Chef-Alliance-Koch Thomas Sampl zu "gut, sauber, fair"
„Gut, sauber, fair“ das ist die Slow-Food-Philosophie. Würden Sie uns Ansätze in Ihrer Küche nennen, mit denen Ihnen die Umsetzung gelingt?
Die Basis hierfür sind meine direkten Kontakte zu Erzeugern in der Region. Ich weiß wer mein Bauer ist, wie und was er anbaut. Rund 80 Prozent der Produkte, die ich in der Hobenköök anbiete kommen aus einem Umkreis von 200 Kilometern. Und wir arbeiten fast ausschließlich mit den Landwirten direkt zusammen. In ganz seltenen Fällen sind wir aus logistischen Gründen auf Zwischenhändler angewiesen. Und das ist seit gut mehr sieben Monaten, seit dem Bestehen der Hobenköök, ein faires Geschäft für alle Beteiligten. Die Bauern merken, dass sie mit uns Geld verdienen, denn Samstags beispielsweise kaufen uns die Leute hier die Bude leer (lacht). Und die frischen Lebensmittel, die wir nicht verkaufen, verarbeiten wir á la carte in unserem Restaurant. Damit ist bei uns alles Frische innerhalb von zwei Tagen verbraucht, verschwendet wird nichts.
Mit welchen Zutaten aus Ihrer Region kochen Sie besonders gern? Sind auch Passagiere der Arche von Slow Food dabei?
Wir machen viel mit Äpfeln, unter anderem mit dem Arche-Passagier Finkenwerder Herbstprinz. Ich koche auch sehr gerne Wild- und Grünkohl. Meine Pilze beziehe ich aus einer Pilzzucht aus Bremen und sie sind ein echter Genuss. Bunte Vielfalt aus bunten Gemüsen ist mir wichtig und das spiegelt meine Speisekarte wieder. Es gibt jeden Tag Gemüse aus unserer Markthalle zusammen mit einer ‚Sättigungsbeilage‘. Meine Gäste lassen sich gerne von dem überraschen, was gerade Saison hat, was wir da haben und verwertet werden möchte. Gute Öle von Mühlen, die ich kenne, sind für mich essenziell. Ich nutze regionale Öle wie Lein- oder Buchweizenöl statt Olivenöl.
Wie stehen Sie zu typischen Gerichten ihrer Region?
Ich bin gebürtiger Ostwestfale, habe aber durchaus eine Verbindung zu den Hamburger Gerichten. Ich lebe seit 15 Jahren hier und habe mich viel mit Hamburger Rezepturen auseinandergesetzt. Spontan denke ich an Aaalsuppe. Die basiert nicht auf Aal, sondern da kommt alles rein. Angefangen beim Knochen vom Sonntagsbraten über Knödel auf Getreidebasis bis hin zu Früchten aus dem Alten Land. Daraus entsteht eine köstliche klare Suppe mit intensivem Aroma. Da ich selber aus einer Fleischerfamilie stamme, bin ich auch immer noch mit guten Wurstwaren zu haben.
Der Fisch liegt Ihnen am Herzen. Seeteufel oder Loup de mer sucht man in der Hobenköök vergeblich. Warum?
Weil ich meine Kunden und Gäste dazu einladen möchte, sich auf dem regionalen Markt umzuschauen und zu wissen, was der bietet. Wir haben in der eigenen Region oft gute und sogar bessere Qualität als das, was der konventionelle Handel uns vorgibt. Das ist auch beim Fisch so. Fisch für meine Theke beziehe ich unter anderem von Binnenfischern vom Schaalsee und Plöner See, darunter Süßwasserfische wie Saibling, Regenbogen-, Bach- und Goldforelle. Aus der Nord- und Ostsee kommen Seehecht und Seelachs. Mein Angebot variiert und hängt davon ab, was meine Fischer fangen. Ich habe vier Hauptlieferanten, die mir garantieren, dass der Fisch keine langen Wege hinter sich hat. Das sind die Fischzucht Reese, Alfred Urthel aus Friedrichskoog, die Kieler Meeresfarm und der Förde Garnele.
Wie wirkt sich die Frische des Fisches auf dessen Zubereitung und Genuss aus?
Frische Fische lassen sich viel einfacher und genussvoller zubereiten. Wenn beispielsweise ein Saibling frisch und als Ganzes angebraten wird, lassen sich seine Gräten superleicht entfernen. Dieser Zusammenhang zwischen ‚Frische‘ und einfacher Zubereitung ist vielen Verbrauchern nicht bekannt. Ich höre oft von Kunden, dass sie es zu schwierig und kompliziert finden, Fisch als Ganzes zu verarbeiten. Ich erkläre ihnen dann, dass die meisten Süßwasserfische an durchschnittlichen Fischtheken oftmals schon eine Woche alt und damit zu alt sind. Bei zu viel Weg und Handel geht Genuss verloren. Es ist entscheidend auf kurze Wege zu achten und einen Fischhändler oder Zwischenhändler des Vertrauens zu haben.
Was sind für dich Voraussetzungen für ökologisch vertretbaren Fischgenuss?
Der wichtigste Schritt ist, Fisch als besondere Mahlzeit wertzuschätzen. Wir sollten uns außerdem damit auseinandersetzen, wo unser Fisch herkommt. Dass das billige Lachsfilet aus dem Supermarkt, der Wels aus Südafrika oder das Tilapia-Filet so ziemlich das Gegenteil von Nachhaltigkeit sind haben inzwischen schon einige verstanden. In der Breite aber reichen das Bewusstsein und das Verständnis längst noch nicht aus. Wir müssen Nachfrage für regionale Fischarten und solche, die in ihrer Zubereitung vermeintlich schwierig sind, schaffen. Fische wie Rotauge, Rotfeder, Schleie, Karpfen und Flussbarsch fallen aus dem Mainstream heraus und werden nur selten im Handel und in Restaurants angeboten. Wer sie essen möchte muss selber die Angel auswerfen. Unser Lebensmittelsystem, das zu wenig auf einen diversifizierten und damit nachhaltigen Fischgenuss ausgelegt ist, hat die Nachfrage der meisten Verbraucher stark und leider negativ beeinflusst.
Bei der Slow-Food-Veranstaltung zum Thema Fisch Anfang 2019 haben über 40 Gäste regionale Fische ausprobiert. Wie war Ihre Erfahrung?
Erstmal war es extrem schwer war an die Fische des Abends zu kommen (lacht). Meine Fischhändler haben sie uns an einem echt stürmischen Wochenende extra gefangen. Kennen tut die Arten zwar jeder Angler, aber zubereiten will sie keiner. Alle sagen ‚Der hat mir zu viele Gräten‘. Sind sie so nachhaltig, weil sie eben keiner haben will. Dabei sind das tolle Fische, die super schmecken und sich vielfältig verarbeiten lassen. Das war das einhellige Feedback der Gäste. Ich habe ihnen gezeigt, dass Gräten kein Hindernis sind. Ich kann die Fische wie Brathering sauer einlegen. Die Säure zerstört die feinen Gräten. Alternativ kann ich auch Frikadelle daraus machen. Dafür wird die Mittelgräte entfernt, der Fisch filtriert, inklusive der übrigen Gräten zerkleinert und mit dem Mixer püriert. Gemischt mit geschmorten Zwiebeln, Dill, Senf, Brotkrümmel und Ei ist die Basis für die Frikadelle perfekt. Und ich bin weiterhin der Meinung, dass sich für echten Fischgenuss die Mühe und Zeit fürs Gräten pulen lohnt. Ich habe mich riesig gefreut, dass so viele Menschen da waren. Für mich ist das ein klares Zeichen, dass das Thema die Verbraucher interessiert und daran knüpfen wir an!
Bild: (c) Ingo Hilger