Genuss: Drei Fragen an Chef-Alliance-Koch Thomas Marbach
»Gut, sauber, fair«, das ist die Slow-Food-Philosophie. Mit welchen Ansätze in Ihrer Küche gelingt Ihnen ihre Umsetzung und wie nehmen Ihre Gäste Ihr Engagement wahr?
Ich denke wir liegen falsch, wenn wir dogmatisch diversen Ernährungstrends folgen, ohne zu hinterfragen, wo das Essen herkommt und was denn wirklich drin ist. Ich möchte gemeinsam mit den Erzeugern und Produzenten aufklären, beraten und wieder Freude am Genuss versprühen. Die Menschen sollen sehen, dass das Herstellen, Zubereiten und Arbeiten mit »echten« Lebensmitteln und natürlichen Ressourcen Sinn und Spaß macht. Darum bekommt jeder Besucher auf unseren Messeständen die Gelegenheit, mit Erzeuger und Koch gemeinsam aktiv zu werden. Dabei lernen sie ganz nebenbei die Menschen hinter den Produkten kennen und entwickeln so ein neues Bewusstsein für handwerklich hergestellte Lebensmittel und Qualität aus der Region.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist mir, anderen Köchen Wege aufzuzeigen, wie sie zurück zum Ursprung ihrer Arbeit finden, um ein gesundes Verhältnis zu natürlichen Zutaten wiederzuentdecken. Der übermäßige Einsatz von hoch verarbeiteten Lebensmitteln hat sich leider in vielen Küchen durchgesetzt. Fehlgeleitete wirtschaftliche Interessen, Personalknappheit und Leistungsdruck in der Branche sind sicher maßgebliche Gründe dafür, dass Produkte oft nur noch nach preislichen Aspekten auf die Einkaufsliste finden. Vermeintliche Zeitersparnis und Vereinfachung erleichtern zwar den betrieblichen Ablauf im Küchenalltag, lassen aber langfristig wichtige Eigenschaften eines guten Kochs verkümmern. Dies führt zwangsläufig in eine Abhängigkeit zu nur wenigen marktbestimmenden Großanbietern, die naturgemäß nur schwer auf regionale Angebote eingehen können.
Auch in Ihrer Region gibt es bestimmt Geschichten über Menschen, Tiere und Landschaften, denen wir besondere Produkte verdanken. Können Sie uns vielleicht eine davon kurz erzählen?
Zum Besuch unserer Stadt gehört auch das Probieren der berühmten Leipziger Lerche. In gute Konditoreien wird das Süßgebäck aus Marzipan und Mürbeteig mit einer kleinen Schriftrolle verkauft, die als kleine Geschichte dessen Ursprung erklärt: Bis zur beinahen Ausrottung des namengebenden Vogels galten zwei in einem ausgehöhlten Apfel ausgebackene Exemplare als Delikatesse. Die anhaltende Nachfrage nach diesem Kleinstgeflügel war vermutlich mitverantwortlich für den Rückgang dieser Spezies. Was den Geschichten der Bäckermeister nicht zu entnehmen ist, Marzipan – einst ein begehrtes Zahlungsmittel – verkam in der aufblühenden Handelsstadt zu einer inflationären Zutat. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht und so das uns heute bekannte Backwerk erfunden. Das Mürbeteigkreuz soll dabei an eine andere überlieferte Zubereitungsart erinnern, bei der das Vögelchen in ein Speckkreuz gewickelt wurde. Eine traditionelle Lerche von heute zeichnet sich zudem durch eine Kirsche in der Mitte des Gebäcks aus, die das Herz des Singvogels symbolisiert.
Am 13. November findet in Leipzig das Kochkunstfestival statt und Sie sind als Mitveranstalter und Foodkurator maßgeblich an der Ausrichtung beteiligt. Was wird dort passieren?
Die 15 angesagtesten Köche Leipzigs wurden engagiert, ihre Kreativität unter Beweis zu stellen. Dabei soll jeweils ein regionales Produkt ins Rampenlicht ihrer experimentellen Kochkunst gerückt werden. Dazu wird es im WERK 2 eine Genussmeile mit kulinarischen Besonderheiten geben, wo die Gäste auf einer kulinarischen Reise u.a. kalt geräucherten Karpfenschinken, das trocken gereifte Elbweiderindfleisch, die schwarzen Knollen der Eilenburger Trüffelfarm, den Arche-Passagier Würchwitzer Milbenkäse oder gar den sächsischen Safran entdecken können. Im Sinne des Slow-Food-Gedankens gibt ein 15-gängiges Probiermenü die einmalige Gelegenheit zu erleben, wie nah doch das Gute liegt.
Wo Thomas Marbach kocht? Überall da, wo gut gemachte Produkte und deren Herkunft geschätzt werden. www.kochanstalt.de.
Quelle: Erschienen im Slow Food Magazin 5/2019.