Markthelden 2019: „Ich bin Teil des Naturkreislaufs.“
Welche Produkte nehmen Sie mit zum Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe nach Stuttgart?
Ich präsentiere dort meine Birnen-, Apfel- und Quittenschaumweine, die in traditioneller Flaschengärung hergestellt werden. Die entspricht der französischen „Champagnermethode“, darf aber in Deutschland aus rechtlichen Gründen nicht so bezeichnet werden. Außerdem kann man am Messestand verschiedene Fruchtseccos mit und ohne Alkohol probieren. Der alkoholfreie Birne-Kirsch-Secco wird in Stuttgart Premiere haben.
Wie würden Sie Ihre Qualitätsphilosophie beschreiben?
Meine Produkte und auch mich als Streuobstwinzer zeichnet Regionalität aus. Ich wohne schon immer hier im schönen Jagsttal in Hohenlohe und produziere jetzt Getränke aus Früchten dieser Region. So kann man diese Landschaft auch mit seinem Geschmackssinn entdecken. Ich arbeite mit alten Obstbaumbeständen. Manche Birnbäume sind 100 Jahre alt und 14 Meter hoch. Wenn Sie allein vor so einem Birnenriesen stehen, egal ob das im Frühjahr ist, wenn er blüht oder im Herbst, wenn er voller Früchte hängt, dann ist das einfach schön. Ich bin wie ein Teil des Naturkreislaufs. Ich darf die Früchte nehmen und sie veredeln. Das macht mir Freude und diese Freude möchte ich gerne meinen Kunden vermitteln.
Wo wächst das Obst, das sie verarbeiten?
In Simprechtshausen, etwa sieben Kilometer von Unterregenbach, wo ich wohne. Das war ehemals ein Schnapsbrennerort mit 14 Brennrechten. Bis auf eins sind inzwischen alle erloschen. Es gibt deshalb dort sehr viel Gemeindeobst auf Streuobstwiesen und niemanden mehr, der sich danach bückt. Die freuen sich, dass ich die Äpfel und Birnen zusammenlese. Streuobst liegt nicht im Trend und erfährt heute keine Wertschätzung mehr. Wenn Sie das Obst sammeln und im Lagerhaus abgeben, bekommen Sie zwischen sechs und acht Euro für 100 Kilo. Ich bin andererseits froh, dass ich diese Flächen pachten kann, denn eine Schweizer Wasserbirne trägt erst nach 25 Jahren.
Pflücken Sie die Früchte nicht vom Baum?
Die Frucht ist dann reif, wenn die Natur sagt, ich lass dich jetzt los. Zu den Erntezeiten mäht man das Gras unter den Bäumen nicht und die Früchte fallen auf ein weiches Polster. Ich fahre mit dem Auto und einem Anhänger alle zwei Tage von Baum zu Baum, um die Früchte zu holen. Meine Sorten fallen nicht alle an einem Tag, es gibt ganz frühe und ganz späte. Die Rieslingbirne, die im Schaumwein Hohenloher Tribun drinsteckt, fällt beispielsweise erst im November. Sie können prinzipiell nicht so schnell ernten wie auf einer Plantage, sondern müssen öfter hin.
Wie viele verschiedene Obstsorten verarbeiten Sie?
Drei Mostbirnensorten, die Kirchensaller Birne, die Schweizer Wasserbirne und die Rieslingbirne; dazu rund zehn Apfelsorten und bis zu 20 Quittensorten. Bei den Quitten ist mir die Sorte aber nicht so wichtig wie der richtige Reifegrad.
Wachsen die Quitten auch auf den Streuobstwiesen?
Meine Quitten erhalte ich von rund 80 Privatleuten, die einen Quittenbaum besitzen und mir ihre Früchte geben. Manchmal mache ich das im Naturalientausch gegen ein Produkt von mir. Viele kenne ich schon über zehn Jahre, da habe ich das Vertrauen gewonnen, dass ich sorgsam mit dem Baum umgehe und nach der Ernte alles ordentlich hinterlasse. Von manchen Bäumen bekomme ich auch nur einen Korb mit 25 Kilo, weil den Rest schon immer die Nachbarin bekommt. Manche Quittenlieferanten sind schon über 80 und können die Früchte nicht in Unterregenbach anliefern. Die warten dann schon jedes Jahr, bis der „Quittenmann“ kommt. So werden die Bäume und die Menschen zusammen älter.
Die Ausstellerordnung für Markthelden verbietet Citronensäure. Wie kommen Sie ohne diesen Zusatzstoff aus?
Citronensäure ist ein Konservierungsmittel. Man kann aber auch mit der Grundsäure in den Früchten arbeiten, damit das Getränk haltbar bleibt. Die Mostbirnensorten beispielsweise sind von ihren Gehalten an Säure und Gerbstoffen exzellent für die Getränkeherstellung gezüchtet worden.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Streuobstwinzer zu werden?
Ich habe den Schaumwein zuerst nur für mich gemacht. Die Leute wollten dann probieren und kaufen und so wurde mein Hobby zum Beruf und schließlich zur Berufung. Heute bin ich einer der kleinsten Getränkehersteller, den es so gibt, ein landwirtschaftlicher Kleinstbetrieb mit weniger als fünf Hektar. Ich tu das, weil ich Sinn drin sehe. Ein Traumjob mit Verantwortung.
Das Interview führte Katharina Heuberger.
>> Mehr Informationen zu den diesjährigen Qualitätsrichtlinien der Messe sowie den Markthelden.
Bilder (c) Hohenloher Schaumweine, Unterregenbach