Gastronomie: Lebensmittelverschwendung im Gastgewerbe vermeiden

21.10.2019 - Lebensmittelverschwendung findet entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Lebensmitteln statt. Luka Lübke, Köchin der Slow Food Chef Alliance Deutschland, liefert im Folgenden Tipps, wie man auch im Gastgewerbe ohne Verschwendung auskommt. Lassen Sie sich inspirieren, einige der Ideen lassen sich auch im Eigenheim anwenden.

Luka Lübke (c) Marta Urbanelis.jpgFoodwaste – ein großes Thema - ist in aller Munde. Wir von der Slow Food Chef Alliance sagen: gutes Essen beginnt beim Lebensmittel, für uns Gastronomen heißt das: beim Einkauf. Aber was kaufe ich ein? Was muss ich bestellen? Wie viel? Und wo? All das hängt von meiner Speisekarte ab. Je größer, je starrer, je länger gültig sie ist, desto unflexibler bin ich in der Wahl meiner Lieferanten, desto abhängiger bin ich von Preissteigerungen und Qualitätsschwankungen durch Wetterverhältnisse und andere Faktoren. Ist nur eine Komponente schlecht oder nicht erhältlich, kann das leicht die restlichen Komponenten beeinflussen oder dafür sorgen, dass diese in die Tonne geraten. Kurz gesprochen am Beispiel vom Gericht Zander mit Bohnensalat: sind die Bohnen aus, ist auch der Zander aus.

Gewiss, es erfordert Arbeit und kostet Zeit, die Sortimentsgestaltung am saisonalen bzw. Wochen-Angebot auszurichten. Es erfordert Aufmerksamkeit und Nachdenken, die Ware, die gerade wächst oder die noch in unserem Lager liegt ins Sortiment einzufügen. Es erfordert Weitblick und Sorgfalt, ein Lager zu führen, das optimalerweise am Ende einer Woche augenscheinlich leer sein sollte und dennoch tausend Möglichkeiten bietet, sobald man es um etwas Frisches, Aktuelles und nicht zuletzt Bezahlbares ergänzt. Dass das nicht immer leicht umzusetzen ist, vor allem wenn man an den Personalnotstand denkt, der in der Gastronomie oft vorzufinden ist, ist klar. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass uns der verantwortungsvolle Blick zurück, in eine Zeit vor Convenience dabei helfen kann, nachhaltiger zu arbeiten.

Hier ein paar praktische Ansätze zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung:

Das Greenbox-System

Mit Frischgemüse-Erzeugern oder -Kooperativen, aber auch bei unseren Großhändlern, ist es möglich, über Verarbeitungsware zu sprechen. Ware, von der es gerade viel gibt und die innerhalb einer Woche verarbeitet werden sollte. Natürlich, gewisse Standards wie Kräuter, Zwiebeln, Knoblauch und ähnliche Lebensmittel wird es immer fest geben, aber ob ich mit Kohlrabi, Auberginen, Mairübchen, Fenchel oder roten Beten koche ist im Prinzip egal, sofern ich flexibel in meiner Sortiment-Gestaltung bleibe. So lässt sich über die Woche direkt am Produkt entlang arbeiten und weder dem Gast noch dem angestellten Koch, der angestellten Köchin wird langweilig, weil er oder sie stets die Herausforderung hat zu überlegen, was man spontan mit einem Lebensmittel machen kann. Welche Rezept-Vielfalt gibt es zum Beispiel für Kohlrabi, statt diesen nur in Rahm schwimmen zu lassen?

Ganznutzung von Tier und Pflanze

Auch hier der Blick zurück. Nose-to-tail und Roots-to-stem sind zwei schon recht bekannte Trends, die trotzdem für uns Gastronomen immer noch ein wenig elitär klingen. Klar, wer die Großverpflegung schnell und günstig bedienen muss, kauft sich derzeit keine ganzen Schweine und zerlegt sie selbst. Er zieht auch keine Brühe aus Hähnchenkarkassen, sondern bestellt Filet und Brühe-Pulver. In kleineren Restaurants sieht das glücklicherweise zum Teil noch anders aus und das ist gut. Aber wie lange noch? Was tun wir, um dieses alte Wissen zu erhalten? Eigentlich ist doch das Erhaltenswerte das, was wir von unserer Oma gelernt haben. Konfieren, Einmachen, Brühen aus Schalen, Abschnitten, Knochen und Gräten herzustellen – eben „alles verwenden – nichts verschwenden“. Manchmal finde ich uns Köche tatsächlich arrogant, wenn wir in unserer Welt der Farcen und Terrinen meinen, da hätte jemand ein Huhn zerlegt und kunstvoll eckig wieder zusammengesetzt. Das ist vielleicht große Kunst, aber es ist nicht aus künstlerischer Motivation entstanden, sondern aus Not. Aus Resten, um genau zu sein. Nehmen wir uns dort ein Beispiel. Und vor allem: Bringen wir es dem Nachwuchs bei.

Konkurrenzlose Vernetzung

Klar, die Konkurrenz ist hart in unserer Branche. Es war lange nicht unsere Art zusammenzuarbeiten und zu teilen – es ist an der Zeit, das zu ändern, genau so wie es für unser Klima gilt. Warum sich nicht ein Rind teilen, wo man doch ein halbes nicht schlachten kann? Warum nicht gemeinsam etwas mehr kaufen und mit den Auszubildenden einen Zerlegetag einlegen? Sie den Produzentinnen und Produzenten vorstellen? Die Azubis der Nachbarbetriebe gleich mit einladen? Dem Gourmetrestaurant das Filet, dem Wirtshaus die Schulter und der Kita die Teile für Hackfleisch überlassen? Das funktioniert übrigens auch bei großen Betrieben, wenn man direkt mit Produzenten kooperiert und „on demand“ schlachten lässt. Direkt ab Schlachthof kann dann Brust/Keule/Innereien etc. an unterschiedliche Abnehmer verteilt werden. Im Netzwerk der Slow Food Chef Alliance wird das schon seit einigen Jahren praktiziert.

Sortiment und Leftover-Management

Gastronomie flexibel (c) Marta UrbanelisWie oben schon erwähnt ist die feste Speisenkarte oder der Monate im Voraus erstellte Speisenplan meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß und läuft oft auf Verschwendung hinaus. Es wird zwar Zeit und Muße Kosten, das den daran gewöhnten Konsumentinnen und Konsumenten, den Restaurant-Stammgästen, Kantinenkunden oder den Eltern von Kita- und Schulkindern zu erklären. Es ist aber möglich! Wir müssen nur die Abwechslung als das was es ist darstellen, nämlich etwas Positives, Frisches und als Geschmacksgewinnung – nicht als „haben wir leider nicht“. Nicht nur in der Formulierung, auch in der Speisenentwicklung ist Kreativität gefragt. Gehen wir weg von den klassischen verstaubten Garnituren und sehen jede Änderung des Bestands als eine Chance, etwas Neues zu erfinden. Sind die Bohnen beim Zander aus, nehme ich zum Beispiel Rote Bete. Ist dann am nächsten Tag der Zander aus und ich habe noch Rote Bete, habe ich alle Möglichkeiten mit Rote Bete. Suppe, Risotto, Smoothie, Salat. Ich muss nichts mehr wegwerfen.

Storage - Aufbewahrung

Ein ordentliches Kühlhaus ist noch lange kein ordentlich genutztes Kühlhaus. Wie bei einer Bibliothek nützt der ganze Inhalt nicht, wenn niemand weiß was darin ist und vor allem: wo es steht. Bei Lebensmitteln kommt noch ein wesentlicher Punkt dazu: wie lange schon? Meiner Erfahrung nach werden die meisten Dinge weggeworfen, weil man sie schlicht und einfach vergessen hat. Weil man niemandem davon erzählt hat, weil man zu sehr im Stress war, um ihnen eine Chance zu geben. Das ist nicht schön, kommt im Alltag aber vor. Leider muss man aber auch sagen, dass es eher vorkommt, je voller das Kühlhaus ist. Kreativerer Koch und besserer Lagermeister ist, wer weniger hat. Brauchen wir ruhig mal alles auf, auch wenn es zunächst so scheint, als würden Dinge nicht zusammenpassen – oft entstehen so die besten Kombinationen!

Darreichung

Vielerorts haben Köche Angst, man könne über sie sagen, ihre Portionen seien zu klein. So kommt es, das unzählige Teller halbvoll zurückgehen. Um das Lebensmittel ist es schade, aber auch um unsere Arbeit. Einfach alle Portionen im Grundsatz kleiner zu machen ist sicherlich keine elegante Lösung, dennoch kann man beim nächsten Karten- oder Preiswechsel einmal schauen, ob nicht die eine oder andere Angleichung möglich ist. Auch klare Anrichtepläne helfen, Portionen einheitlicher zu schicken. Nicht überall, aber in bestimmten Kantinen-Systemen kann über eine Nachschlag-Taste nachgedacht werden. Großes Potential sehe bei Buffets: die Menschen in Deutschland stehen gerne Schlange und haben leicht Angst, nicht genug abzubekommen. Lösungsansätze: satellitenförmige Buffets, die von mehreren Seiten begehbar sind, kleinere Teller oder Schalen, Personal an der Fleischausgabe oder die Darreichung bestimmter Dinge in vorportionierten Gläschen. Auch Buffetpflege spielt eine Rolle, so es möglich ist muss man nicht stundenlang riesige reizüberflutende Mengen in der Auslage haben – häufigeres Auffüllen rettet eine Menge Lebensmittel und macht zudem einen frischeren, wertigeren Eindruck. Zusätzlich kann man für Überhänge mit Food-Rescue-Organisationen oder Tafeln der Region kollaborieren.

Text: Luka Lübke

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