Markthelden 2019: „Unsere Milchkühe haben Elternzeit“
Welches Produkt verkauften Sie vor Ort und wie wird dieses hergestellt?
Gemeinsam mit unseren Mitarbeitern, Auszubildenden und natürlich unseren Kühen kann hier auf dem Völkleswaldhof die leckere und wertvolle Vorzugsmilch entstehen. Diese haben wir nun auch auf dem Markt des guten Geschmacks – die Slow Food Messe angeboten.
Sie sind einer von 14 Vorzugsmilchbetrieben deutschlandweit und einer von vier in Baden-Württemberg. Wie kam es, dass Sie sich dazu entschlossen haben, als Milchbetrieb so ein kompliziertes Produkt wie Vorzugsmilch zu vermarkten?
Vorzugsmilch ist für uns der Inbegriff von Natürlichkeit, Frische und Qualität. Wir haben uns bewusst für diesen Weg entschieden. So können wir eine Milch vermarkten, die so schonend wie möglich bearbeitet ist.
Die Produktion von Vorzugsmilch ist streng geregelt und mit vielen Hygienekontrollen verbunden. Wodurch kann es zu Beanstandungen kommen?
Wir führen regelmäßig Eigenkontrollen bei unserer Vorzugsmilch durch. Daher können wir sehr schnell Veränderungen der Milchqualität feststellen und gegebenenfalls entgegenwirken. Es wird im gesamten Betriebsorganismus Wert auf höchste Qualitätsstandards wie Sauberkeit, gesunde Tiere und Nachhaltigkeit gelegt.
Der Bundesverband der Milchdirektvermarkter Vorzugsmilcherzeuger schreibt auf der Website: „Dieses geringe Restrisiko, das auch bei anderen Frischeprodukten wie Eiern, Fisch und Fleisch gilt, wird in der amtlichen Empfehlung zum Verzehr von Vorzugsmilch sehr stark betont.“ Haben Sie selbst schon einmal erlebt, dass eine Kundin oder ein Kunde Ihre Milch nicht vertragen hat?
Nein, bisher haben wir diesbezüglich keine Rückmeldungen bekommen. Im Gegenteil, es gibt immer wieder Berichte von Milchkunden, die sehr positiv über die gute Verträglichkeit dieser Milch berichten.
Sie praktizieren muttergebundene Kälberaufzucht. Passt das besonders gut zur Produktion von Vorzugsmilch oder hat das einen anderen Grund?
Das hat einen ganz anderen Grund, lässt sich aber durch die Direktvermarktung natürlich sehr gut den Verbrauchern kommunizieren. "Elternzeit für unsere Kühe" – das bedeutet, dass alle unsere Milchkühe Mütter sein dürfen und ihre eigenen Kälber säugen und großziehen dürfen, Töchter und Söhne gleichermaßen. Wenn die Familien- und Stillzeit vorbei ist, kommen unsere weiblichen Kälber, nun Fresser genannt, in einen gleichaltrigen Herdenverband. In etwa drei Jahren werden sie zu stattlichen Milchkühen. Ihre Brüder indessen, kleine stolze Bullen, ziehen nach der Stillzeit auf einen nahe gelegenen Demeter-Betrieb, zum Beispiel den Riegenhof bei Mainhardt. Dort wachsen sie dann langsam auf der Weide und im Stall heran, da unser Betrieb für die Bullenmast zu klein ist. Einmal im Monat erhält man dort das köstliche Fleisch von diesen Tieren.
Wie viel Milch fressen die Kälbchen in den drei Monaten Stillzeit weg, die Sie verkaufen könnten? Um wie viel teurer müssen Sie Ihre Milch deshalb verkaufen, um kostendeckend zu arbeiten?
Vor zwei Jahren haben wir die Initiative „Kuh + Kalb“ auf dem Völkleswaldhof gegründet. Der Verbraucher erfährt regelmäßig alles über die muttergebundene Kälberaufzucht und wie er diese unterstützen kann. Die Kälber trinken während der dreimonatigen Stillzeit etwa 900 bis 1.200 Liter Milch. Das ist mindestens doppelt soviel wie bei einer normalen Aufzucht durch den Menschen. Und diese Milch fehlt uns natürlich. Über einen Aufschlag von sechs Cent pro Liter Milch können wir einen kleinen Teil der dadurch entstanden Kosten wieder decken.
Können Sie die Kühe während der Stillzeit auch täglich zweimal melken?
Ja, wir melken alle Kühe zweimal am Tag!
Die kleinen Bullen werden von einem anderen Demeter-Betrieb gemästet. Was machen Sie mit den weiblichen Kälbchen?
Die weiblichen Kälber bleiben in der Regel als Nachzucht auf dem Völkleswaldhof.
Mit welchen Rassen arbeiten Sie? Gibt es Rinderrassen, die sich einmal für Vorzugsmilchproduktion und zum anderen für die muttergebundene Kälbchenaufzucht besonders eignen?
Wir haben eine sehr bunt gemischte Herde. Bei uns gibt es das Fleckvieh, das Allgäuer Braunvieh sowie rot- und schwarzbunte Kühe. Alle sind sie gleich gut für die Vorzugsmilchproduktion und für die muttergebundene Kälberaufzucht geeignet.
Eindrücke vom Markt des guten Geschmacks - die Slow Food Messe 2019:
Im Bild oben: (1) Team des Völkleswaldhofs, (2) Mutterkuh verbringt "Elternzeit" mit Kalb
Das Gespräch führte Katharina Heuberger.
Bilder: (c) Anja Frey