Bio Company Kampagne „Kauf weniger!“: Die Botschaft hinter der Botschaft
Vor 20 Jahren haben Sie die Bio Company gegründet, heute gibt es 58 Filialen in Berlin, Hamburg und Dresden. Und dann starteten Sie Mitte September die zweiwöchige Kampagne „Kauf weniger“. Reicht es Ihnen jetzt mit dem Wachstum?
Georg Kaiser: Nein, so sollte man das natürlich nicht sehen. Die Kernaussage lautete eigentlich: „Kauft nur das, was ihr braucht. Dann landen auch weniger Lebensmittel im Müll“. Aber eine solche Botschaft kommt eben nur an, wenn man provoziert und ein bisschen übers Ziel hinaus schießt.
Kaufen Ihre Kunden nicht ohnehin schon sehr bewusst ein, allein weil sie sich für ökologisch angebaute Produkte entscheiden, die ja auch teurer sind?
Kaiser: Die Aktion zielte nicht auf unser Kernklientel, sondern auf ein viel breiteres Publikum. Deshalb haben wir auch nicht nur vor unseren Filialen Aufsteller mit dem Spruch „Kauf weniger“ gehabt. Der Hauptteil der Kampagne fand im öffentlichen Raum und in Social Media Kanälen statt: Werbespots im Radio, Plakate in den Städten und Tipps für einen besseren Umgang mit Lebensmitteln auf Facebook und Instagram. Die Problematik, dass zu viele Lebensmittel weggeworfen werden, ist ja bekannt. Jetzt gilt es, auch das Bewusstsein dafür zu schärfen, damit sich hier etwas ändert. In Deutschland landen jährlich fast 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall, ungefähr die Hälfte davon stammt aus Privathaushalten. Das ist eine riesige Verschwendung. Und vieles davon müsste nicht sein, wenn weniger eingekauft und Obst, Gemüse oder Brot richtig gelagert würden.
Waren Sie zufrieden mit der Resonanz auf die zweiwöchige Kampagne?
Kaiser: Ja, sehr. Wir haben mehrere Millionen Menschen erreicht und extrem viel Positives Feedback bekommen – über unsere Social Media Kanäle, per E-Mail und von den Kunden in unseren Märkten. Sogar Briefe und Postkarten haben wir erhalten. Und als wir am 20. September bei der großen Fridays-for-Future-Demo vor unserer mitstreikenden Filiale Demeter-Äpfel und -Möhren verteilten und die Kampagne vorstellten, haben wir damit sehr, sehr viele Leute erreicht. Die allermeisten waren begeistert. Ich habe eigentlich noch nie so viel positive Resonanz bekommen wie an diesem Tag. Aber natürlich gab es auch die üblichen Kritiker, die uns Heuchelei oder Doppelmoral vorgeworfen haben. Ich will gar nicht abstreiten, dass eine solche Aktion immer eine Eigenwerbung ist, weil sie einfach viel Aufmerksamkeit erregt. Und natürlich lautete unsere Botschaft auch: Kauft keine billige Massenware, sondern gute Qualität, die dann auch ihren Preis hat.
Wie haben Ihre Lieferanten auf den „Kauf-weniger“-Slogan reagiert?
Kaiser: Die sind natürlich erst mal zusammengezuckt, das ist ja klar. Das war bei mir ehrlich gesagt nicht anders, als die Kreativ-Agentur das Konzept erstmals präsentiert hat. Wir haben das in aller Ruhe in den Jahresgesprächen mit unseren Lieferanten vorgestellt. Die haben uns dann einfach vertraut, schließlich haben wir bislang alles richtig gemacht.
In den Bio Company-Filialen gibt es ein sehr vielfältiges Sortiment, immer wieder werden auch neue Produkte präsentiert. Das verführt natürlich auch zum Kauf. Welche Verantwortung sehen Sie bei sich als Ladner?
Kaiser: Ein breites Angebot und bewusster Konsum sind für mich kein Widerspruch. Wir wollen niemandem Vorschriften bei der Auswahl machen, sondern dafür werben, nicht mehr einzukaufen als benötigt wird. Vielfalt und Genuss gehören zu unseren Versprechen. Und in unseren Filialen wird nicht viel weggeworfen. Wir achten schon beim Einkauf darauf, dass keine zu großen Mengen bestellt werden. Bleibt wirklich etwas übrig, geben wir das an Foodsharing, mit denen wir schon von Beginn an zusammenarbeiten.
In einer Kreuzberger Filiale haben Sie im September für einige Stunden Ihren Kunden freigestellt, was sie für ihren Einkauf bezahlen wollen. Hat Sie der Ausgang des Experiments „Zahl, was es Dir wert ist“ enttäuscht? Immerhin gaben 62 Prozent der Kunden einen niedrigeren Betrag, die Preisabweichung lag bei durchschnittlich 20 Prozent.
Kaiser: Ich hatte auf ein Fifty-fifty-Ergebnis gehofft, aber ganz überraschend war der Ausgang auch nicht. Denn eingekauft hat nicht nur ein Querschnitt unseres Klientels, sondern auch Leute, die auf der Straße auf die Aktion aufmerksam wurden. Drei Promoter haben vor der Filiale dafür geworben. Das haben wir ganz bewusst gemacht, um eben möglichst viele Menschen anzusprechen. Dass darunter auch immer einige Geizkragen und Schnäppchenjäger sind, die die Situation ausnutzen, ist eigentlich zu erwarten. Aber immerhin haben 29 Prozent der Leute mehr gezahlt, als der Einkauf in Wahrheit gekostet hätte, neun Prozent schätzten den Wert in etwa richtig ein. Und ich muss gestehen, dass ich bei meinem eigenen Einkauf auch daneben lag und etwa zehn Prozent zu wenig geschätzt hatte. Bei Lebensmitteln kenne ich den Wert, aber ich hatte auch Non-Food-Artikel im Einkaufskorb. Den Preis der Bienenwachstücher habe ich total unterschätzt und statt auf 15 Euro nur auf sechs bis sieben Euro getippt. Das hat mich reingerissen.
Insgesamt gibt es aber natürlich die grundsätzliche Problematik, dass in Zeiten von hartem Konkurrenzkampf und Dumpingangeboten im Lebensmittelhandel bei vielen Kunden das Gefühl für einen fairen Preis verloren gegangen ist – ein Preis, von dem auch die Erzeuger leben können und unter dem weder Mensch noch Tier noch die Umwelt leiden müssen. Dass Lebensmittel im Bioladen mehr kosten, hat genau damit zu tun.
Das Interview führte Birgit Schumacher
Was sagt Slow Food zur Kampagne? Kauf weniger und mehr vom Guten – einem solchen Aufruf werden hoffentlich noch weitere Lebensmitteleinzelhändler folgen, der Einladung dazu wiederum die Kundinnen und Kunden selber!
Über Georg Kaiser:
Georg Kaiser eröffnete vor 20 Jahren den ersten Laden der Bio Company in Berlin-Kreuzberg, nachdem er in Oberfranken mit der kleinen Edeka-Filiale seiner Eltern nicht mehr im Preiswettbewerb bestehen konnte und diese schließen musste. Seitdem ist die Biosupermarktkette auf 58 Filialen angewachsen, die meisten davon sind in Berlin. Die Bio Company setzt stark auf regionale Zulieferer und will damit bäuerliche Strukturen fördern. Sie ist auch Gründungsmitglied des Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft.
Quelle: Interview erschienen im Slow Food Magazin