Karpfennarrisch in der Oberpfalz
Anfang Dezember bin ich mit Klaus Bächer auf seinem Fischhof verabredet, zur Mittagszeit. So ganz einfach ist die Anfahrt nach Muckenthal nicht, vor allem ohne Auto. Aber zum Glück sind wir motorisiert. Dass ich auf dem richtigen Weg bin, ist an den vielen Karpfenteichen zu sehen, an denen ich vorbeifahre. Kein Wunder, dass der Landkreis Tirschenreuth auch „Land der 1 000 Teiche“ genannt wird.
Keine Angst vor Gräten
Seit 1995 gehört zum „Fischhof Bächer“ auch ein kleines Restaurant, das „Fischstüberl“. Dort treffe ich nicht nur Klaus Bächer, von Beruf Fischwirtschaftsmeister, sondern auch Ehefrau Manuela und Oma Elsa, die heute für uns gekocht hat. Karpfen natürlich, genauer gesagt Stiftlandkarpfen blau, also gegart in säuerlichem Sud mit Zwiebeln, Wurzelgemüse und Gewürzen. Ich bin skeptisch, denn Karpfen hat doch so viele Gräten. Vor allem für seine Y-Gräten ist der Süßwasserfisch berüchtigt. Sie stecken auch im Fischfilet – und sind einer der Gründe, warum der Karpfen nicht unbedingt zu den beliebtesten Speisefischen gehört. „Die sind in unserem Karpfenfilet kein Problem“, beruhigt mich Elsa, „denn wir schneiden die Gräten, bevor wir den Fisch zubereiten“. Sie zeigt mir den Grätenschneider, ein spezielles Küchengerät für die Gastronomie. Und wer Karpfen in der eigenen Küche zubereiten will? Geht auch – dafür Filets im Abstand von zwei bis vier Millimetern einschneiden. „Schröpfen“ sagen Karpfenprofis dazu. Doch wie geht man nun mit den Gräten von einem Karpfen um, der im Ganzen zubereitet wurde? „Langsam essen! Karpfen ist somit Slow Food vom Feinsten“, sagt Manuela Bächer.
Artgerechte Zucht
Auf meine Frage an Klaus Bächer, ob Fischwirtschaftsmeister der Traumberuf von ihm war, antwortet er: „Land- und Teichwirtschaft gehören bei uns in Muckenthal schon immer zusammen, ich hab mich halt dafür entschieden, die Teichwirtschaft zu lernen.“ 1985 bis 1988 war das. Und: Bei der Karpfenzucht in Muckenthal war Nachhaltigkeit schon immer Thema – ohne dass sie früher so benannt wurde. Die Fische haben viel Platz in den Teichen, können schwimmen, ihrer Natur nachgehen und im Teichboden gründeln. Und wie ist Klaus Bächers Meinung zum Thema Aquakultur im Allgemeinen? Die Lösung oder eher kritisch zu sehen? „Auf keinen Fall, wenn es sich um industrielle Zuchtanlagen handelt, wo Fischmehl verfüttert wird!“, empört er sich, “für ein Kilo Forelle Fischmehl aus 10 Kilo anderem Fisch? Das geht gar nicht!“
Fetter Fisch – denkste!
Seit Generationen führen die Bächers als Familie die traditionelle Fischzucht. Die Oberpfalz und Franken gelten in Deutschland als die Zentren der Teichwirtschaft, Karpfen war und ist in der Region beliebt. In anderen Regionen Deutschlands geht die Nachfrage zurück. War Karpfen blau im vergangenen Jahrhundert noch ein traditionelles Weihnachtsessen von so manchen unserer Großeltern, wollen die Enkel davon nichts mehr wissen – außer in der Oberpfalz. „Für die Leute, die hier leben, ist es eben selbstverständlich, Karpfen zu essen. Das liegt auch an den Teichen, die hier zu jeder Landwirtschaft gehören. Ist aber in Sachsen oder auch in der Oberlausitz und Meck-Pomm ähnlich. Woanders kennen viele Karpfen aber nur als sagenhaft fetten Fisch, weil er gemästet wurde. So war das vor nicht allzu langer Zeit mit Karpfen aus Ungarn, der bekam Mais zu fressen.“ Ganz anders der „Oberpfälzer Karpfen“, anerkannt durch das gelb-blaue EU-Siegel für „Geschützte geographische Angabe“, mit magerem (geprüft unter 10 Prozent Fett), sehr wohlschmeckendem Fleisch von feinster Qualität und unbedingt wert, mehr beachtet zu werden.
Fischgenuss ohne Reue
Normalerweise beginnt die Saison für Karpfen im September und geht bis April. In den Teichen wird das Wasser abgelassen, die Fische kommen alle raus und in frisches. Und Exemplare mit einem Gewicht von 1 200 bis 1 500 Gramm landen nach und nach im Laden und in der Küche vom „Fischstüberl“. In dem Familienbetrieb hat jeder seine Aufgaben. Tochter Sophia macht in der Saison als Oberpfälzer Teichnixe Werbung für den Karpfen. Klaus schlachtet – neben der Teichwirtschaft – die Karpfen, filetiert sie und räuchert auch welche. Im Restaurant agieren Elsa und Manuela, im Service hilft Klaus abends ebenfalls mit. So wie Tochter Lena, die jetzt Landwirtschaft studiert und ihren Vater bei der Arbeit mit den Teichen und auf den Feldern unterstützt. Auch Tochter Paula hilft bei den Teichen und im Service. Und zu guter Letzt fehlt noch Opa Alfons, der sich um Landwirtschaft und Technik kümmert. Eine tolle Auswahl an Karpfenschmankerl steht im „Fischstüberl“ auf der Karte – neben Stiftlandkarpfen blau: Elsas Karpfensalat nach Matjesart, Karpfen in Aspik, sauer eingelegt wie Brathering oder in ungarischer Sauce sind nur einige der kalten Fischspezialitäten. Es gibt Oberpfälzer Fischsuppe, Karpfenbratwürste – auch als saure Zipfel –, Karpfenfilet mediterran, mit Champignonkruste oder als Dim-Sum und natürlich Gebackenes Karpfenfilet in Bierteig.
Ob sich der „Nose to tail“-Gedanke, also alles vom Tier zu verwenden, auch beim Karpfen umsetzen lasse, frage ich zum Abschluss? Die Köchinnen nicken: „Na klar! Von den Gräten machen wir Fischfond, allerdings ohne Kopf und Kiemen, weil dann beim Kochen weniger Trübstoffe entstehen. Und wenn es mal einen ganzen, blauen Karpfen gibt, essen manche ja auch den Kopf.“ Ach wie schön, Fischessen mit gutem Gewissen kann doch einfach sein, in der Oberpfalz und mit Karpfen auf dem Teller auf jeden Fall!
Ein Beitrag von Martina Tschirner
Fischhof Bächer
Muckenthal 4, 95676 Wiesau, Tel 09634. 536, Öffnungszeiten Fischladen noch bis Ende April Fr, Sa 10-14 Uhr; “Fischstüberl« Fr, Sa ab 18 Uhr; www.baecher-fischhof.de
Bild: (c) Ingo Hilger