Startschuss für die 12. Slow-Food-Messe „Markt des guten Geschmacks“
„Gut, sauber, fair“ - am Donnerstag, den 25. April, öffneten erneut die Tore zur Slow-Food-Messe in Stuttgart. Langweilig, so Roland Bleinroth, Geschäftsführer Messe Stuttgart aber werde es nie. Nicht zuletzt, weil es jedes Jahr neue Ausstellerinnen und Aussteller mit neuen Geschichten gebe. „Uns freut es besonders, dass selbst bei zehn parallel stattfindenden Frühjahrsmessen ein roter Faden klar zu erkennen ist. Und das ist die Nachhaltigkeit sowie der Wunsch aller Beteiligten, für mehr Bewusstsein bei Menschen zu sorgen. Wir laden die Besucherinnen und Besucher ein zu reflektieren, was sie konsumieren und wie sie leben können, um sich selbst und anderen gleichermaßen Gutes zu tun“, erklärte Bleinroth. Dieses gemeinsame Ziel hob auch Ursula Hudson während ihrer Begrüßung hervor: „Mit der Messe stellen wir nicht nur Qualität ‚zur Schau‘, sondern ergänzen das schmeckende und erfreuliche um eine ökologische, soziale und kulturelle Dimension. Damit machen wir hoffentlich Lust darauf, besser verstehen zu wollen, welchen enormen Einfluss diese Dimensionen auf die Weiterverarbeitung eines Lebensmittels hat“.
Markthelden: Mehr als der gute Geschmack
Ab diesem Jahr finden Besucherinnen und Besucher der Messe erstmalig Markthelden-Produkte vor. Das sind Erzeugnisse, welche über die Ausstellungsordnung 2019 hinaus die Slow-Food-Prinzipien von ‚gut, sauber, fair' erfüllen. Durch die Art ihrer Produktion bleiben biologische und kulturelle Vielfalt erhalten, das Wohl von Nutztieren wird geachtet. „Einer unserer diesjährigen Markthelden ist beispielsweise die Vorzugsmilch des Völkleswaldhof. Das ist Milch von Kühen, die ihre Hörner behalten und ‚Elternzeit‘ genießen, also ihre Kälber bei sich haben solange diese die Muttermilch brauchen. Und die Kühe essen von kräuterreichen Wiesen. Sie kommen gar nicht umhin, dieses Tierwohl herauszuschmecken. Hinzu kommt, dass das eine Milch ist, die man nicht einfach wegschmeißt, sondern aus der nach ein paar Tagen etwas neues entstehen kann, wie etwa Dickmilch. Das war früher völlig üblich“, schwärmte Hudson.
Hinter guten Produkten stecken Herz, Kopf und harte Arbeit
Aus Sicht von Fritz Kuhn, Oberbürgermeister von Stuttgart gehört die Slow-Food-Messe einfach nach Stuttgart. In der Landeshauptstadt bewege sich viel im Bereich Nachhaltigkeit, weshalb er es begrüße, dass eine gesellschaftlich wie politisch wichtige Organisation wie Slow Food jährlich hier zu Gast sei und über Neuigkeiten im Bereich Ernährung und Lebensmittel informiere, erklärte Kuhn während der Eröffnung. Indem die Messe die entscheidenden Unterschiede zwischen handwerklich und konventionell hergestellten Produkten aufzeige, bringe sie Menschen auf den guten Geschmack und zeige auf, dass hinter Produkten Herz, Kopf und harte Arbeit stecke.
Statt mehr Technik braucht es echte Visionen
Martin Häusling, der seinen Bauernhof seit über 30 Jahren ökologisch bewirtschaftet, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschusses ist, eröffnete seine Keynote mit einem klaren Plädoyer für die Förderung bäuerlich-ökologischer Landwirtschaft. „Menschen praktizieren Landwirtschaft seit rund 6.000 Jahren, traditionell im Gleichgewicht mit der Natur und untrennbar verbunden mit dem Lebensmittelhandwerk. Um so mehr kleine Betriebe dicht machen, umso mehr gehen uns diese Traditionen verloren. Das Ruder können wir nur herumreißen, indem die Politik die Gelder, und damit unsere Steuergelder, anders verteilt, wir Nahrungsmittel mit wahren Preisen etikettieren und Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Essen wieder wertschätzen“, so Häusling. Nach Logik der aktuellen Europäischen Agrarpolitik fallen auf jeden Hektar Land rund 300 Euro, ungeachtet dessen, ob der subventionierte Hof umweltfreundlich und für einen regionalen Markt wirtschaftet oder nicht. Das, so Häusling, sei viel Geld mit dem viel Gutes getan werden könne. Es müsse auch zu einem Ende der exportorientierten Form der Agrarwirtschaft kommen. „Wir mästen unsere Tiere in Europa mit Soja aus Südamerika, damit wir das Fleisch anschließend nach China oder Japan exportieren. Das ist ökologischer und sozialer Wahnsinn“, kritisierte er. Klar ist, es braucht Lösungen. Von vermeintlichen Heilsbringern wie klimasmarte Landwirtschaft, neue Gentechnik und Digitalisierung hält Häusling pauschal wenig. Das sei weder eine langfristige Lösung für den Schutz von Klima und Artenvielfalt noch reduziere es bewiesenermaßen den Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft. Es sei einzig eine weitere Einnahmequelle für die Industrie, die uns die aktuelle genetische Verengung überhaupt erst aufgetragen habe. „Was wir brauchen sind tragfähige Visionen und Innovationen im Sinne einer Gesundheit für Mensch und Umwelt. Dafür ist Europa mitverantwortlich, auch wir als Wählerinnen und Wähler. Deshalb möchte ich Sie alle bitten, bei der anstehenden Europawahl teilzunehmen, damit wir Möglichkeiten für Veränderungen nutzen“, schloss Häusling.
Bilder (c) Ingo Hilger