Skudde: Chef Alliance widmet sich einer der ältesten Schafrassen Europas
Wer kennt heute noch Skudden, die kleinen, anspruchslosen Land- und Heideschafe des Nordens? Leider kaum jemand! Denn die Skudden sind vom Aussterben bedroht und stehen auf der Gefährdungsliste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). Das Fleisch der Skudden lässt sich schwer kommerziell vermarkten, weil schlachtreife Skudden nur wenig Gewicht auf die Waage bringen. Auch ihre Wolle wird kaum genutzt, da diese Rasse ein mischwolliges Vlies trägt und Schafwolle ohnehin kaum noch Abnehmer*innen findet.
Schon von den Wikingern geschätzt
Schon die Wikinger hatten Skudden auf ihren Eroberungsfahrten zur eigenen Verpflegung mit an Bord. So verbreitete sich die Rasse im Norden Europas bis nach Island und zu den Faröer Inseln. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Skudden in Ostpreußen und auf dem Baltikum die wichtigste Schafrasse, vor allem wegen ihrer starken Anpassungsfähigkeit. Die widerstandsfähigen Tiere ernähren sich von schmackhaften Kräutern genauso wie von Brennnesseln, Disteln, Brombeeren, Schlehen und Weißdorn, so dass sie sich hervorragend zur Landschaftspflege auf mageren, sandigen Böden eignen. Mit ihren kleinen, sehr festen Hufen verdichten sie die Böden, ohne Schäden zu verursachen.
Auf den Geschmack gekommen
Ganz nach dem Slow-Food-Motto „Essen, was man retten will!“ beschloss der Leiter der Chef Alliance, Jens Witt aus Hamburg, zusammen mit weiteren Mitgliedern des Köch*innen-Netzwerkes, Skudden schlachten zu lassen und in den verschiedenen Küchen zu verarbeiten. Dafür wurden im August Skudden im Alter zwischen 14 Monaten und drei Jahren aus Betrieben in Brandenburg und Schleswig Holstein auf den Arche-Hof Bredland nach Blunk in Schleswig-Holstein gebracht, nach zwei Tagen Ruhezeit ganz in der Nähe geschlachtet und professionell zerlegt. „Die Skudden sind auch im schlachtfähigen Alter klein und zierlich und bringen wenig Gewicht auf die Waage, zwischen 15 bis maximal 24 Kilogramm. Ein Texelschaf wiegt in dem Alter mehr als das Doppelte“, erklärt Hardy Marienfeld vom Arche-Hof Bredland, einem der ältesten Arche-Höfe Deutschlands. Er hat sich um den Transport der Skudden zu seinem Hof und um ihre Schlachtung gekümmert. Auch einige seiner eigenen Skudden ließ er für die Aktion schlachten. „Für die einzelnen Halter ist es schwierig, die Schlachtung vor Ort und die anschließende Vermarktung zu organisieren. Deswegen haben wir das übernommen zusammen mit einem Schlachter unseres Vertrauens“, so Marienfeld.
Langeoog, Berlin, Hohenlohe
„Trotz erster Anlaufschwierigkeiten, vor allem bei der Transportlogistik, haben wir weitere Schlachtaktionen mit Skudden geplant“, ergänzt Jens Witt, der sich persönlich auf den Weg nach Langeoog machte, um die Anlieferung der Kühlboxen mit dem Fleisch von sechs Skudden zu kontrollieren. Michael Recktenwald vom Biorestaurant „Seekrug“ wollte das Fleisch seinen Gästen auf einer Sonderkarte anbieten. Nach Berlin wurden alle Innereien der geschlachteten Skudden und das Fleisch eines Tieres von Christoph Hauser geordert, um sie in seinem Restaurant „Herz & Niere“ zu verarbeiten. An zwei Aktionstagen Anfang September standen Gerichte mit Innereien von den Skudden auf seiner Karte: „Unsere Gäste lieben Innereien, aber Innereien vom Schaf haben manche von ihnen bisher noch nicht gegessen“, berichtet Hauser. Weitere Köch*innen von der Slow Food Chef Alliance hatten das Fleisch von je zwei Skudden bestellt – Patrick Jabs von der Kochschule „lecker werden“ in Essen, Markus Bitzen vom „Jagdhaus Rech“ an der Ahr und Maximilian Korschinsky fürs „Mohrenköpfle“ im Regionalmarkt Hohenlohe, wo auch das Schwäbisch Hällische Landschwein vermarket wird. „Wir können hoffentlich dazu beitragen, dass mehr Menschen die besondere Qualität dieses zarten, tiefroten und wildartigen Fleisches kennen- und schätzen lernen“, lautet das Fazit von Jens Witt nach Abschluss der ersten Skudden-Aktion. Er persönlich jedenfalls ist von der Qualität des Fleisches begeistert.
Hardy Marienfeld ist gespannt darauf, sich mit den beteiligten Köch*innen über die verschiedenen Zubereitungsarten und Rezepte auszutauschen. „Das ist wie mit unseren Metzgern, die immer neue Gewürzmischungen kreieren, zum Beispiel für Lammwurst, die wir aus Fleisch von älteren Schafen machen lassen. Durch den Austausch mit den Metzgern haben wir schon oft neue Anregungen bekommen und weitergeben können. Und das erhoffen wir uns auch von den Köch*innen der Chef Alliance. So kann ein lebendiges Netzwerk entstehen.“
Text: Margret Wehning