Fakten zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik: Darum geht die EU-Wahl 2019 uns alle an
Unter dem Motto #foodispolitics #votewithyourfork stellt Slow Food in Deutschland und Europa seit dem 27. April und noch bis zur EU-Wahl hier und in den sozialen Medien täglich einen spannenden Fakt über den Zusammenhang zwischen der EU und unserem Essen sowie den Auswirkungen der EU-Agrarpolitik geförderten Landwirtschaft auf Umwelt und Klima zur Verfügung. Die Agrarpolitik geht uns alle an, denn sie beeinflusst, was auf unseren Tellern landet. Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme – Essen ist politisch! Deshalb teilen wir diese wichtigen Informationen auch hier mit Ihnen.
#1 - Essen ist politisch!
Was hat unser Essen mit der EU-Politik zu tun? Welchen Einfluss hat sie auf unser Lebensmittelsystem? Antworten darauf bekommt ihr in den nächsten 29 Tagen bis zur Europawahl am 26. Mai. Ab morgen werden wir euch täglich mit spannenden Fakten und Themen über den Zusammenhang zwischen der EU und unserem Essen versorgen. Die Agrarpolitik geht uns alle an, denn sie beeinflusst, was auf unseren Tellern landet. Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme – Essen ist politisch!
2019 wird darüber entschieden, welche Landwirtschaft die EU jährlich mit 60 Milliarden Euro EU-Agrargeldern unterstützt und wohin die Gelder fließen.
Für die Agrarindustrie oder eine faire Landwirtschaft?
Am 26. Mai 2019 ist Europawahl in Deutschland. Geh wählen!
#2 - Vor 57 Jahren (1962) trat die Gemeinsame Agrarpolitik in Kraft
…und ist seitdem mit Abstand der größte Posten im EU-Haushalt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es vor allem darum, die Bevölkerung mit ausreichend Nahrungsmitteln zu fairen Preisen zu versorgen.
Die früher definierten Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik sind bis heute im Kern gleichgeblieben: Viele günstige Lebensmittel für den europäischen und den Weltmarkt produzieren sowie landwirtschaftliche Einkommen stabilisieren. Die gesellschaftlichen Erwartungen und Bedürfnisse haben sich aber deutlich verändert. Es geht nicht nur darum, den Bedarf an Nahrungsmitteln zu sichern, sondern auch darum, Überproduktion zu verhindern und zukunftsfähig zu wirtschaften. Seit der Entstehung wurde die Gemeinsame Agrarpolitik bereits mehrfach reformiert und versucht neu anzupassen.
Im Mai 2019 wird in der EU neu gewählt und im Jahr 2021 startet die nächste Förderperiode der GAP. Wird die Chance auf die Umsetzung einer faireren und umweltfreundlicheren GAP genutzt werden oder vertan?
Am 26. Mai 2019 ist Europawahl in Deutschland. Geh wählen!
#3 - Die EU-Agrarförderung fußt auf zwei Säulen.
Die erste Säule stellt die Förderung der Agrarbetriebe nach Anbaufläche dar („Flächenprämien“, ca. 75 % der Gelder), die zweite Säule enthält die Förderung ländlicher Entwicklung, ökologischer Bewirtschaftung und Umweltschutzmaßnahmen (ca. 25 %). In der Förderperiode von 2014 bis 2020 steht Deutschland ein Gesamtbudget von ca. 6,2 Milliarden Euro zur Verfügung; 4,85 Milliarden Euro der EU-Agrarausgaben gehen dabei in die erste Säule und ca. 1,35 Milliarden Euro in die zweite. Damit machen die Direktzahlungen der ersten Säule mit geringen ökologischen Verpflichtungen weiterhin den Großteil der Fördermittel aus und begünstigen Großkonzerne mit großen Anbauflächen, die hauptsächlich Rohstoffen für den Weltmarkt produzieren. Umweltschutzmaßnahmen und wichtige Investitionen in die ländliche Entwicklung bleiben dagegen unterrepräsentiert. Das muss sich ändern!
#4 - Im Jahr zahlen jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger durch Steuergelder durchschnittlich 114 Euro für die europäische Landwirtschaft.
Das sind ca. 31 Cent pro Tag und insgesamt fast 60 Milliarden Euro jährlich. Dies entspricht 38 % des gesamten EU-Budgets. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist dadurch einer der wichtigsten EU-Politikbereiche und mit Abstand der größte Posten im Haushalt der EU. Gehe am 26. Mai zur Wahl und entscheide mit, wofür Dein Geld ausgegeben wird!
#5 - Der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten in der EU ist zwischen 2005 und 2016 um mehr als 25% gesunken.
Heute ist Tag der Arbeit! Auch in der Landwirtschaft sind die Arbeitsbedingungen oft prekär und die Einkommen der Landarbeitenden starken Schwankungen ausgesetzt. Sinkende Preise können Produzentinnen und Produzenten in ihrer Existenz bedrohen. Teilzeit- und Kurzzeitverträge sind Alltag und auch Schwarzarbeit ist verbreitet.
Da Agrarunternehmen ihre Förderung pro Hektar statt pro Arbeitskraft erhalten, wird zwar die Vergrößerung der Betriebe gefördert, nicht jedoch die Sicherung der Arbeitsplätze. Denn im Allgemeinen gilt: Umso größer die landwirtschaftliche Fläche, desto weniger Personen sind pro Hektar beschäftigt. EU-Agrarsubventionen beinhalten auch bisher keine Auflagen über Arbeitsnormen in der Landwirtschaft. Die Ergänzung der Auflagen um eine Sozialklausel ist unerlässlich!
#6 - Alle sieben Jahre beginnt eine neue Förderperiode der Gemeinsamen EU Agrarpolitik (GAP). Die nächste 2021.
Seit ihrer Entstehung vor über 50 Jahren wurde die EU-Agrarpolitik mehrfach reformiert. Den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht sie bisher nicht.
Wer entscheidet über die EU-Agrarreform? Nachdem die EU-Kommission einen Vorschlag entwickelt hat, wird dieser mit dem Europäischen Parlament und dem Agrarministerrat abgestimmt. Die Mitgliedstaaten der EU entscheiden dann über die Rahmendbedingungen der GAP im jeweiligen Land. Die EU-Politik beeinflusst so, was auf unseren Tellern landet.
Letztes Jahr wurden Gesetzesvorschläge der EU-Kommission für die GAP nach 2020 vorgelegt. Viele Umweltorganisationen sehen dabei keine Verbesserung für die Umwelt.
Mach dich mit deiner Stimme bei der EU-Wahl für eine umwelt- und klimagerechtere GAP stark! Am 26. Mai ist Europawahl in Deutschland. Geh wählen!
#7 - 3% der Agrarbetriebe bewirtschaften 52% der landwirtschaftlichen Fläche in der EU.
Die wirtschaftliche Bedeutung und Monopolstellung von großen Agrarbetrieben wächst weiter und hat in den vergangenen Jahren einen Anstieg von 16 % verzeichnet. Mit der Ausbreitung von Großbetrieben geht ein Verlust von Anbaumethoden, Erzeugnissen und Agrobiodiversität sowie ein Anstieg von Umweltbelastungen durch Intensivbewirtschaftung einher.
Wir fordern eine gezielte Unterstützung kleinbäuerlicher Betriebe durch die EU und dass Förderungen an weitreichende Öko-Leistungen gebunden sind!
#8 - Im Zeitraum von 2012 bis 2015 überschritten 13 % der Messstationen in Europa den Nitrat-Grenzwert für Trinkwasser
In vielen Teilen Europas ist das Grundwasser stark mit Nitrat belastet. Die großen Mengen Gülle, die durch die intensive Tierhaltung entstehen, können weder von Pflanzen noch vom Boden aufgenommen werden. Auch die Überdüngung von Feldfrüchten hat zur Folge, dass der überschüssige Stickstoff nicht aufgenommen werden kann und dieser ins Wasser gelangt.
Düngemittel im Gewässer führen zu vermehrtem Wachstum von Algen und damit einhergehend zu Sauerstoffmangel. Viele Arten können in diesem veränderten Lebensraum nicht mehr existieren. Andere wenige vermehren sich hingegen stark.
Wir fordern die EU auf, die Wasserrahmenrichtlinie und die Agrarpolitik enger aufeinander abzustimmen, um unser Trinkwasser wirkungsvoller zu schützen.
#9 - Unser Boden ist Lebensraum für zahlreiche Kleinstlebewesen: Ca. 15 Tonnen von ihnen leben in 1 Hektar.
Unser Boden ist einer der wichtigsten Kohlenstoffspeicher und ein vielfältiger Lebensraum. Er liefert Nährstoffe und Wasser für die Nahrungsmittelproduktion.
Doch die Bodenqualität ist immer mehr gefährdet. Nicht zuletzt trägt die industrielle Landwirtschaft durch ihren Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Chemikalien zur Reduzierung der Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit bei.
Eine geplante Bodenrahmenrichtlinie der EU sollte einen Beitrag zum Bodenschutz leisten. Die Richtlinie wurde allerdings nicht verabschiedet und der Entwurf der EU-Kommission im Jahr 2014 zurückgezogen.
Wir brauchen eine zukunftsfähige Bewirtschaftung und einen gesunden Boden, um gesunde Nahrungsmittel produzieren zu können. Dafür soll sich die Politik einsetzen!
#10 - Die GAP fördert systematisch Masse und Volumen. Rentabel sind in dieser Denke nur Großstrukturen, Monokulturen & industrielle Tierhaltung.
Europa entscheidet, welche Landwirtschaft sich lohnt: 70 % der EU-Gelder werden momentan pro Hektar ausgegeben. Je mehr Fläche desto mehr Geld. Die Zahlung ist dabei weitestgehend unabhängig davon, wie der Acker behandelt wird. So handelt es sich bei 90 % dieser Direktzahlungen um entkoppelte Leistungen, die ohne Berücksichtigung von Art und Umfang der Produktion geleistet werden, das heißt Umwelt- und Ressourcenschutz werden nicht monetär belohnt. Hierbei erhalten 20 % der Betriebe in der EU rund 80 % der Subventionen. Mit diesem System fördert die EU große und tendenziell flächenstarke industrielle Agrarbetriebe. Für diese Betriebe lohnt es sich Rohstoffe, Pflanze und tierische Erzeugnisse nur in Masse zu produzieren. Die Folge: Immer mehr bäuerliche Betriebe sterben aus. Wir fordern daher bedürfnisorientierte und an Öko-Leistungen gebundene Zahlungen. Weg von der Agrarwüste und hin zur Vielfalt auf dem Acker und auf dem Teller!
#11 - 2018 wurden über 90 % der Ferkel die Schwänze gekürzt, eine Praxis, die EU-weit eigentlich seit 1994 verboten ist.
Wegen der viel zu kleinen Stallflächen beißen sich die Ferkel gegenseitig die Schwänze ab, was durch das sogenannte „Kupieren“ verhindert wird. Über Ausnahmegenehmigungen beim Veterinäramt umgehen Landwirtinnen und Landwirte dieses Verbot massenhaft, mit der Rechtfertigung, dass dies dem Tierschutz diene. Anstatt über größere Ställe das Tierwohl zu gewährleisten, werden die Tiere verstümmelt. Für eine artgerechte Haltung muss es von EU-Seite sowohl entsprechende Gesetze, als auch Sanktionen bei Nichteinhaltung geben. Da größere Ställe enorme Investitionen für Landwirtinnen und Landwirte bedeuten, müssen Investitionen in das Tierwohl gezielt und in höherem Maße gefördert und die Anreize für eine artgerechte Haltung fest in der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) verankert werden.
#12 - Weniger als 2 % der EU-Mittel aus der zweiten Säule der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) werden für Tierwohlprämien ausgegeben.
Über 80 % der EU-Bürgerinnen und -Bürger wünschen sich mehr Tierschutz in der Nutztierhaltung. Eine politische oder wirtschaftliche Strategie wurde jedoch bisher weder von der EU noch von den Mitgliedsstaaten vorgelegt. Die EU-Agrarförderung fußt auf zwei Säulen: Die Erste umfasst Flächenprämien während die zweite Säule Aspekte des Umweltschutzes berücksichtigt. Im Rahmen der Letzteren besteht die Möglichkeit jährliche Prämien für besonders tiergerechte Haltungen, wie Weidehaltung oder mehr Bewegungsraum, zu gewähren. Diese Option wird bisher jedoch kaum genutzt.
Wir verlangen, dass die EU die Wünsche und Forderungen seiner Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Tierwohl darf nicht länger eine Option darstellen, sondern muss eine Bedingung für den Erhalt von Agrarsubventionen sein!
#13 - Seit 2015 sind 30 % der Direktzahlungen an die Einhaltung von sogenannten Greening-Maßnahmen gebunden.
Tatsächlich sind sie eher ein grüner Deckmantel, so bringen diese de facto eher wenig für Umwelt und Artenschutz. Das Greening umfasst 3 Maßnahmen: Erhalt des Dauergrünlands, Anbaudiversifizierung sowie die Bereitstellung von sogenannten Ökologischen Vorrangflächen, d.h. Flächen, die dem Umweltinteresse entsprechen.
Den Agrarbetrieben ist es allerdings möglich, diese Anforderungen wenig wirksam umzusetzen. Slow Food fordert deshalb, zielstrebige Standards für Klima-, Umwelt und Artenschutz in der neuen GAP gesetzlich zu verankern.
#14 - Die GAP beinhaltet kaum Maßnahmen, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verringern...
…obwohl deren Einsatz mit verheerenden Folgen für Natur und Umwelt einhergeht. Der Großteil konventioneller Agrarbetriebe setzt Pflanzenschutzmittel mindestens einmal pro Saison – oftmals jedoch deutlich häufiger – ein. Die Auswirkungen sind zahllos und an hohe Kosten für die Allgemeinheit geknüpft: Rückstände in Lebensmitteln, Grundwasserverschmutzung sowie die Vernichtung von Nahrungsquellen und Lebensräumen von Insekten und Vögeln.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) beinhaltet keine Maßnahmen, um ihren Einsatz deutlich zu verringern. Ausnahme sind Betriebe mit über 15 Hektar Land. Sie müssen 5 % ihrer Fläche als „ökologische Vorrangflächen“ bewirtschaften. Auf diesen ist seit 2018 der Einsatz von Pestiziden verboten, doch ist das eher ein Tropfen auf den heißen Stein! Das zeigt sich daran, dass es Bienen und anderen Arten mittlerweile in der Stadt bessergeht als auf dem Land. Die GAP-Subventionen müssen also an deutlich strengere Maßnahmen für den Pestizideinsatz geknüpft werden!
#15 - Knapp 40 % des gesamten EU-Budgets ist für den Bereich „Nachhaltiges Wachstum, natürliche Ressourcen“ vorgesehen. 97 % dieser Gelder fließen allerdings in die kaum auf Zukunftsfähigkeit ausgerichtete GAP.
Laut EU-Recht müsste die Europäische Union Mittel für den Umwelt- und Naturschutz zur Verfügung stellen. Ein eigener Finanztopf für den Erhalt der biologischen Vielfalt existiert jedoch nicht. Stattdessen wurde die Umweltfinanzierung in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) integriert.
Aktuell ist die GAP allerdings nicht mit Blick auf die nächsten Generationen ausgerichtet. Die GAP-Subventionen zielen auf eine Intensivierung der Landwirtschaft ab und fließen nicht in Förderungen für den Klima- und Umweltschutz sowie den Biodiversitätserhalt. Die Mehrheit der Gelder fließen in Direktzahlungen, welche die intensivsten und umweltschädlichsten Formen der Landwirtschaft per Hektar fördern. Diese sind kaum an Kriterien der Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch, politisch, sozial und kulturell) gebunden.
Die EU muss eigenständige Gelder für den Schutz von Natur und Umwelt bereitstellen, anstatt sie nach Fläche an große Agrarunternehmen, die intensive und umweltschädliche Landwirtschaft betreiben, zu zahlen!
#16 - Vom 23.-26. Mai sind Europawahlen.
Alle 5 Jahre werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments neu gewählt. In Deutschland findet die Wahl am 26. Mai 2019 statt.
Wahlberechtigte können dann ihre Abgeordneten ins Europäische Parlament wählen, das über europäische Gesetze und über den Haushalt der EU entscheidet. Wir fordern die Kandidatinnen und Kandidaten der Europawahl 2019 dazu auf, sich für eine gute, saubere und faire Gemeinsame Nahrungsmittelpolitik einzusetzen.
Willst du über die Zukunft deiner Ernährung mitentscheiden und diese beeinflussen? Gib am 26. Mai deine Stimme ab und setz dich ein für den Wandel von einer Agrar- hin zur ganzheitlichen Ernährungspolitik! Die GAP muss nicht nur zukunftsfähiger werden, langfristig fordert Slow Food den Bereich Lebensmittelerzeugung und -konsum in einer ganzheitlichen ressortübergreifenden Gemeinsamen Lebensmittelpolitik festzuschreiben, denn die Folgen der Lebensmittelproduktion betreffen alle Bereiche – Umwelt, Klima sowie urbane und ländliche Entwicklung.
Am 26. Mai ist Europawahl in Deutschland. Geh wählen!
Nicht da am 26. Mai? Du kannst einen Wahlschein für die Briefwahl bis spätestens Freitag, den 24.05. um 18:00 Uhr beantragen.
#17 - Nahezu 13 % der für die Biodiversität essentiellen „Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert“ sind seit 2009 verschwunden.
Seit 2005 beinhaltet die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Maßnahmen zum Schutz des Grünlands. Dennoch schrumpfen besonders die wichtigen struktur- und blütenreichen Grünlandflächen.
Oftmals fehlt es den Maßnahmen an notwendiger Ausgestaltung und Umsetzung und sie sind mit einem hohen bürokratischen Aufwand sowie unverhältnismäßigen Kontrollen verbunden. Auch mangelt es an finanziellen Anreizen für Agrarbetriebe Flächen mit hohem Naturwert anzulegen und zu erhalten.
#18 - Seit 1982 ist die Zahl der Feldvögel in Mittel- und Osteuropa um über 40 % gesunken. Bei Waldvögeln waren es im gleichen Zeitraum nur 6 %.
Durch die intensive Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen verlieren Vögel wichtige Brutplätze. Infolge von Monokulturen, mangelnder natürlicher Vegetation, Überdüngung sowie dem intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, welche Insekten und „Unkraut“ abtöten, sinkt das Nahrungsangebot auch stetig. Auch das für die Tiere zum Überleben notwendige Wasser wird von der intensiven Landwirtschaft übernutzt und verschmutzt.
Für den Schutz und Erhalt der Artenvielfalt ist eine Umstellung der landwirtschaftlichen Methoden essentiell. Die Europäische Union darf nicht weiter Agrarbetriebe fördern, die durch die intensive Landnutzung die Natur und Artenvielfalt bedrohen!
# 19 - Die Berufsschäferei ist gefährdet. In Deutschland ist von 250 Bäuerinnen und Bauern nur eine Berufsschäferin bzw. einer Berufsschäfer.
Der Schaf- und Ziegensektor spielt in Europa eine bedeutende Rolle und leistet nicht zuletzt einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege und für den Naturschutz.
Um diesen Sektor zu unterstützen und die extensive Weidetierhaltung (mit ihrem ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nutzwert) zu erhalten, hat die EU Förderinstrumente entwickelt. Die Einführung einer Weidetierprämie wurde von allen EU Mitgliedstaaten – außer von Deutschland – begrüßt und eingesetzt. Dabei ist die erwerbsmäßige Schafhaltung aber zunehmend bedroht. Die Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter fordern von der Bundesregierung mindestens 38 € pro Mutterschaf und Jahr.
Slow Food fordert, dass die Weidetierprämie auch in Deutschland eingeführt wird, damit der Wert der Schäfereien anerkannt wird und diese erhalten bleiben.
#20 - In den letzten 15 Jahren hat das Europäische Patentamt mehr als 200 Patente auf konventionelle Kulturpflanzen erteilt.
Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung. Über Jahrtausende war es ein öffentliches Gut und wurde von Landwirtinnen und Landwirten weiterentwickelt und getauscht. Seit dem 20. Jahrhundert versuchen Agrarkonzerne zunehmend dieses Gemeingut zu privatisieren. Mit Erfolg: Allein 2017 wurden 25 Patente vom Europäischen Patentamt vergeben, unter anderem auf Züchtungen von Gemüsesorten wie Zwiebeln, Tomaten, Kartoffeln und Gurken.
Wir fordern die Europäische Union auf, die Vielfalt unserer Kulturpflanzen zu sichern. Der Zugang zu Saatgut und dessen Weiterentwicklung muss auch in Zukunft garantiert werden!
#21 Weg von Agrarpolitik und hin zu einer Ernährungspolitik!
Slow Food macht sich weltweit für ein zukunftsfähiges Lebensmittelsystem stark. Um dies zu erreichen spricht sich der Verein auf EU-Ebene schon seit Langem dafür aus, die aktuelle EU-Agrarpolitik in eine EU-Ernährungspolitik umzugestalten, die das Thema Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ressortübergreifend und damit ganzheitlich behandelt. Fakt ist, dass die Klima- und Umweltauswirkungen, der Verlust der Artenvielfalt sowie negative gesundheitliche und sozioökonomische Auswirkungen des aktuellen Lebensmittelsystems die Zukunft unserer Ernährung und unseres Planeten beeinträchtigen.
Allerdings verfolgen viele Politiken, die sich auf Lebensmittelsystem auswirken, bis jetzt unterschiedliche Ziele und verursachen sogar widersprüchliche Ergebnisse. Wir brauchen mehr politische Kohärenz. Wir brauchen eine Ernährungs- und Lebensmittelpolitik, die sich ressortübergreifend mit dem Thema zukunftsfähige Lebensmittelproduktion befasst.
#22 - Rund 50 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen in der EU sind gepachtet.
Insbesondere für junge Landwirtinnen und Landwirte, die ressourcenschonend bewirtschaften wollen, ist es schwierig, sich eine Zukunft auf dem Land aufzubauen. Es fehlt ihnen oft an Kapital und politischer Unterstützung. Horrende Pachtpreise und die Eigentumssituation auf den Höfen stehen einer Existenzgründung oftmals im Weg.
Mit den 60 Mrd. € der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) sollten junge Landwirtinnen und Landwirte sowie bäuerlich arbeitende Erzeugerinnen und Erzeuger bei der Landvergabe deutlich mehr unterstützt werden und bei der Vergabe der Gelder größere Berücksichtigung finden.
#23 - Etwa 88 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in der EU jährlich verschwendet.
Lebensmittelverschwendung stellt ein aktuelles und dringliches Thema auf EU-Ebene dar. Neben den wirtschaftlichen Kosten und ethischen Folgen geht sie einher mit erheblichen Auswirkungen auf unsere Umwelt.
Maßnahmen zur Verringerung müssen durch eine höhere Lebensmittelwertschätzung und eine bedürfnisorientierte Herstellungsmenge erreicht werden. Was wir brauchen ist ein Systemwandel. Weg von der industriellen Landwirtschaft hin zu einem Agrar- und Lebensmittelsystem, das bereits am Beginn der Erzeugungskette die Verschwendung von Lebensmitteln minimiert oder gar vermeidet.
#24 - Nur 7% der landwirtschaftlichen Flächen der EU werden biologisch bewirtschaftet
Die europäische Produktion kann die wachsende Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln nicht decken. Seit Beginn des Jahrtausends hat sich der Pro-Kopf-Konsum von Bio-Lebensmitteln in der EU knapp vervierfacht. Aufgrund der steigenden Nachfrage und dem wachsenden Marktanteil von Bio-Lebensmitteln in der EU ist der Anteil an biologisch bewirtschafteter Fläche zwar gewachsen aber dennoch viel zu gering.
Die EU zahlt nur 6 % ihres Haushalts für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen an den Biolandbau aus, wobei die Anteile je nach Land stark variieren. Um der steigenden Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln gerecht zu werden, muss sich die GAP neu ausrichten und Fördermittel für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gezielter für den Biolandbau einsetzen!
#25 - Im Jahr 2016 erhielten lediglich 1 % aller Betriebe in Deutschland rund 20 % der Direktzahlungen.
In der gegenwärtigen Förderperiode von 2014 bis 2020 stehen Deutschland jährlich rund 6,1 Milliarden Euro aus dem GAP-Budget zur Verfügung. Ein kleiner Teil davon, 1,3 Milliarden Euro, fließt neben der Landwirtschaft auch anderen Akteurinnen und Akteuren zu, um Wirtschaft und Umwelt im ländlichen Raum zu fördern. Der Großteil aber, rund 4,8 Milliarden Euro, wird direkt an landwirtschaftliche Betriebe und weitgehend proportional zur bewirtschafteten Fläche ausgezahlt. Das bevorteilt in erster Linie große Betriebe mit großen Anbauflächen und benachteiligt ökologisch wirtschaftende Kleinbetriebe. Die EU fördert hier nach dem Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“. Wir fordern eine gerechtere Verteilung der EU-Agrarmittel und eine Unterstützung der kleinbäuerlichen und am Gemeinwohl orientierten Landwirtschaft!
#26 - Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hat sich die EU dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 % zu senken.
Die Landwirtschaft ist ein entscheidender Faktor, wenn es um diese Emissionen geht: etwa ein Viertel aller klimaschädlichen Gase weltweit kommt aus der Landwirtschaft, in der EU sind es etwa 10 %. Zwar wurde in der EU die oben genannte Maßgabe festgelegt, aber ein konkretes Ziel, um wie viel die Emissionen in der Landwirtschaft reduziert werden sollen, wurde bisher nicht festgelegt. Zwar gibt es in der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) Ansätze zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen, doch werden deren Ergebnisse nicht kontrolliert.
#27 - Climate Smart Agriculture ist nicht die Lösung unserer Probleme.
Erste Entwürfe der neuen GAP zeigen eine starke Tendenz der Förderung technologieintensiver Bewirtschaftungsmethoden, die auf Präzisionslandwirtschaft setzen. Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes, findet mit klimasmarter Landwirtschaft eine Versteifung auf agrarindustrielle Produktionsmodelle statt, die letztlich multinationale Agrar- und Lebensmittelkonzerne begünstigt. Denn: Diese Art der Bewirtschaftung ist mit sehr energieintensiven und teuren Betriebsmitteln (Dünger, Pestizide, Maschinen usw.) verbunden, die große Investitionen seitens der Landwirtinnen und Landwirte voraussetzen und neue Abhängigkeiten schaffen. Zudem findet mit fortschreitender Digitalisierung eine immer detailreichere Aufnahme von Daten und Informationen statt, die die Konzerne für sich nutzen.
Wir fordern daher eine Förderung agrarökologischer Landwirtschaft, statt einer agroindustriellen Intensivierung! Für eine Transformation hin zu einer klimafreundlicheren und zukunftsfähigeren Landwirtschaft braucht es agrarökologische Prinzipien und Ernährungssouveränität als Basis unserer Ernährungs- und Handelspolitik!
#28 - Allein 31 % der Bäuerinnen und Bauern waren 2013 bereits über 65 Jahre alt.
Generation no future! Wo sind die jungen Landwirtinnen und Landwirte? Schätzungsweise 3,5 Millionen der über 65-Jährigen werden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Dem gegenüber stehen nur 15 % Landwirtinnen und Landwirte, die unter 44 Jahre alt sind: Die Landwirtschaft in der EU hat ein Nachwuchsproblem und steht auf der Kippe! Der Berufseinstieg in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ist für viele junge Menschen aufgrund preissensitiver Höfe und Ackerflächen sowie nicht attraktiven Lebens- und Arbeitsbedingungen immer schwieriger.
Damit genügend junge Menschen für die Landwirtschaft gewonnen werden, muss die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) bedürfnisorientiert ausgerichtet sein und ihre Mittel auch für die Existenzgründung bereitstellen!
#29 - In den vergangenen 27 Jahren ist die Fluginsekten-Biomasse um 75% zurückgegangen.
Die Natur ist ein Kreislauf! Insekten sind wichtig für die Bestäubung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen und für unsere Ökosysteme. Ohne sie würden die Erntemengen drastisch abnehmen und auch Vögeln Nahrung fehlen. Ein Grund für das Insektensterben ist die industrielle Landwirtschaft, die der Artenvielfalt schadet.
Wir brauchen dringend einen Systemwandel. Auf EU-Ebene muss sich das neu gewählte Europäische Parlament und die neue Gemeinsame Agrarpolitik ab 2021 für den Insektenschutz einsetzen! Damit die Artenvielfalt erhalten bleibt und die Lebensmittelproduktion auch künftig gesichert werden kann.
#30 - Zwischen 2003 und 2013 mussten rund ein Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe in der EU schließen.
Rund 96 % der betroffenen Betriebe verfügten über weniger als 10 Hektar. Sie stellen mit 80 % das Gros der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU dar, bewirtschaften insgesamt jedoch nur 10 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Diese Kleinbetriebe sind meist mit derselben Herausforderung konfrontiert: Die niedrigen Lebensmittelpreise decken kaum die Produktionskosten. Die Gewinne machen nicht die Produzentinnen und Produzenten, sondern vor allem die Verarbeitungs- und Handelsunternehmen.
Da der Großteil der EU-Agrarsubventionen nach Flächengröße vergeben wird, kommen landwirtschaftliche Kleinbetriebe in der Förderung oftmals zu kurz. Die EU-Agrarpolitik muss die wirtschaftliche Überlebenschance von Kleinbetrieben sicherstellen anstatt große Agrarkonzernen einzig auf der Basis ihrer Flächengröße zu fördern!