Slow Food Youth Akademie vertieft Wissen über Böden und Lebensmittelhandwerk
Die Frage, wie die Bodenfruchtbarkeit auf natürliche Weise erhalten und verbessert werden kann, treibt auch die Akademie-Teilnehmerin Nanetta Ruf um. „Als Konditorin interessiert mich die Lebensmittelherstellung sehr. Ich fand es spannend, an diesem Wochenende auf alle Facetten eingehen zu können“, sagt sie. „Wir haben positive Ansätze kennengelernt, aber natürlich auch darüber gesprochen, was in der industriellen Produktion alles schief läuft. Gut gefallen hat mir, dass wir uns mit den entsprechenden Akteurinnen und Akteuren direkt austauschen konnten. Auf diesem Weg bekommen wir Informationen aus erster Hand.“
Exkursion auf den Acker und in die Produktion
Für fachlichen Input sorgten unter anderem Daniel Diehl und Lena Nauland, Bodenexperten bei Slow Food Deutschland, Dr. Götz Kröner, Geschäftsführer der Kröner-Stärke GmbH und Gastgeber dieses Akademie-Wochenendes, sowie Dr. Bernd Nagel-Held. Er ist als gelernter Müller und Geschäftsführer der Eickernmühle GmbH Fachmann für Bäckerei-Rohstoffe. Wie es sich bei der Slow Food Youth Akademie bewährt hat, wurden Theorie und Praxis eng verzahnt. So schauten sich die Teilnehmenden während einer Exkursion auf dem Acker von Haus Hülshoff um, einem Betrieb, der Landwirtschaft für möglichst viele Menschen erfahrbar machen will. Der Unternehmer Kröner gewährte einen Einblick in die Produktion von Stärke. Er berichtete davon, dass auch sein Unternehmen das unterschiedliche Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Kauf von Lebensmitteln beobachte: Auf der einen Seite wird aus Gründen der Bequemlichkeit verstärkt auf Fertiggerichte, Kühl- und Tiefkühlkost zurückgegriffen. Auf der anderen Seite stehen gleichzeitig kritische Verbraucherinnen und Verbraucher, die gesunde Produkte mit natürlichen Inhaltsstoffen wünschen; so wie etwa Kröners Stärke ohne chemische Zusätze.
Bäckerhandwerk beklagt den Verlust von Know-how
‚Ernährungssouveränität’ war das Stichwort für Anke Kähler. Die Vorstandsvorsitzende der unabhängigen Berufsorganisation ‚Die Freien Bäcker e.V.‘ berichtete über die aktuelle Situation im Bäckerhandwerk. Dass diese besser sein könnte zeigt, dass weiterhin täglich eine Bäckerei in Deutschland schließt und damit handwerkliches Know-how verloren geht. „Dagegen steigt die Anzahl an Betrieben mit mehr als zehn Millionen Euro Umsatz sowie deren Marktanteil. In Deutschland erzielen 2,74 Prozent aller backenden Unternehmen 58,61 Prozent des Gesamtumsatzes“, so die Expertin. Sie schilderte die weiteren Herausforderungen, mit denen das Bäckereihandwerk konfrontiert ist: Zum einen gibt es einen eklatanten Mangel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zum anderen ächzt die Branche unter einem Übermaß an bürokratischen Reglementierungen.
Erhalt sinnstiftender Arbeitsplätze im Handwerk
„Die Belastung des Faktors Arbeit, bei dem Deutschland auch laut einer OECD Studie weltweit zu den Spitzenreitern unter den Industrieländern gehört, trägt auch zur Schwächung des Handwerks bei“, so Kähler. Gleichzeitig allerdings verwies sie auf die zahlreichen positiven gesellschaftlichen Funktionen des Handwerks: etwa die Bereitstellung sinnstiftender Arbeitsplätze oder der Beitrag zur Rekonstruierung resilienter, regionaler Versorgungsstrukturen. „Die positiven gesellschaftlichen Leistungen des Handwerks ebenso wie die bäuerlich-nachhaltig wirtschaftenden Höfe verlangen, Arbeit von Sozialabgaben und Steuern zu entlasten und die staatliche Finanzierung umzuschichten auf Kapitalabgaben und Öko-Steuern“, lautet deshalb eine zentrale Forderungen der Freien Bäcker.
Junge Generation vertreibt den Muff alter Strukturen
„Diesen schlechten Bedingungen sowie dem Muff der alten Handwerksstrukturen zum Trotz, beweisen seit einigen Jahren junge Handwerkerinnen und Handwerker sowie mutige, sich wandelnde alteingesessene Betriebe, dass kleinere, lokale Bäckereien sehr erfolgreich sein können“, betonte Anke Kähler. Das Erfolgsrezept: Umfangreiches Können, Wissen und eine handwerkliche Herstellung ohne industrielle Inputs; zudem Transparenz und Fairness entlang der Wertschöpfungskette. „Um Ernährungssouveränität zu erlangen, brauchen wir auf diese Weise aufgestellte Lebensmittelherstellerinnen und Hersteller.“
Nachhaltiger Enthusiasmus begeistert Teilnehmende
Nanetta Ruf zählt zu dieser aufstrebenden, wissbegierigen Handwerkergeneration. Nach dem Abitur hatte sie zuerst ein Studium begonnen. Schnell stellte sie fest, dass es nicht ihren Vorstellungen entsprach. Sie schwenkte um, wollte etwas mit den Händen machen. Nach einigen Praktika stand ihr Ausbildungsziel Konditorin fest. Längst hat sie inzwischen den Meisterbrief in der Tasche. Neben dem Austausch mit den Expertinnen und Experten gefällt ihr vor allem das Treffen mit Gleichgesinnten auf der Slow Food Youth Akademie, die sich als ‘Changemaker‘ verstehen. Wie auch die beiden ehemaligen Akademie-Absolventen Sebastian Geißler (Weinverkostung) und Katrin Simonis (Sauerteig-Workshop), die ihr Wissen wie an diesem Wochenende gerne weitergeben. Nicht Jammern, stattdessen Anpacken und den gesellschaftlichen Umgang mit Lebensmitteln verbessern – Elan und Leidenschaft treiben die Teilnehmenden voran.
Den Funken der Begeisterung weitertragen
Bleibt die Frage, wie sie ihre Begeisterung in die Gesellschaft tragen. „Eigentlich müssten noch viel mehr Menschen besser über unsere Lebensgrundlage Lebensmittel und Landwirtschaft informiert sein“, meint Nanetta Ruf, die auch darüber nachgrübelt, wie sich das Problem des fehlenden Interesses überwinden lässt. Auch hier setzt die Slow Food Youth Akademie an. Gemeinsam werden Strategien und Ideen entwickelt, wie Menschen über Genuss und Geschmack den besseren Umgang mit Lebensmitteln wiederentdecken, wie eine Bildungsarbeit aussieht, die alle Sinne anspricht. So sind über die Jahre tragfähige Netzwerke entstanden, die den Funken der Begeisterung weitertragen - mit langem Atem und voller Enthusiasmus.