Biodiversitätsschutz: Warum wir das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ unterstützen

09.10.2019 - Artenschutz und Agrarwende erfordern eine neue Vereinbarung für mehr Verbindlichkeit und Verantwortung in Baden-Württemberg, denn auch in den vergangenen zwei Legislaturperioden wurde weder das massive Artensterben noch das ebenso massive Höfesterben trotz vieler gut gemeinter Förderprogramme gestoppt. Die Forderung nach Pestizidfreiheit in Naturschutzgebieten löst an mancher Stelle Kontroversen aus, deshalb hat die Bodensee-Stiftung ein Positionspapier zum Volksbegehren Artenschutz formuliert, das die Slow-Food-Position sehr gut widerspiegelt und sehr klar vermittelt, warum dieses Vorgehen so wichtig ist.

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Zur Position der Bodensee-Stiftung zum Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ in Baden-Württemberg geht es >> hier.

„Wir brauchen mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft, mehr Regionalität, fairere Marktbedingungen für heimische Erzeuger und mehr Nachhaltigkeit auf den landwirtschaftlichen Betrieben“, sagt Tim Kiesler, geschäftsführender Landesvorstand des ökologischen Erzeugerverbandes Demeter. „Und deswegen brauchen wir ein pragmatisch und praxisnah umgesetztes Volksbegehren Artenschutz.“

Die neue Verbindlichkeit für Artenschutz und Agrarpolitik ergibt sich aus der massiven Verschlechterung in beiden Bereichen. Die Hälfte der natürlichen Lebensräume im Ländle ist bedroht. Nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) verschlechterte sich seit 2013 der Zustand von zehn Arten, während sich lediglich der von vier Arten besserte. Einzelne Tierarten gingen in verschiedenen Regionen des Landes um 25 bis 75 Prozent zurück. „Seit Jahren nimmt die Artenvielfalt dramatisch ab und der Pestizideinsatz bleibt auf hohem Niveau. Die vielen guten und richtigen Einzelstrategien von der Landschaftspflege bis zum 'Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt' haben das Artensterben nicht aufhalten können“, sagt Brigitte Dahlbender, Volksbegehrens-Sprecherin und BUND-Landeschefin. „Deshalb haben wir jetzt unseren Vorschlag für ein Gesetz für eine verbindliche Pestizidreduktion auf den Weg gebracht."

Zudem ging in dieser Zeit auch das Sterben der Bauernhöfe weiter. „Seit Ende der 90er Jahre ist gut die Hälfte der kleinen und mittleren Betriebe in Baden-Württemberg weggebrochen, während die Zahl der Großbetriebe sich fast verdoppelt hat“, sagt Tanja Holzschuh, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Baden-Württemberg. „Die falschen agrarpolitischen Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte sind eine wirkliche Bedrohung für die Zukunft der heimischen Landwirtschaft. Den vom Innenministerium für angemessen und umsetzbar eingeschätzten Gesetzentwurf als Existenzbedrohung für die Landwirtschaft zu proklamieren, entbehrt dagegen der sachlichen Grundlage“, sagt Tim Kiesler.

Volksbegehren setzt auf Anreize statt Verbote

Nun drängt die Zeit. „Wenn der Rückgang der Insekten so weiter geht wie bisher, haben wir noch ein Zeitfenster von maximal 15 Jahren um einen Kollaps der Nahrungsnetze zu verhindern“, sagt Volksbegehrens-Sprecher und NABU-Landeschef Johannes Enssle. „Das erfordert eine höhere Verbindlichkeit im Handeln und viel stärkere gemeinsame Anstrengungen als bisher.“ Das Bündnis des Volksbegehrens sieht den von den Bauernverbänden vorgelegten Volksantrag als gute, aber nicht weit genug gehende Anregung diesen Weg zu beschreiten. Leider bleibe das Papier der Bauernverbände hinter bereits angekündigten Vorhaben der Landesregierung zurück, etwa bei der Pestizidreduktion: „Selbst das Landwirtschaftsministerium ist in Fragen einer Pestizidreduktionsstrategie schon konkreter als der Volksantrag der Bauernverbände“, konstatiert Volksbegehrens-Sprecher und proBiene-Geschäftsführer David Gerstmeier. Auf der inhaltlichen Ebene könne und müsse man nun in einen Austausch zur pragmatischen und praxisnahen Umsetzung kommen.

Das baden-württembergische Volksbegehren hat mit seinem Gesetzentwurf von Beginn an vor allem auf Anreize und Förderung gesetzt: So fordert der Gesetzentwurf beim Ausbau des Öko-Landbaus und bei der Erarbeitung einer Pestizidreduktionsstrategie die Landesregierung zur verbindlichen Entwicklung entsprechender Strategien auf, die die landwirtschaftlichen Betriebe zu freiwilligem Handeln motivieren. Lediglich im Bereich besonders geschützter Gebiete sieht das Volksbegehren Verbote vor und selbst hier soll es Ausnahmenmöglichkeiten geben.

Wie läuft das Volksbegehren ab?

Das Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“ wird von einem Trägerkreis aus Umweltschützern, Landwirtschaftsverbänden, Verbraucherorganisationen, sozialen Bewegungen und nachhaltigen Unternehmen getragen. Das Bündnis sammelt vom 24. September bis zum 23. März 2020 Unterschriften von Wahlberechtigen. Wahlberechtigt sind deutsche Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind und am Tag der Unterschrift seit mindestens drei Monaten in einer baden-württembergischen Kommune mit Erstwohnsitz gemeldet sind.

Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen mindestens 770.000 Unterschriften zusammenkommen. Zum ersten Mal können die Bürger*innen in Baden-Württemberg mit dem Volksbegehren Artenschutz über einen Gesetzentwurf entscheiden. Dazu sammelt das Bündnis in dem gesamten Zeitraum flächendeckend in allen Landesteilen mit vielen Ehrenamtlichen und Bündnispartnern Unterschriften. Wahlberechtigte können die Unterschriften-Formblätter auf www.volksbegehren-artenschutz.de herunterladen, ausfüllen und bis zum 23. März an das Wahlamt ihrer jeweiligen Gemeinde schicken.

Die Forderungen: Weniger Pestizide, mehr Öko-Anbau

Das Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“ fordert, dass die Landesregierung die Artenvielfalt in Baden-Württemberg schützt. Nur Gesetze werden verbindlich dafür sorgen, dass Biene, Schmetterling & Co. geschützt sind. Das Bündnis fordert zudem eine Wende hin zu einer ökologischen Landwirtschaft und einer Agrarpolitik, die die nachhaltige Arbeitsweise stärker fördert.

Zu den Kernforderungen des Gesetzentwurfes gehören eine verbindliche Pestizidreduktionsstrategie des Landes bis 2025, ein Ausbau der Öko-Landwirtschaft auf 50 Prozent bis 2035, eine Umstellung der staatlichen Landwirtschaftsbetriebe auf Öko-Anbau, das Verbot von Pestiziden in Artenschutz- und Naturhaushalt-relevanten Schutzgebieten sowie ein besserer Schutz von Streuobstflächen gegen Bebauung.

Das Volksbegehren in Kürze:

Über das Bündnis: Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“ ist eine Initiative der proBiene - Freies Institut für ökologische Bienenhaltung und wird getragen von proBiene, BUND BW, NABU BW, ÖDP BW, Slow Food Deutschland, Demeter BW, Naturland BW, AbL BW, Fridays for Future BW, Bäuerlicher Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, Naturata, GLS-Bank und Waschbär. Für den Trägerkreis sprechen Dr. Brigitte Dahlbender (BUND), Johannes Enssle (NABU), David Gerstmeier (proBiene), Tobias Miltenberger (proBiene). Vertrauensleute im Sinne des Volksabstimmungsgesetzes sind David Gerstmeier und Tobias Miltenberger.

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