Frühjahrsstürme – oder Klimawandel in Aktion
Zwei Tage lang tobte Wirbelsturm Idai über Mosambik und Zimbabwe. Seitdem sorgen die Verwüstungen, die der Hurrikane anrichtete, und die nachfolgenden Überschwemmungen für Schlagzeilen. Wirbelsturm Idai ist einer der Gründe dafür, weshalb wir fast nichts über eine andere Flutkatastrophe gehört haben, die derzeit Staaten im Mittleren Westen der USA verwüstet. Am schlimmsten sind Nebraska und der Westen von Iowa betroffen, aber auch Nachbarstaaten und die Anrainer des Missouri. Es geht nicht darum, Naturkatastrophen zu vergleichen oder eine zur schlimmeren zu erklären. In einer solchen Situation gibt es kein ‚schlimmer als’ - für die Betroffenen hat sich das Leben auf schreckliche Art und für lange Zeit verändert.
Wassermassen verwandeln Landstriche in Seenlandschaften
Der Anlass (trotzdem) über Nebraska zu sprechen ist der Klimawandel. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen uns seit langem, dass die steigenden Temperaturen extreme Wetterereignisse wahrscheinlicher machen. Und in Nebraska ereigneten sich zwei solcher Wetterereignisse in schneller Folge: Im Januar drifteten die Polarwinde ungewöhnlich weit nach Süden und brachten arktische Kälte in den Mittleren Westen. Die Temperaturen fielen auf bis zu -41°C, sogar das Wasser des Michigansees fror zu bizarren Eislandschaften. Klimaforscherinnen und -forscher gehen zunehmend davon aus, dass diese Form von Wetterereignis durch die rapide abschmelzenden Eisschichten in der Arktis verursacht wird. Im Februar blieb es extrem kalt bis dann im März ein Winter-Wirbelsturm losbrach, gefolgt von einem plötzlichen und drastischen Anstieg der Temperaturen und extremen Regenfällen. Weil der Boden bis in tiefere Bodenschichten durchgefroren war, konnte das Wasser nicht einsickern. Dazu kam die einsetzende Schneeschmelze, binnen kurzer Zeit wurden weite Flächen zu Seenlandschaften. Gleichzeitig stieg der Pegel in den Flüssen, an mindestens 62 Stellen brachen Deiche, über hunderte Kilometer wurden Deiche zum Teil schwer beschädigt. Nach dem Bruch eines Staudamms ergoß sich eine knapp vier Meter hohe Flutwelle über die umliegenden Gebiete. Die Wassermassen schoben große Eisblöcke vor sich her, die alles in ihrer Bahn zerstörten oder sich zu meterhohen Eismauern auftürmten.
Mit weiteren Stürmen und Überflutungen ist zu rechnen
Nach ersten Schätzungen von Anfang April wurden die Schäden in Nebraska auf US$1,5 Milliarden geschätzt, dabei entfallen je etwa US$ 400 Millionen auf Infrastrukturschäden (nicht eingerechnet sind die Schäden an Privatwohnungen, Firmengebäuden und Büros), Verluste durch ertrunkenes Vieh sowie zerstörte Getreidevorräte. Wegen Überflutungen mussten zunächst 2400 Kilometer des Straßennetzes gesperrt werden, Brücken wurden zerstört und Eisenbahnschienen unterspült. Der Gouverneur von Nebraska, Pete Ricketts, erklärte den Ausnahmezustand. Im östlich angrenzenden Bundesstaat Iowa sieht es nicht anders aus, nach ersten Schätzungen sollen sich die Schäden dort auf US$ 2 Milliarden belaufen. Jeder Tag ohne Regen war willkommen, die Meteorologinnen und Meteorologen sagten jedoch weitere heftige Regenfälle vorher. Und tatsächlich zogen in der zweiten und dritten Aprilwoche schwere Unwetter mit Regen und Schnee über den Mittleren Westen. In South Dakota fielen 63 Centimeter Schnee, die Windgeschwindigkeiten erreichten 170 Stundenkilometer. Mit weiteren Stürmen und neuerlichen Überflutungen muss gerechnet werden.
Bodenfruchtbarkeit auf Jahre zerstört
Der wahrscheinlich schlimmste Anblick sind tote Tiere, darunter viele Kälber, die mit den Wassermassen weggespült wurden und ertranken. Viele Farmerinnen und Farmer haben jetzt die grässliche Aufgabe, die aufgedunsenen Kadaver von Weiden, aus Hecken oder Schlammablagerungen zu bergen. Dort, wo das Wasser abläuft wurde der Mutterboden mit weggeschwemmt, es haben sich tiefe Rinnen gebildet, auf den Äckern blieben Müll, Trümmer von Schuppen und Gebäuden, Äste und entwurzelte Bäume liegen. Normalerweise würde jetzt die Feldarbeit beginnen, damit im Mai gesät werden kann. Aber viele landwirtschaftliche Maschinen wurden durch Flutwasser beschädigt. Sie auseinanderzunehmen, zu trocken und zu reparieren wird Wochen dauern. Die Farmerinnen und Farmer nehmen das nur noch resigniert zur Kenntnis, viele Äcker werden in diesem Jahr sowieso brach liegen müssen. Selbst wenn bis Juni nur noch die Sonne scheint, der Boden würde nicht genügend abtrocken, zitierte eine Agrar-Nachrichten Webseite einen Farmer. Das Wasser entwickelte solche Kräfte, dass ganze Getreidesilos weggespült wurden. Wo die Fluten langsamer stiegen, quillt jetzt das nasse Getreide in den Silos und droht sie zu sprengen. Wegen des von Donald Trump initiierten, andauernden Handelsstreits mit China hatten US Farmerinnen und Farmer Rekordmengen von Soja, Mais und Weizen in der Hoffnung eingelagert, dass die Preise wieder anziehen würden. Große Mengen des auf Farmen gelagerten Getreides sind jetzt unverkäuflich und können nur noch entsorgt werden. Die Landwirtinnen und Landwirte versuchen zu retten was sie können, Versicherungen werden einen Teil der Verluste ersetzen, ein staatliches Regierungsprogramm (das allerdings erst noch verabschiedet werden muss) mag helfen – aber die Einkommen von Landwirtinnen und Landwirten sinken seit Jahren und sind auf einem Tiefststand. Jeder Wiederaufbau wird enormer Anstrengungen bedürfen. Und es wird Jahre dauern, bis die Bodenfruchtbarkeit wiederhergestellt ist. Die Farmerinnen und Farmer, die mit Zwischenfrüchten arbeiten, haben vielleicht etwas weniger Oberboden verloren, aber keine Bewirtschaftungsmethode kann Ackerland und Weiden schützen, wenn sich dort plötzlich ein Fluss seinen Weg bahnt.
Schauen Sie im Internet unter ‚Nebraska floods 2019’ einige der Bilderserien und Videos an. Sie geben Ihnen eine Blick auf das, was uns allen mit dem Klimawandel bevorsteht. Und es sind Landwirtinnen und Landwirte, wie die in Nebraska und Iowa, die Nahrungsmittel für uns alle anbauen.
Wer Betroffene unterstützen möchte:
>> Nebraska Farmers Union
>>Rotes Kreuz
Text von Marianne Landzettel
(c) Lorie Kreycik Knigge