondern auch im globalen Süden vorantreiben und unterstützen. Die Festlegung von Importstandards, die der Umwelt, den Tieren und der Gesundheit der Menschen in den Erzeugerländern zugutekommen, würde Kleinbauern, die gute, saubere und faire Lebensmittel produzieren, auch einen Vorteil beim Zugang zu den EU-Märkten ermöglichen. Derzeit sind es vor allem die großen Konzerne, die für den Export produzieren und leicht Zugang zu den europäischen Märkten bekommen. Doch für Kleinbauern sollten dieselben Bedingungen gelten. Deshalb ist es wichtig, die Spiegelmaßnahmen unter Berücksichtigung der Kosten, die auch Kleinbauern stemmen können, und in einem realistischen Zeitrahmen umzusetzen, um kleine landwirtschaftliche Betriebe nicht zu benachteiligen. Lebensmittel wie auch die ihnen zugrundeliegende Natur ist per Definition grenzenlos. Wir können darum nur dann in den Genuss guter Lebensmittel kommen, wenn wir länderübergreifend zusammenarbeiten − jenseits jeglichen wirtschaftlichen Nationalismus'.

von Edward Mukiibi, Präsident von Slow Food

erschienen im Slow Food Magazin 01/2025

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